TE Vwgh Erkenntnis 1992/5/12 89/08/0103

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Veröffentlicht am 12.05.1992
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/03 Kollektives Arbeitsrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;

Norm

ABGB §1154;
ASVG §42 Abs3;
ASVG §44 Abs1 Z1;
ASVG §49 Abs1;
ASVG §68 Abs1;
AVG §52;
AZG §10;
KollV Güterbeförderungsgewerbe;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde der A-GmbH in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 24. Februar 1989, Zl. 3/07-11.999/4-1989, betreffend Beitragsnachverrechung (mitbeteiligte Partei: Salzburger Gebietskrankenkasse), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- und der mitbeteiligten Partei in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid vom 20. Juli 1987 verpflichtete die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse die Beschwerdeführerin als Dienstgeber im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG, die unter Zugrundelegung der kollektivvertraglichen Ansprüche und unter Bedachtnahme auf die Bestimmungen der §§ 42 Abs. 3, 44 Abs. 1 49 Abs. 1 und 2 und 54 Abs. 1 ASVG mit den bereits zugesandten und einen Bestandteil dieses Bescheides bildenden Berechnungsblätter vorgeschriebenen und dort unter Anführung von Namen, Beitragszeiträumen, Beitragsgrundlagen sowie Beitragsgruppen im einzelnen ausgeschlüsselten Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von insgesamt S 148.982,64 zu entrichten.

Nach der Begründung sei anläßlich der in der Zeit vom 26. Mai 1986 bis 12. März 1987 durchgeführten Beitragsprüfung festgestellt worden, daß die beschwerdeführende Gesellschaft überwiegend Fernfahrten in den EG- und Nahostraum durchführe. In nicht unerheblichem Ausmaß würden auch Spezialtransporte, für die Sondergenehmigungen erforderlich seien, vorgenommen. Da nach dem Kollektivvertrag für die Arbeiter des Güterbeförderungsgewerbes Österreichs ein Entgeltanspruch nicht nur für die Lenkzeit, sondern auch für die gesamte Einsatzzeit bestehe, sei die Beschwerdeführerin aufgefordert worden, entsprechende Unterlagen, wie Fahrtenbücher und Tachogrammscheiben, vorzulegen, da das den Kraftfahrern gewährte Entgelt in der Regel nur die Höhe des kollektivvertraglichen Mindestlohnes für 40 Wochenstunden erreicht habe. Nur in wenigen Ausnahmefällen sei ein etwas über dem Tariflohn liegendes Entgelt gewährt worden. Mit Schreiben vom 12. Jänner 1987 habe die Beschwerdeführerin mitgeteilt, daß die geforderten Unterlagen nicht mehr verfügbar seien, da für Fahrtenbücher und Tachogrammscheiben nur eine gesetzliche Aufbewahrungsfrist von einem Jahr bestehe. Da die wöchentliche Arbeitszeit im Güterfernverkehr kaum nur 40 Stunden betrage und in einigen wenigen Wochenberichtsblättern der Dienstnehmer wesentlich höhere Arbeitszeiten festgehalten seien, habe die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse in Entsprechung des § 42 Abs. 3 ASVG die Wochenarbeitszeit der Kraftfahrer mit 55 Stunden festgesetzt und die monatlichen Beitragsgrundlagen auf der Basis dieser Arbeitszeit abgeändert.

Die Beschwerdeführerin erhob Einspruch.

