TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/4 91/03/0135

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.03.1992
beobachten
merken

Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §52;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Bumberger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des K in V, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid der Kärntner Landesregierung vom 15. April 1991, Zl. 8V-171/10/91, betreffend Übertretung der StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Kärnten Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 10. November 1989 zwischen 18.20 Uhr und 21.00 Uhr in V, in Höhe des Hauses X, als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw einen Verkehrsunfall mit Sachschaden verursacht und es unterlassen, hievon unverzüglich die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 4 Abs. 5 der StVO 1960 begangen. Es wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der "Rechtswidrigkeit" des bekämpften Bescheides geltend gemacht wird.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, die Ausdehnung der Tatzeit im Spruch des angefochtenen Bescheides auf die Zeit von 18.20 Uhr bis 21.00 Uhr gegenüber 18.30 Uhr bis 21.00 Uhr im erstinstanzlichen Straferkenntnis sei unzulässig, weil hinsichtlich der Zeit von 18.20 Uhr bis 18.30 Uhr Verfolgungsverjährung eingetreten sei.

Die Lenkerin des vom Beschwerdeführer beschädigten Pkw hat anläßlich ihrer Zeugenvernehmung am 23. Jänner 1990 angegeben, sie habe ihr Fahrzeug zwischen 18.20 Uhr und 18.25 Uhr an der späteren Unfallstelle abgestellt. Am 27. Februar 1990 wurde dem Beschwerdeführer der gesamte Akteninhalt und insbesondere auch diese Zeugenaussage zur Kenntnis gebracht. Diese als Verfolgungshandlungen anzusehenden, auch den Tatzeitraum

18.20 Uhr bis 18.30 Uhr umfassenden behördlichen Schritte wurden innerhalb des Verfolgungsverjährungszeitraumes gesetzt; der diesbezügliche Einwand des Beschwerdeführers ist daher nicht berechtigt.

Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde Mangelhaftigkeit des Verfahrens vor, weil sie den von ihm beantragten Ortsaugenschein nicht durchgeführt habe. Ein solcher Ortsaugenschein wäre aber notwendig gewesen, weil der Sachverständige seinen Feststellungen, daß die am gegnerischen Fahrzeug aufgetretenen Schäden vom Pkw des Beschwerdeführers herrühren könnten, ein Reversieren des Beschwerdeführers zugrunde gelegt habe. Der Beschwerdeführer habe aber im Verwaltungsverfahren auf die Unwahrscheinlichkeit eines solchen Fahrverhaltens hingewiesen.

Der Beschwerdeführer hat zwar im Verwaltungsverfahren geltend gemacht, ein Reversieren sei auf Grund der Situierung des Parkplatzes und der vom Beschwerdeführer gewählten Ausfahrt nicht erforderlich und daher unwahrscheinlich gewesen; daß ein solches Fahrverhalten jedoch unmöglich gewesen sei, wurde von ihm nicht behauptet. Eines Ortsaugenscheines bedurfte es daher nicht, da auch eine durch einen Ortsaugenschein erfolgte Bestätigung dieser Behauptungen keinen Beweis dafür geliefert hätte, daß der Beschwerdeführer nicht doch den Parkplatz in der vom Sachverständigen angenommenen Weise verlassen habe.

Der Beschwerdeführer sieht einen Verstoß gegen § 25 Abs. 2 VStG darin, daß die belangte Behörde die ihn entlastenden Zeugenaussagen seiner Gattin und des weiteren Zeugen Sch. nicht in gleicher Weise berücksichtigt habe wie die ihn belastenden Umstände. Beide Zeugen hätten seine Rechtfertigung, der an seinem Pkw festgestellte Schaden stamme von einem schon länger zurückliegenden Vorfall, bestätigt. Die belangte Behörde hätte nicht auf Grund des bloßen Umstandes, daß beide Zeugen neben der Lackabsplitterung nicht auch ausdrücklich eine Gummiabriebspur erwähnt hätten, davon ausgehen dürfen, daß ihren Aussagen "keine Antwort auf die Gummiabriebspur habe entnommen werden können". Auch die Ausführung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe keine Erklärung dafür geliefert, weshalb an der Anstoßstelle der Straßenstaub entfernt worden sei, stelle lediglich eine Scheinbegründung dar, da ihm dieser Umstand unwesentlich erschienen sei, weil das Abwischen des Straßenstaubes durch vielerlei Ursachen - etwa durch Vorbeistreifen der Kleidung - hervorgerufen werden könne und er im ganzen Verfahren auch nie aufgefordert worden sei, diesbezüglich eine Erklärung abzugeben.

Zu diesem gegen die Beweiswürdigung der belangten Behörde gerichteten Beschwerdevorbringen ist daran zu erinnern, daß die Würdigung der Beweise, auf Grund deren der Sachverhalt angenommen wurde, nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Prüfung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, d.h. mit den Denkgesetzen im Einklang steht und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt worden ist, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Jänner 1992, Zlen. 91/03/0272, 0273 u.a.).

