TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/2 91/19/0330

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Veröffentlicht am 02.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
18 Kundmachungswesen;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

BGBlG §2 Abs1;
B-VG Art139;
B-VG Art18 Abs2;
B-VG Art89;
FrPolG 1954 §3 Abs2 Z6;
PaßG 1969 §25 Abs3 litd;
VwGG §41 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des S in D, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Vorarlberg vom 23. Juli 1991, Zl. Frb 4204/90, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 23. Juli 1991 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 6 in Verbindung mit § 4 Fremdenpolizeigesetz ein bis zum 12. Februar 1996 befristetes Aufenthaltsverbot für das Gebiet der Republik Österreich erlassen.

In der Begründung führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, der Beschwerdeführer habe am 5. April 1990 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul einen Sichtvermerk mit der Gültigkeitsdauer bis 9. Mai 1990 zur Einreise nach Österreich beantragt, wobei er als Reisezweck angeführt habe, daß er als Tourist nach Österreich reisen wolle. Auf diesem Antrag habe er eine Erklärung in türkischer Sprache unterzeichnet, daß er nur für den Zweck und für jene Dauer, die er in dem Sichtvermerksantrag angeführt habe, nach Österreich reisen werde. Weiters habe er ein Schriftstück, aus dem hervorgegangen sei, daß für ihn vom 24. April bis 25. Mai 1990 in einem näher bezeichneten Hotel in Wien ein Zimmer reserviert worden sei sowie eine Flugkarte mit Rückflugdatum 9. Mai 1990 vorgelegt. In der Folge sei dem Beschwerdeführer vom österreichischen Generalkonsulat in Istanbul ein bis zum 9. Mai 1990 gültiger Sichtvermerk für die einmalige Einreise erteilt worden, worauf der Beschwerdeführer am 24. April 1990 nach Österreich eingereist sei.

In der Folge habe der Beschwerdeführer in Österreich einen Sichtvermerksantrag gestellt, wobei den diesbezüglich angeschlossenen Unterlagen entnommen werden könne, daß er seit 10. Mai 1990 als geschäftsführender Gesellschafter einer näher angeführten Ges.m.b.H. in F tätig gewesen sei. Nun behaupte der Beschwerdeführer, er habe sich erst während seines Aufenthaltes in Österreich aus diversen Gründen entschlossen, hier zu bleiben. Dies erscheine jedoch nicht glaubwürdig. Erhebungen der Bundespolizeidirektion Wien hätten ergeben, daß der Beschwerdeführer entgegen der beim Generalkonsulat in Istanbul vorgelegten Zimmerreservierung in dem erwähnten Hotel keine Unterkunft genommen habe. 18 Tage nach seiner Einreise in das österreichische Bundesgebiet (Flughafen Schwechat) sei er bei der erwähnten Ges.m.b.H. einige 100 Kilometer vom vorgegebenen Reiseziel entfernt geschäftsführender Gesellschafter geworden. Auf die Fragen, wie es hiezu gekommen sei, von wem und von wann er die Möglichkeit erfahren habe, sich an der Gesellschaft zu beteiligen sowie wie lange er nach seiner Ankunft in Wien gewohnt habe und an welchem Tag er in Vorarlberg eingetroffen sei, habe der Beschwerdeführer lediglich mitgeteilt, daß er sich nicht mehr erinnern könne, wo er sich am Beginn seiner Aufenthaltszeit in Österreich aufgehalten habe; weiters habe er gemeint, daß ein Hotelgast regelmäßig keine Durchschrift der Anmeldung bekomme. Die angeführten Umstände - so die belangte Behörde weiter -, insbesondere jedoch die Erlangung einer Gesellschaftsbeteiligung binnen relativ kurzer Aufenthaltsdauer einige 100 Kilometer vom vorgegebenen Reiseziel entfernt, sprächen dafür, daß der Beschwerdeführer bereits in der Absicht, in Österreich eine Beschäftigung auszuüben und hier für längere Zeit Aufenthalt zu nehmen, einen Sichtvermerk bei der österreichischen Vertretungsbehörde in der Türkei beantragt habe. Wenn der Beschwerdeführer geltend mache, er habe nicht von vornherein gewußt, daß er sich nicht an den Inhalt der erwähnten Erklärung beim Generalkonsulat halten wolle, ihm sei nach seiner Einreise nach Österreich völlig unerwartet eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden, so mache er damit geltend, daß er auf Grund dieser Beschäftigungsbewilligung den Entschluß gefaßt habe, in Österreich zu bleiben. Dies entspreche jedoch nach Ansicht der Behörde keineswegs den Tatsachen, da er den Sichtvermerksantrag mit der Erlangung einer Gesellschaftsbeteiligung begründet habe. Zu diesen Erwägungen komme, daß sich der Beschwerdeführer vom 24. April 1990 bis zum 21. Mai 1990 unangemeldet in Österreich aufgehalten habe; seit 10. Mai 1990 sei er nicht mehr im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes. Einen Sichtvermerksantrag habe er erst mit Schreiben vom 30. Juli 1990 eingebracht. Der Beschwerdeführer habe sich somit während seines Aufenthaltes auch über paß- bzw. fremdenpolizeiliche sowie melderechtliche Vorschriften hinweggesetzt.