1.2.1. In ihrem Vorlagebericht zum Einspruch legte die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse ausführlich dar, wie sie zu einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit der Kraftfahrer von 55 Stunden gekommen sei. Daraus ergibt sich - auf das Wesentlichste zusammengefaßt - folgendes: Da Fahrtenbücher und Diagrammscheiben nicht mehr vorhanden gewesen seien, habe auf die teilweise noch vorhandenen Wochenberichtsblätter aus den Jahren 1985 und 1986 einzelner Fahrer zurückgegriffen werden müssen. Daraus sei zu entnehmen gewesen, daß die vorgegebene wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden oft beträchtlich überschritten worden sei. Eine Durchschnittsberechnung der Arbeitsstunden habe wöchentlich 61,2 Stunden ergeben. Die Kasse habe ferner auf das im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/08/0033, genannte Gutachten zurückgegriffen. Daraus ergebe sich, daß aufgrund der gefahrenen Jahreskilometer pro Stunde im Schnitt zwischen 43,45 und 57,62 Fahrkilometer möglich seien. Folge man den Angaben der Beschwerdeführerin, wonach die Fahrer jährlich ca. 120.000 km ableisteten, so ergebe sich bei einem Mittelwert von 50 km/h eine Leistung von 2400 Jahresstunden. Bei einer Netto-Jahresarbeitszeit von 41,5 Wochen ergebe dies eine Wochenarbeitszeit von 57,83 Stunden. Die Kasse habe daher, gestützt auf § 42 Abs. 3 ASVG, die wöchentliche Beschäftigungszeit mit 55 Stunden festgesetzt und die Beitragsgrundlagen abgeändert. Nach dem Rahmenkollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs sei unter anderem die gesamte Einsatzzeit mit Ausnahme einer einstündigen Essenszeit als Arbeitszeit zu bezahlen. Diese setzte sich aus den Lenkzeiten, den Zeiten der sonstigen Arbeitsleistungen und den Zeiten der Arbeitsbereitschaft zusammen. Nach dem genannten Kollektivvertrag gebühre im Auslandsverkehr erst ab der

10. (zusätzlichen) Arbeitsstunde ein Überstundenzuschlag. Im Beschwerdefall sei somit ein wöchentlicher Schnitt von 50 Normal- und 5 Überstunden angenommen worden, wobei für die Überstunde ein Zuschlag von 50 % festgesetzt worden sei. Wenn seitens der Beschwerdeführerin behauptet werde, die Fahrer hätten Anweisung, Überstunden nur nach Genehmigung durch den Dienstgeber zu erbringen, so sei auf die vorliegenden Wochenberichtsblätter zu verweisen, aufgrund deren sich jedoch ein anderes Bild ergebe.

1.2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Einspruch keine Folge gegeben und der Bescheid der Gebietskrankenkasse mit der Maßgabe bestätigt, daß die beschwerdeführende Gesellschaft Sozialversicherungsbeiträge in der Höhe von S 144.216,07 zu entrichten habe.

Nach Begründung beruhe der nunmehr im Spurch vorgeschriebene Betrag ausschließlich darauf, daß bei den bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Kraftfahrern gemäß § 42 Abs. 3 ASVG eine Wochenarbeitszeit von generell 55 Stunden angenommen und die bekanntgegebenen Beitragsgrundlagen entsprechend abgeändert worden seien. Aus den vorhandenen Stundenaufzeichnungen gehe hervor, daß sehr wohl eine höhere Arbeitsleistung als 40 Stunden wöchentlich geleistet worden sei. Aufgrund der von der Beschwerdeführerin bestätigten durchschnittlichen jährlichen Kilometerleistung von mindestens ca. 120.000 pro Fahrer und der zurückgelegten Touren sei eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von 55 Stunden (Lenkzeiten, Ladezeiten, Wartezeiten bei den Grenzen, Zeiten auf Fährschiffen u.a.) ermittelt worden. Aus dem von der Fachgruppe Güterbeförderungsgewerbe erstatteten Gutachten gehe hervor, daß von einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 50 km/h auszugehen sei. Von der belangten Behörde sei berücksichtigt worden, daß es sich bei den Fahrzeugen der Beschwerdeführerin um Zugmaschinen mit hoher PS-Zahl handle, daß nicht alle Fahrten mit Schwertransporten, die einen geringeren Kilometerdurchschnitt ermöglichten, durchgeführt worden seien, daß auch Leerfahrten dabei gewesen seien sowie durch Polizeieskorten in vielen Gebieten ein rascheres Fortkommen gegeben gewesen sei. Mit Ruhetagen, Urlaub, diversen Krankenständen und Reparaturen der Fahrzeuge sei dieser Durchschnittswert realistisch. Aus den vorhandenen Unterlagen sei ersichtlich, daß die Fahrer der Beschwerdeführerin im Prüfungszeitraum die durch die Kasse angenommene wöchentliche Arbeitszeit von 55 Stunden in vielen Fällen überschritten hätten. Es seien auch an Sonn- und Feiertagen Fahrten durchgeführt worden ohne daß es zu einer höheren Entlohnung gekommen sei. Eine schriftliche Einverständniserklärung der Dienstnehmer, zu keiner Zeit das Arbeitszeitgesetz, die Bestimmungen des Kollektivvertrages und der Straßenverkehrsordnung zu mißachten, sei als reine "Alibihandlung" des Dienstgebers anzusehen und entbehre jeglicher Realität.

