TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/11 90/13/0301

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Veröffentlicht am 11.03.1992
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §21 Abs1;
BAO §22;
GmbHG §25 Abs4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 90/13/0302

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1) des M in X und 2) der B-GmbH & Mitgesellschafter in X, beide vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, Berufungssenat III, zu 1) vom 14. November 1990, GZ. 6/1-1215/90-04, betreffend Einkommensteuer 1986 und 1987 und zu 2) vom 7. November 1990, GZ. 6/1-1254/89-04, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für die Jahre 1986 und 1987, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von je S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit einem Gesellschaftsvertrag vom 20. Oktober 1986 schlossen sich die B-GmbH, der Erstbeschwerdeführer und seine Ehegattin E zu einer Kommanditgesellschaft unter der Firma B-GmbH & Co KG zusammen, wobei die B-GmbH und der Erstbeschwerdeführer Komplementäre und E Kommanditistin sein sollten. Gegenstand des Unternehmens ist der Betrieb eines Gastgewerbes (Heurigenbetrieb).

Von der Gesellschaft wurden für 1986 ein Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von S 466.942,-- und für 1987 ein Verlust in Höhe von S 2,577.360,-- erklärt.

Im Zuge einer Betriebsprüfung wurde vom Prüfer festgestellt, daß eine Eintragung der Kommanditgesellschaft im Handelsregister nicht erfolgt sei, sodaß eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vorliege. Der Erstbeschwerdeführer habe am 16. Mai 1986 die Liegenschaft X, N-Gasse 40, um S 3,370.000,-- erworben. In der Folge habe der Erstbeschwerdeführer die Liegenschaft an die mit Gesellschaftsvertrag vom 13. Juni 1986 vom Erstbeschwerdeführer (75 % des Stammkapitals) und dessen Ehegattin E (25 % des Stammkapitals) gegründete B-GmbH vermietet. Die B-GmbH habe das Grundstück an die Zweitbeschwerdeführerin weitervermietet. Alle Bestandverträge seien lediglich mündlich abgeschlossen worden. Über die vereinbarten Mieten seien weder Rechnungen vorgelegt worden, noch seien irgendwelche "Geldtransaktionen" erfolgt. Alle erfolgswirksamen Geschäftsfälle seien lediglich auf Verrechnungskonten gebucht worden. Der Prüfer erblickte in diesem Vertragsgeflecht einen Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts. Er wertete die Liegenschaft und die damit in Zusammenhang stehenden Kreditverbindlichkeiten als Sonderbetriebsvermögen des Erstbeschwerdeführers. Die von der Zweitbeschwerdeführerin geltend gemachten Mietaufwendungen wurden als Sondervergütungen des Erstbeschwerdeführers behandelt. Die von diesem als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung erklärten Aufwendungen wurden als dessen Sonderbetriebsausgaben beurteilt.

Gegen die nach der Betriebsprüfung ergangenen Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften der Gesellschaft bürgerlichen Rechts für die Jahre 1986 und 1987 wurde Berufung erhoben. Darin wurde ausgeführt, der wirtschaftliche Sinn der Gestaltungsweise liege in dem haftungsmäßig bedeutungsvollen Umstand, daß die Liegenschaft weiterhin im Privateigentum des Erstbeschwerdeführers verbleibe und daher der Haftung für die "B-GmbH und Mitunternehmerschaft" entzogen sei. Hätte der Erstbeschwerdeführer die Liegenschaft in die Mitunternehmerschaft eingebracht, wäre bei einem Konkurs der Mitunternehmerschaft die Liegenschaft verloren gewesen. Die Errichtung einer GmbH bzw. der beim Handelsregister eingereichten GmbH & Co KG habe das Unternehmerrisiko in der Weise beschränkt, daß nur das dem Betrieb gewidmete Vermögen im Insolvenzfalle zur Haftung herangezogen werden könne. Die Zurückbehaltung der Liegenschaft im Privatvermögen des Erstbeschwerdeführers, die Vermietung der Liegenschaft an die B-GmbH und die Untervermietung an die Zweitbeschwerdeführerin hätten daher in erster Linie außersteuerliche Gründe gehabt. Weiters sei zu berücksichtigen, daß eine GmbH "auch im Falle einer Gesellschafteridentität mit einer Mitunternehmerschaft" als steuerrechtlich selbständiges Unternehmen anzuerkennen sei.

Mit einer gleichartigen Begründung wurde auch gegen die an den Erstbeschwerdeführer ergangenen Einkommensteuerbescheide 1986 und 1987 Berufung erhoben.

