Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
GewO 1973 §367 Z15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Weiss und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des J in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. August 1991, Zl. 04-25 Sa 4-90/1, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er über Strafart und Strafausmaß sowie die Kosten des Strafverfahrens abspricht, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft vom 4. September 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe in der Zeit vom 22. März 1990 bis zumindest zum 24. April 1990 durch einen am Zaun des Privatkindergartens der E in A, unmittelbar neben der Gemeindestraße (Gehsteig) in einer Entfernung von ca. 50 m zur Volks- und Hauptschule montierten Automaten (gefüllt mit Fruchtkugeln, Kaugummi und Spielzeug) ein Gewerbe mittels Automaten ausgeübt, obwohl mit Verordnung des Bürgermeisters von A vom 19. September 1988 die Ausübung eines Gewerbes mittels Automaten im Umkreis von 200 m von Schulen untersagt wurde. Er habe dadurch die Rechtsvorschrift des § 367 Z. 15 "i.V.m. § 52 Abs. 4" GewO 1973 i. V.m. der Verordnung des Bürgermeisters von A vom 19. September 1988 verletzt. Gemäß § 367 "leg.cit." wurde eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt.
In Ansehung der Strafbemessung wurde zur Begründung ausgeführt, das Ausmaß der verhängten Strafe sei sowohl den objektiven Kriterien des § 19 Abs. 1 VStG als auch den subjektiven Merkmalen des § 19 Abs. 2 leg.cit. angepaßt worden. Zu den Vermögens-, Einkommens- und Familienverhältnissen seien vom Beschwerdeführer die Angaben verweigert worden.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 6. August 1991 wurde der Berufung keine Folge gegeben und das erstbehördliche Straferkenntnis bestätigt.
Zur Begründung wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer bestreite nicht, zum fraglichen Zeitpunkt einen Automaten am Zaun des Privatkindergartens in A, montiert gehabt zu haben. Zweck der auf Grund des § 52 Abs. 4 GewO 1973 erlassenen Verordnung sei es, unmündige Minderjährige vor unüberlegten Geldausgaben zu bewahren. Da der Automat im Umkreis von ca. 50 m von der Volks- und Hauptschule in A entfernt montiert worden sei und zum Tatzeitpunkt auch mit verschiedenen im Spruch näher bezeichneten Gegenständen gefüllt gewesen sei, sei er auf die Inanspruchnahme durch unmündige Minderjährige (Schüler der Volks- und Hauptschule A) ausgerichtet gewesen, sodaß der Berufung dem Grunde nach ein Erfolg nicht beschieden sei. Als mildernd sei die bisherige verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, als erschwerend jedoch der Umstand zu werten gewesen, daß der Automat unmittelbar darauf ausgerichtet gewesen sei, auf Grund seiner Plazierung die Schüler der Volks- und Hauptschule A zur Inanspruchnahme zu verleiten. Auch unter Bedachtnahme auf die vom Beschwerdeführer angeführten Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse habe die verhängte Geldstrafe weder herabgesetzt noch gemildert werden können, zumal sie durchaus schuldangemessen sei und auch einen verhältnismäßigen Vermögensnachteil nach sich ziehen solle, um den Strafzweck zu erfüllen.