Einer solchen Prüfung hält jedoch die Begründung des angefochtenen Bescheides stand. Bezirksinspektor G., der den Pkw des Beschwerdeführers am 12. November 1989, also zwei Tage nach dem Vorfall, im Beisein des Beschwerdeführers besichtigt hat, hat als Zeuge angegeben, auf Grund der Beschädigungen beider Fahrzeuge sei mit Sicherheit anzunehmen, daß der Schaden am Pkw der W. vom Beschwerdeführer verursacht worden sei. Die Lackabsplitterungen am Pkw des Beschwerdeführers seien keineswegs alt und auf einen anderen Unfall zurückzuführen gewesen, welcher sich vor längerer Zeit ereignet habe, sondern stünden im direkten Zusammenhang mit dem dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Vorfall. Der Pkw des Beschwerdeführers habe bei der Besichtigung eine Staubschicht aufgewiesen; etwa in der Höhe der Anstoßstelle am linken hinteren Kotflügel sei eine Gummiabriebspur vorhanden gewesen. Etwa in gleicher Höhe befinde sich beim Pkw der W. eine Zierleiste mit einer Gummieinlage. Darüber hinaus sei im Bereich der im Akt bezeichneten Anstoßstellen der Straßenstaub, der ansonsten am Fahrzeug vorhanden gewesen sei, entfernt gewesen.

Die als Zeugin vernommene Gattin des Beschwerdeführers hat ausgesagt, es sei richtig, daß am Pkw ihres Gatten vor dem 10. November 1989 die linke hintere Türe eingedrückt gewesen sei. Auch habe sich an der linken Seite der Stoßstange eine ca. 1 cm große Lackabsplitterung ebenfalls älteren Datums befunden. Die Stoßstange bestehe aus Kunststoff und sei überlackiert. Sie könne sich noch erinnern, daß etwa im September 1989 im Zuge der Reinigung des Wagens in der Waschstraße der Lack an der Stoßstange im Zuge des Absprühens mit dem Dampfstrahler abgesplittert sei. Sie benütze das Fahrzeug ihres Gatten regelmäßig. Ein weiterer Schaden an diesem Fahrzeug sei ihr nicht aufgefallen.

Der Zeuge Sch. gab hinsichtlich des Schadens am Pkw des Beschwerdeführers an, es sei richtig, daß der Wagen an der linken hinteren Türe und auch am linken hinteren Radlauf einen Schaden aufgewiesen habe. Dieser stamme von einem früheren Unfall. Ein Schaden zwischen der Heckleuchte und der Stoßstange sei ihm nicht bekannt.

Wenn die belangte Behörde auf Grund dieser Zeugenaussagen und der Feststellungen des Amtssachverständigen - denen der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist - als erwiesen angenommen hat, daß die Schäden am Pkw der W. vom Beschwerdeführer verursacht wurden, so kann ihr im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden eingeschränkten Kontrolle der Beweiswürdigung nicht entgegengetreten werden. Zum einen muß einem Gendarmen zugemutet werden, einen neuen Lackschaden von einem alten - selbst bei Zugrundelegung der Angaben der Gattin des Beschwerdeführers wäre der Lackschaden etwa zwei Monate alt gewesen - zu unterscheiden; zum anderen haben die Gattin des Beschwerdeführers und der Zeuge Sch. nichts von einer Gummiabriebspur erwähnt, sondern im Gegenteil ausdrücklich erklärt, ein weiterer Schaden am Pkw des Beschwerdeführers sei ihnen nicht bekannt. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kommt auch der Feststellung des Zeugen Bezirksinspektor G. Bedeutung zu, daß gerade im Bereich der Anstoßstellen der Straßenstaub, der ansonsten am Fahrzeug des Beschwerdeführers vorhanden war, entfernt war. Da dem Beschwerdeführer diese Zeugenaussage zur Kenntnis gebracht wurde, hatte er auch Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen.

Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsgerichtshofverfahren ein Kfz-Sachverständigengutachten vorgelegt, welches im Zuge eines beim Bezirksgericht Villach geführten Zivilprozesses, der den verfahrensgegenständlichen Unfall betraf, erstellt wurde. Darin kommt der Gutachter zu dem Schluß, ein eventueller Anstoß des Beschwerdeführers an den gegnerischen Pkw hätte nicht die an letzterem festgestellten Schäden verursachen können.

Ein im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegtes Gutachten fällt nur dann nicht unter das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot, wenn dadurch belegt werden soll, daß sich der von der Behörde beigezogene Sachverständige eines Verstoßes gegen die Denkgesetzes schuldig gemacht hat (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Februar 1951, Slg. NF 1934/A u. a.).

Das vom Beschwerdeführer vorgelegte Gutachten geht auf das Gutachten des von der belangten Behörde beigezogenen Amtssachverständigen nicht ein. Es kommt zwar zu einem anderen Schluß; aus seinem Inhalt läßt sich aber nicht ableiten, daß sich der Amtssachverständige eines Verstoßes gegen die Denkgesetzes schuldig gemacht habe.

Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Besonderes Fachgebiet Gutachten Überprüfung durch VwGH Sachverhalt Sachverständiger Gutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991030135.X00

Im RIS seit

04.03.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten