TE Vwgh Erkenntnis 1992/3/31 91/04/0314

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Veröffentlicht am 31.03.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
21/03 GesmbH-Recht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §66 Abs4;
GewO 1973 §360 Abs1;
GewO 1973 §360 Abs2;
GewO 1973 §360 Abs4;
GewO 1973 §366 Abs1;
GmbHG §18;
VStG §9 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Mag. Kobzina und die Hofräte Dr. Griesmacher, Dr. Weiss, DDr. Jakusch und Dr. Gruber als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Paliege, über die Beschwerde des E in O, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in V, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 9. Oktober 1991, Zl. Ge-7880/2-1991/Sch/Th, betreffend Maßnahme gemäß § 360 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der an den Beschwerdeführer als Bescheidadressaten ergangene Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. Juli 1991 lautet in seinem Spruch wie folgt:

" BESCHEID

Mit dem rechtskräftigen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. 10. 1990, Ge-96-2765-1989, in der Fassung des Bescheides des Landeshauptmannes von OÖ. vom 17. 6. 1991, Ge-49.454/1-1991/Sch/Th, wurde Herr E, als handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'X Ges.m.b.H.' wegen einer Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3 i.V.m. §§ 74 ff Gewerbeordnung 1973 bestraft, weil er es als das zur Vertretung nach außen berufene Organ dieser juristischen Person zu verantworten hat, daß in der Zeit vom 20. 10. 1989 bis zum 12. 7. 1990 im Standort Y, eine Tischlerwerkstätte - bestehend aus Werkstättenraum, entsprechenden Werkzeugen (drei Hobelbänke, Kreissäge, Bandsäge, Furnierpresse, Bandschleif-, Diktenhobel-, Fräs- und Kantenanleimmaschine) gewerbsmäßig Tischlerarbeiten durchgeführt wurden, ohne für diese gewerbliche Betriebsanlage, die geeignet ist, die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch und Staub zu belästigen, die erforderliche gewerbebehördliche Genehmigung erlangt zu haben. Die Betriebsanlage (Tischlerwerkstätte) wird weiterhin betrieben und es werden im Werkstättenbereich nach wie vor Tischlerarbeiten durchgeführt.

Es ergeht daher auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck als Organ der mittelbaren Bundesverwaltung in I. Instanz nachstehender

SPRUCH :

Herr E als das zur Vertretung nach außen berufene Organ und damit als verantwortlicher handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'X Ges.m.b.H.' hat

1) die weitere Ausübung des Tischlergewerbes in der nichtgenehmigten Werkstätte im bestehenden landwirtschaftlichen Anwesen im Standort Y unverzüglich einzustellen,

2) sämtliche in Verwendung stehende Betriebseinrichtungen (u.a. drei Hobelbänke, Kreissäge, Bandsäge, Furnierpressen, Bandschleif-, Fräs- und Kantenanleimmaschine) außer Betrieb zu nehmen und

3) die Werkstätte (Werkstättenraum) sofort zu schließen und am Werkstättengebäude eine Tafel mit der Aufschrift 'Tischlerwerkstätte geschlossen' anzubringen.

RECHTSGRUNDLAGE: § 360 Abs. 1 Gewerbeordnung 1973, BGBl. Nr. 50/1974."

Einer seitens des Beschwerdeführers dagegen erhobenen Berufung gab der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 9. Oktober 1991 keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wird in Erwiderung des Berufungsvorbringens, wonach es sich um eine bereits abgeschlossene unbefugte Gewerbeausübung handle (im Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. Oktober 1990 sei festgestellt worden, daß die gewerbliche Betriebsanlage unbefugt im Zeitraum vom 20. Oktober 1989 bis zum 12. Juli 1990 ausgeübt worden sei), im wesentlichen ausgeführt, der weitere unbefugte Betrieb der Tischlerwerkstätte sei auf Grund einer Anzeige von Nachbarn und eines am 23. Juli 1991 von der Gewerbebehörde durchgeführten Ortsaugenscheines als erwiesen angenommen worden. Darüber hinaus sei "das Straferkenntnis vom 17. 10. 1990 erst mit der Zustellung des diesbezüglichen Berufungsbescheides vom 17. 7. 1991 in Rechtskraft erwachsen". Wenn auch Voraussetzung für eine Verfügung nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 der rechtskräftige Abschluß eines Strafverfahrens sei, wobei zur Konkretisierung die Tatzeit zu bezeichnen sei, werde durch die nachfolgenden vorliegenden Erhebungsergebnisse erwiesen, daß die Wiederherstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes nicht ungesäumt erfolgt sei. Im übrigen sei am 12. Juli 1991 ein weiteres Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung des § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 eingeleitet worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, der Beschwerde keine Folge zu geben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich "als handelsrechtlicher Geschäftsführer der 'X Ges.m.b.H.' in dem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Nichtanordnung einstweiliger Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen nach § 360 Abs. 1 GewO" verletzt. In Ausführung dieses Beschwerdepunktes wird in der Beschwerde unter anderem unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes vorgebracht, die einstweiligen Zwangs- und Sicherungsmaßnahmen gemäß § 360 Abs. 1 erster Fall GewO 1973 seien gegen den Beschwerdeführer als handelsrechtlichen Geschäftsführer der "X Ges.m.b.H." verfügt worden.