Der Beschwerdeführer halte sich seit ca. 15 Monaten in Österreich auf. Laut Akteninhalt habe er bis 30. Juni 1991 über eine gültige Beschäftigungsbewilligung verfügt. Andere persönliche oder familiäre Einwendungen seien nicht geltend gemacht worden. Da von einer Integration des Beschwerdeführers in Österreich nicht gesprochen werden könne, erschienen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auf Grund des Verhaltens des Beschwerdeführers unverhältnismäßig schwerer zu wiegen als die Auswirkungen auf seine Lebenssituation.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher die Behandlung derselben mit Beschluß vom 16. Oktober 1991, Zl. B 1024/91, ablehnte und sie in der Folge gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 3 Abs. 1, Abs. 2 Z. 6 und Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz lauten wie folgt:

§ 3 (1) Gegen einen Fremden kann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

6. gegenüber einer österreichischen Behörde oder ihren Organen unrichtige Angaben über seine Person, seine persönlichen Verhältnisse, den Zweck oder die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht hat, um sich die Einreise oder die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 2 Abs. 1 zu verschaffen.

(3) Würde durch ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist seine Erlassung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 genannten Ziele dringend geboten ist. In jedem Fall ist ein Aufenthaltsverbot nur zulässig, wenn nach dem Gewicht der maßgebenden öffentlichen Interessen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes unverhältnismäßig schwerer wiegen, als seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie. Bei dieser Abwägung ist insbesondere auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1. die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen;

3.

die mögliche Beeinträchtigung des beruflichen oder persönlichen Fortkommens des Fremden oder seiner Familienangehörigen.

Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers vermag der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der ihm zustehenden Kontrolle der Beweiswürdigung (vgl. dazu das Erkenntnis eines hg. verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) die Annahme der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe anläßlich der Stellung des Sichtvermerksantrages beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht und damit den Tatbestand des § 3 Abs. 2 Z. 6 Fremdenpolizeigesetz erfüllt, nicht als rechtswidrig zu erkennen. Der Hinweis des Beschwerdeführers, er habe erst nach seiner Einreise jenen Notariatsakt unterschrieben, auf Grund dessen er Gesellschafter einer in Österreich tätigen Gesellschaft geworden sei, es sei völlig ausgeschlossen, daß er diesen Notariatsakt vor seiner Einreise unterschrieben und dieser erst später vordatiert worden sei, ist in diesem Zusammenhang unverständlich, weil die Unterfertigung des erwähnten Notariatsaktes nach der Einreise keineswegs die Annahme der belangten Behörde über die unrichtigen Angaben des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Stellung des Antrages auf Erteilung des Sichtvermerkes zu entkräften vermag.

Soweit der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides davon abzuleiten versucht, daß dieser auf einen "Geheimerlaß des Innenministeriums" gestützt worden sei, so vermag er damit schon deshalb nicht durchzudringen, weil einer solchen Norm bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof keine Relevanz zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1991, Zl. 90/19/0294).

Soweit der Beschwerdeführer schließlich darauf verweist, ein Aufenthaltsverbot könne niemals "verhältnismäßig" sein, wenn alle Voraussetzungen für die Erteilung eines Sichtvermerkes gegeben gewesen seien, so vermag er damit schon deshalb eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht darzutun, weil ein Sachverhalt, der nach § 3 Abs. 2 Z. 6 des Fremdenpolizeigesetzes als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 der genannten Gesetzesstelle zu gelten hat, die Versagung eines Sichtvermerkes nach § 25 Abs. 3 lit. d Paßgesetz rechtfertigt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. Oktober 1990, Zl. 90/19/0154).

Die vorliegende Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beschwerdepunkt Beschwerdebegehren ErlässeBeschwerdepunkt Beschwerdebegehren Rechtslage Rechtsgrundlage Rechtsquellen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991190330.X00

Im RIS seit

06.08.2001

Zuletzt aktualisiert am

19.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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