In einer weiteren, als Gegenäußerung zu einer Stellungnahme des Prüfers eingebrachten Parteieingabe wurde ausgeführt, der Heurigenbetrieb sei deswegen in der Rechtsform einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betrieben worden, weil in der Gründungsphase der Mindestumsatz für eine Protokollierung (als Kommanditgesellschaft) nicht erreicht worden sei. Es sei beabsichtigt gewesen, bei der Gründung der Kommanditgesellschaft sowohl die B-GmbH als auch den Erstbeschwerdeführer als Komplementäre und E als Kommanditistin zu beteiligen. Bei dieser Gestaltung wären die eingetretenen Abschreibungsverluste bei der Einrichtung des Heurigenbetriebes dem Erstbeschwerdeführer ohne die einschränkenden Bestimmungen des § 23 a EStG 1972 zugerechnet worden. Es sei beabsichtigt gewesen, nach dieser Gründungsphase die Stellung (des Erstbeschwerdeführers) als Komplementär in eine Kommanditbeteiligung umzuwandeln. Ohne diese Änderung der Rechtsstellung von Komplementär zu Kommanditist gäbe die Gründung der Kommanditgesellschaft keinen Sinn, da dasselbe Ergebnis durch die Gründung einer OHG oder einer GesbR erreicht worden wäre. Wäre die B-GmbH & Co KG im Handelsregister eingetragen worden, wäre nach der Änderung der Rechtsstellung des Erstbeschwerdeführers dessen persönliche Haftung für das Unternehmen ausgeschaltet worden.

Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der dem Vertreter der Beschwerdeführer unter anderem vorgehalten wurde, daß die Zweitbeschwerdeführerin für das vom Erstbeschwerdeführer zurückbehaltene Grundstück Renovierungskosten von ca. S 1,5 Millionen aufgewendet hatte, wurden die Berufungen mit den beiden in Beschwerde gezogenen Bescheiden abgewiesen. Darin gelangte die Abgabenbehörde zweiter Instanz zu der Auffassung, daß ein außersteuerlicher Grund für die vorliegende Gestaltung nicht angenommen werden könne. Sinngemäß wurde darauf hingewiesen, daß durch den Gesellschaftsvertrag, der eine Vollhaftung des Erstbeschwerdeführers als Komplementär vorgesehen habe, eine Beschränkung der Haftung des Erstbeschwerdeführers nicht hätte erreicht werden können. Die Absicht, den Gesellschaftsvertrag nach der Gründungsphase entsprechend zu ändern, finde im Gesellschaftsvertrag keine Deckung. Gegen die vertraglichen Gestaltungen spreche auch ein Fremdvergleich: Vor allem im Hinblick auf eine Amortisation der Investitionen des Mieters wäre unter Fremden nicht nur eine Festlegung einer unkündbaren Mindestmietdauer erfolgt, sondern es wäre auch die Höhe der Miete einschließlich Valorisierung und Verrechnung der Betriebskosten zu Beweiszwecken in einem schriftlichen Vertragswerk festgehalten worden.

In den Beschwerden gegen diese Bescheide wird deren inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Im Hinblick auf die Identität des Sachverhaltes und den persönlichen Zusammenhang der Beschwerdefälle hat der Verwaltungsgerichtshof die Verbindung der Beschwerdesachen beschlossen und darüber erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 BAO ist für die Beurteilung abgabenrechtlicher Fragen in wirtschaftlicher Betrachtungsweise der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend.

Nach § 22 Abs. 1 BAO kann durch den Mißbrauch von Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts die Abgabepflicht nicht umgangen oder gemindert werden. Liegt ein Mißbrauch vor, sind nach dem zweiten Absatz der genannten Gesetzesstelle die Abgaben so zu erheben, wie sie bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen, Tatsachen und Verhältnissen angemessenen rechtlichen Gestaltung zu erheben wären.

Demnach ist der Steuerpflichtige grundsätzlich nicht gehindert, Formen und Gestaltungsmöglichkeiten des bürgerlichen Rechts so einzusetzen, daß er die geringste Steuerbelastung erzielt. Als Mißbrauch anzusehen ist hingegen eine rechtliche Gestaltung, die im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg ungewöhnlich und unangemessen ist und ihre Erklärung nur in der Absicht der Steuervermeidung findet; es ist dann zu prüfen, ob der gewählte Weg noch sinnvoll erscheint, wenn man den abgabenersparenden Effekt wegdenkt, oder ob er ohne das Resultat der Steuerminderung einfach unverständlich wäre (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Mai 1990, 86/13/0046, und vom 11. Dezember 1990, 89/14/0140). Können daher beachtliche Gründe für eine - auch ungewöhnliche - Gestaltung angeführt werden, ist ein Mißbrauch auszuschließen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. März 1989, 87/13/0120-0123).

Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Auffassung ist davon auszugehen, daß die auf Grund mündlicher Verträge vorgenommene Gestaltung nicht der - wie in den Beschwerden behauptet wird - "in allen Wirtschaftsbereichen üblichen Aufspaltung zwischen Liegenschaftsbesitz und Betriebsgesellschaft" gleichkommt. Im Beschwerdefall wurden nach dem Erwerb einer für einen Heurigenbetrieb geeigneten Liegenschaft zwischen dem Erstbeschwerdeführer und seiner Ehegattin Verträge über die Gründung einer GmbH sowie einer GmbH & Co KG abgeschlossen. Der Erstbeschwerdeführer vermietete die Liegenschaft an die GmbH, welche ihrerseits das Grundstück an die Zweitbeschwerdeführerin untervermietete, wobei letztere die Kosten der Renovierung der Gaststätte übernahm. Eine solche Vorgangsweise erscheint im Hinblick auf den angestrebten wirtschaftlichen Erfolg, nämlich das Betreiben einer Gaststätte, ungewöhnlich.

Als beachtlichen außersteuerlichen Grund für diese ungewöhnliche Gestaltung wird von den Beschwerdeführern die Vermeidung der Haftung des Erstbeschwerdeführers mit seinem ganzen Vermögen und somit auch mit der Betriebsliegenschaft angegeben. Demgegenüber wurde von der belangten Behörde zutreffend hervorgehoben, daß dem Erstbeschwerdeführer im Rahmen des vorliegenden Vertragsgeflechts die Stellung eines (voll haftenden) Komplementärs zugedacht gewesen war (wobei sich an der Haftung des Erstbeschwerdeführers für Verbindlichkeiten aus dem Gaststättenbetrieb durch das Unterbleiben der Eintragung der Kommanditgesellschaft im Handelsregister nichts geändert hat). Von den Beschwerdeführern selbst wird eingeräumt, daß der Erstbeschwerdeführer in der "Anlaufphase" - also jedenfalls in den beiden zur Beurteilung vorliegenden Streitjahren - die volle Haftung im Hinblick auf den damals geltenden § 23 a EStG 1972 übernommen hat, um die erwarteten Verluste aus Gewerbebetrieb "steuerlich nutzen" zu können. Aus diesen Beschwerdeausführungen selbst geht damit aber zweifelsfrei hervor, daß die Vertragsgestaltung allein aus abgabensparenden Gründen gewählt worden ist.

Wenn die Beschwerde demgegenüber auf eine bestehende Absicht, die Haftung des Erstbeschwerdeführers nach der "Anlaufphase" einzuschränken, verweist, so wird damit zunächst übersehen, daß im Beschwerdefall von den tatsächlichen Verhältnissen der Streitjahre auszugehen ist. Überdies hat die belangte Behörde zu Recht darauf verwiesen, daß in den schriftlichene Vereinbarungen keine Absprachen über eine solche spätere Haftungsbeschränkung enthalten sind. Wenn in den Beschwerdeschriften (im Ergebnis erstmals) auf bereits "eingeleitete gesellschaftsrechtliche Schritte" verwiesen wird, so ist dem entgegenzuhalten, daß durch die Handelsregistereingabe über die Eintragung einer GmbH & Co KG (mit dem Erstbeschwerdeführer als Komplementär) eine Beschränkung der Haftung des Erstbeschwerdeführers eben gerade nicht dokumentiert worden ist.

Auch mit den Einwendungen gegen den von der belangten Behörde zusätzlich angestellten "Fremdvergleich" sind die Beschwerdeführer nicht im Recht: Wie aus den Bestimmungen des § 21 Abs. 1 BAO und den diese Bestimmungen ergänzenden Vorschriften der §§ 22 und 23 BAO abzuleiten ist, ist für die Anerkennung von Verträgen zwischen Gesellschaften und ihren beherrschenden Gesellschaftern eine nach außen in Erscheinung tretende eindeutige Gestaltung der Vertragsbeziehungen wie unter einander Fremden erforderlich (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1986, 83/13/0109, 0139). Die behaupteten mündlichen Mietverträge wurden zwischen dem Erstbeschwerdeführer, der GmbH, deren Geschäftsanteile im Eigentum des Erstbeschwerdeführers und seiner Ehegattin stehen, sowie dem Erstbeschwerdeführer für die (bürgerlich-rechtlich nicht rechtsfähige) Zweitbeschwerdeführerin geschlossen. Erfordernis für die Wirksamkeit eines derartigen "Selbstkontrahierens" ist ein nach außen in Erscheinung tretender Akt (Manifestationsakt), der für Dritte feststellbar ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 1991, 89/13/0093). Die rechtliche Gestaltung durch die Beschwerdeführer ist aber nach außen nicht ausreichend zum Ausdruck gekommen. Außerdem wurde ein eindeutiger, klarer und jeden Zweifel ausschließender Inhalt der Mietverträge nicht einmal behauptet, zumal, wie von der belangten Behörde zutreffend hervorgehoben wurde, im Hinblick auf die getätigten Investitionen ein Mindeststandard an Abreden über die Bestandverhältnisse (Miethöhe und Mietdauer, Schicksal des Wertes der Investitionen) unter Fremden jedenfalls festgehalten worden wäre.

Die Beschwerden waren daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Selbstkontrahieren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1990130301.X00

Im RIS seit

06.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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