Grundsätzlich sei zwar eine Maßnahme nach dem ersten Satz des § 360 Abs. 1 erster Fall GewO 1973 zunächst an denjenigen zu richten, der Beschuldigter im vorangegangenen, rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahren gewesen sei. Als Beschuldigter im Strafverfahren sei der Beschwerdeführer aber nur deshalb verurteilt worden, weil nach den Bestimmungen des VStG juristische Personen nicht strafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden könnten, sondern auf Grund des § 9 VStG nur physische Personen herangezogen werden könnten, weil jede Bestrafung ein persönliches Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) voraussetze. Im Gegensatz zu den Bestimmungen des VStG könnten jedoch Maßnahmen nach § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 auch gegen juristische Personen verfügt werden. Normadressat von Maßnahmen nach § 360 Abs. 1 erster Satz erster Fall GewO 1973 sei, wer die gewerbliche Tätigkeit ausübe oder die Betriebsanlage betreiben wolle. Nach dem rechtskräftigen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. Oktober 1990 sei die Betriebsanlage nicht durch den Beschwerdeführer, sondern durch die "X Ges.m.b.H." im Zeitraum vom 20. Oktober 1989 bis 12. Juli 1990 unbefugt betrieben worden. Die entsprechenden Maßnahmen, welche jedoch ohnedies nicht gerechtfertigt seien, hätten sich daher nicht an den Beschwerdeführer, auch nicht als handelsrechtlichen Geschäftsführer, sondern an die "X Ges.m.b.H." direkt richten müssen, weil sich die Verfügung nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 an den Gewerbetreibenden zur richten habe. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte daher die belangte Behörde die mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 23. Juli 1991 verfügten Maßnahmen nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 durch Stattgebung der Berufung aufheben müssen.

Schon diesem Beschwerdevorbringen kommt Berechtigung zu:

Gemäß § 360 Abs. 1 erster Satz GewO 1973 hat die Behörde, wenn in einem Strafverfahren das Vorliegen einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung oder in einem Verfahren gemäß § 358 Abs. 1 die Genehmigungspflicht einer Anlage rechtskräftig festgestellt worden ist, wenn der der Rechtsordnung entsprechende Zustand nicht ungesäumt hergestellt wird, mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes jeweils notwendigen Maßnahmen, wie die Schließung des Betriebes oder von Teilen des Betriebes oder die Stillegung von Maschinen zu verfügen.

Aus dem Zusammenhalt des Abs. 1 bzw. des Abs. 2 und des Abs. 4 des § 360 GewO 1973 ist zu schließen, daß Normadressat u. a. einer Maßnahme nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 der eine gewerbliche Tätigkeit Ausübende oder eine Betriebsanlage Betreibende ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0055).

Eine Formulierung der Berufungsentscheidung, die zum Ausdruck bringt, daß dem Rechtsmittel nicht Folge gegeben werde, ist im allgemeinen als Erlassung eines mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden Bescheides anzusehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1978, Zl. 1032/77). In diesem Sinne ging die belangte Behörde im vorliegenden Fall vom "Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 17. 10. 1990 ... in der Fassung des Bescheides des Landeshauptmannes von OÖ. vom 17. 6. 1991 ..." als tatbestandsbegründend aus. Das danach im Strafverfahren rechtskräftig festgestellte Vorliegen einer gesetzwidrigen Gewerbeausübung bezog sich auf der Grundlage des § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 auf eine Unterlassungspflicht, die die im Spruch bezeichnete "X Ges.m.b.H." traf. Im Hinblick auf die festgestellte Verletzung dieser die "X Ges.m.b.H."

treffende Unterlassungspflicht wurde die Strafbestimmung des § 366 GewO 1973 im Zusammenhalt mit § 9 Abs. 1 VStG auf den Beschwerdeführer als deren handelsrechtlichen Geschäftsführer angewendet.

Normadressat, an den sich im Anschluß an den Eintritt der Rechtskraft des in Frage stehenden Strafbescheides eine Maßnahme nach § 360 Abs. 1 GewO 1973 zu richten hatte, war somit nicht der Beschwerdeführer als handelsrechtlicher Geschäftsführer, sondern unter den eine derartige Verfügung bedingenden weiteren Voraussetzungen, so insbesondere auch des Tatbestandsmerkmales der Rechtspersönlichkeit, die

"X Ges.m.b.H." (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/04/0055).

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid schon im Hinblick darauf mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Dieser war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des weiteren Beschwerdevorbringens bedurfte.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG im Zusammenhalt mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Unter dem Begriff "Barauslagen", den der Beschwerdeführer gebrauchte, kann der Ersatz entrichteter Stempelgebühren nicht angesprochen werden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 1968, Slg. N.F. Nr. 7432/A). Da nicht erkennbar ist, daß es sich um andere Auslagen als jene für Stempelgebühren handelt, war das diesbezügliche Mehrbegehren abzuweisen.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991040314.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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