Dagegen richtet sich die vorliegende - vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung mit Beschluß vom 25. November 1991, B 1154/91-9, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetretene - Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer nach seinem gesamten Vorbringen in dem Recht verletzt, bei der gegebenen Sach- und Rechtslage der ihm zur Last gelegten Verwaltungsübertretung nicht schuldig erkannt und hiefür nicht bestraft zu werden. Er trägt in Ausführung dieses Beschwerdepunktes vor, es sei zunächst darauf hinzuweisen, daß wegen desselben Automaten von der belangten Behörde bereits zwei Straferkenntnisse aufgehoben worden seien. Die diesbezüglichen Straferkenntnisse überschnitten sich in Ansehung der Tatzeitpunkte teilweise mit dem gegenständlichen Straferkenntnis. Auch beim gegenständlichen Straferkenntnis sei nicht eindeutig klargestellt, wie die Erstbehörde zum Tatzeitraum 22. März 1990 bis zumindest zum 24. April 1990 gelangt sei. Es sei daher zunächst davon auszugehen, daß mit dem angefochtenen Bescheid der Tatzeitpunkt nicht ausreichend klargestellt sei. Es sei weiters mit dem durch den angefochtenen Bescheid bestätigten Schuldspruch nicht aufgezeigt worden, in welcher Eigenschaft dem Beschwerdeführer der Tatvorwurf gemacht worden sei. Des weiteren sei nicht klargestellt, ob tatsächlich eine Gewerbeausübung im fraglichen Zeitraum vorgenommen worden sei. Der Umstand, daß der Automat am genannten Standort aufgestellt sei, bedeute noch nicht, daß es tatsächlich auch zu Kaufanboten bzw. Kaufgeschäften gekommen sei. Eine diesbezügliche Überprüfung seitens der anzeigenden Behörde sei nicht erfolgt. Die verhängte Geldstrafe sei weiters nicht im Einklang mit der Bestimmung des § 19 Abs. 1 VStG. Es sei keine entsprechende Abwägung der Milderungs- und Erschwerungsgründe erfolgt. Der als Erschwerungsgrund angeführte Umstand, daß der Automat nach Feststellung der Behörde in der Verbotszone aufgestellt sei, könne noch nicht als Erschwerungsgrund gesehen werden. Es sei weiters auch nicht erkennbar, in welcher Form die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers berücksichtigt worden seien.
Als Nachweis für den Tatvorwurf werde sowohl im Straferkenntnis als auch im Bescheid der belangten Behörde auf das durchgeführte Ermittlungsverfahren verwiesen. Die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens seien dem Beschwerdeführer aber nicht zur Kenntnis gebracht worden und er habe daher auch keine Gelegenheit gehabt, zu diesen Ermittlungsergebnissen Stellung zu nehmen. Es sei auch nicht überprüft worden, ob der gegenständliche Automat während des fraglichen Zeitraumes tatsächlich in Betrieb gewesen sei. Ebenso fehlten entsprechende Erhebungen bezüglich der Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse. Es seien weiters auch nicht die Milderungs- und Erschwerungsgründe entsprechend erhoben worden. Zufolge dieser Verfahrensmängel sei die belangte Behörde zu einer unrichtigen Beweiswürdigung sowie zu unrichtigen Tatsachenfeststellungen gelangt. Daher sei auch eine unrichtige rechtliche Beurteilung erfolgt. Die Verfahrensmängel seien daher für den Verfahrensausgang von entscheidender Bedeutung.
Die belangte Behörde führte in ihrer Gegenschrift u.a. aus, es sei richtig, daß mit ihrem Bescheid vom 17. August 1990 der Berufung des nunmehrigen Beschwerdeführers gegen ein Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Liezen Folge gegeben und das betreffende Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 lit.a VStG eingestellt worden sei. Das eingestellte Verfahren habe sich jedoch auf den 19. September 1989 als Tatzeitpunkt bezogen.
Der nunmehr gegen den Beschwerdeführer erhobene Tatvorwurf bezieht sich auf einen vom 22. März 1990 bis zumindest zum 24. April 1990 reichenden Tatzeitraum. Der Verwaltungsgerichtshof vermag zunächst auf Grund des diesbezüglich nicht konkretisierten Beschwerdevorbringens nicht zu erkennen, daß die belangte Behörde mit dem nunmehr im Verwaltungsrechtszug bestätigten Schuldspruch einen Zeitraum erfaßt hätte, der bereits den Gegenstand eines Schuldspruches oder einer Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens gebildet hätte. Weiters vermag der Verwaltungsgerichtshof aber auch auf Grund der Gegenschrift der belangten Behörde nicht zu erkennen, daß eine Überschneidung einerseits der vom im Verwaltungsrechtszug bestätigten Schuldspruch nunmehr erfaßten Tatzeit und andererseits des unter die erwähnte Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens fallenden Zeitpunktes vorläge.
Dem Beschwerdeführer wurde anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 27. Juli 1990 und sodann mit dem erstbehördlichen Straferkenntnis vom 4. September 1990 der gegen ihn erhobene Tatvorwurf zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer hatte somit nicht nur bereits anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme im erstbehördlichen Verwaltungsstrafverfahren, sondern sodann auch in der gegen das erstbehördliche Straferkenntnis erhobenen Berufung Gelegenheit, den gegen ihn erhobenen Tatvorwurf in Zweifel zu setzen. Der Beschwerdeführer rügt somit zu Unrecht, daß sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Er unterließ es, ein Vorbringen zu erstatten, demzufolge die belangte Behörde die gegen ihn erstattete Anzeige vom 24. April 1990 in Ansehung des Tatverhaltens und des Tatzeitraumes nicht als Grundlage für ihre im Verwaltungsrechtszug getroffenen Sachverhaltsfeststellungen heranziehen hätte dürfen. Nach der Aktenlage durfte die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid auf Grund der Anzeige vom 24. April 1990 als Ermittlungsergebnis zugrunde legen, daß der betreffende Automat gefüllt und funktionstüchtig war, was für die Erfüllung des Tatbildes einer Gewerbeausübung im Sinne des § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit der jeweils maßgebenden Verordnungsbestimmung ausreicht. Ferner durfte die belangte Behörde auf Grund dieser Anzeige samt Nachtrag von dem von ihr im Verwaltungsrechtszug festgestellten Tatzeitraum ausgehen.
Entgegen dem Beschwerdevorbringen wurde in dem mit dem angefochtenen Bescheid bestätigten Schuldspruch festgestellt, daß der Beschwerdeführer ... ein Gewerbe mittels Automaten ausgeübt habe. Darin liegt die Feststellung, daß der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Tat in seiner Eigenschaft als Gewerbetreibender begangen habe.
Grundlage für die Bemessung der Strafe ist nach § 19 Abs. 1 VStG 1950 stets das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz die Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat.
Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die Bestimmungen der §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde stützte sich im angefochtenen Bescheid auf den von ihr als Erschwerungsgrund festgestellten Umstand, "daß dieser Automat unmittelbar darauf ausgerichtet war, auf Grund seiner Plazierung die Schüler der Volks- und Hauptschule A zur Inanspruchnahme zu verleiten". Mit diesen Worten wurde, wie der Beschwerdeführer zu Recht rügt, kein Erschwerungsgrund (insbesondere im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG in Verbindung mit § 33 StGB) dargetan, sondern lediglich auf jenes Interesse hingewiesen, welches durch die Verwaltungsvorschrift des § 367 Z. 15 GewO 1973 in Verbindung mit der durch Anschlag vom 19. September bis 4. Oktober 1988 kundgemachten Verordnung des Bürgermeisters der Marktgemeinde A (vom 7. September 1988) geschützt ist. In welchem - im Sinne des § 19 Abs. 1 VStG festzustellenden - Ausmaß dieses Interesse geschädigt oder gefährdet worden sei, wurde hiemit jedoch nicht dargetan. Insoweit sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides darauf berief, daß die verhängte Geldstrafe "durchaus schuldangemessen" sei unterließ sie es weiters, Feststellungen über das Ausmaß des Verschuldens im Sinne des § 19 Abs. 2 VStG zu treffen.
Damit, daß sich die belangte Behörde über die in Rede stehenden Kriterien der Strafbemessung im Sinne des § 19 Abs. 1 und 2 VStG hinwegsetzte, belastete sie den angefochtenen Bescheid in dem vorstehend im Spruch angeführten Umfang mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. In diesem Umfang war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde aus den dargelegten Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft den geltend gemachten Stempelgebührenaufwand (siehe hiezu die Worte "im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof" in § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG).
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1992:1992040005.X00Im RIS seit
31.03.1992