1.3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof.

1.4. Die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand nahm, hat die Verwaltungsakten vorgelegt.

Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse hat eine Gegenschrift erstattet.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Gemäß § 44 Abs. 1 ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge für Pflichtversicherte der im Beitragszeitraum gebührende Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2 ASVG. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Engelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Gemäß § 49 Abs. 1 ASVG sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus aufgrund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

Für die Bemessung der Beiträge ist nicht lediglich der tatsächlich gezahlte Lohn maßgebend, sondern - wenn er den tatsächlich gezahlten Lohn übersteigt - der Lohn, auf dessen Zahlung bei Fälligkeit des Beitrages ein Rechtsanspruch bestand (vgl. etwa das Erkenntnis vom 26. Jänner 1984, Zl. 81/08/0211).

2.2. Schon aufgrund der dargestellten Rechtslage ergibt sich, daß das Vorbringen der Beschwerdeführerin, § 49 Abs. 1 ASVG stelle nur auf den tatsächlich bezahlten Lohn ab, unhaltbar ist. Die Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin, der den einzelnen Kraftfahrern tatsächlich ausbezahlte Lohn hätte auch durch Einsicht in die Buchhaltung festgestellt werden können, geht daher ins Leere.

2.3. Im Beschwerdefall ist nicht die beitragsrechtliche Bewertung von Geld- oder Sachbezügen im Sinne des § 49 Abs. 1 oder 2 ASVG, sondern vielmehr ausschließlich strittig, ob den in der Beitragsnachverrechnung des Bescheides der mitbeteiligten Kasse namentlich angeführten Dienstnehmern in den dort bezeichneten Zeiträumen Entgelte, insbesondere für Überstunden, zugestanden sind, für die von der beschwerdeführenden Partei keine Beiträge entrichtet wurden.

Ob ein Anspruch auf einen Geld- oder Sachbezug (worunter nach dem Erkennntnis vom 16. Dezember 1959, Zl. 2327/58, VwSlg. 5144/A, auch das Überstundenentgelt zu verstehen ist) besteht, ist - wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat - nach zivilrechtlichen (arbeitsrechtlichen) Grundsätzen zu beurteilen. Danach bleibt die Regelung der Frage, ob ein Dienstnehmer überhaupt einen arbeitsrechtlichen Anspruch hat, unter welchen Bedingungen und Voraussetzungen und in welchem Umfang er besteht und wann er fällig ist, sofern keine gesetzliche Grundlage besteht (etwa: § 10 Arbeitszeitgesetz), einer Vereinbarung (Einzel- oder Kollektivvertrag), mangels einer solchen (vgl. das Urteil des Obersten Gerichtshofes, ArbSlg. 10.086) dem Ortsgebrauch überlassen (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26 Jänner 1984, Zl. 81/08/0211, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Von der Beschwerdeführerin wird dabei nicht in Abrede gestellt, daß nach dem im Beschwerdefall anzuwendenden Kollektivvertrag für das Güterbeförderungsgewerbe Österreichs die über die Normalarbeitszeit hinausgehenden Arbeitsleistungen als Überstunden zu werten und zu entlohnen sind, sofern sie über Anordnung des Dienstgebers geleistet werden. Die Beschwerdeführerin beruft sich jedoch in diesem Zusammenhang auf zwischen ihr und den angestellten Kraftfahrern abgeschlossene Vereinbarungen, wonach Überstunden nur mit vorheriger Absprache mit der Firmenleitung gemacht werden dürften. Überstunden ohne Anordnung der Firmenleitung und solche, die freiwillig gemacht würden, seien danach nicht zu bezahlen.

Wenn die Beschwerdeführerin damit mangels Fehlens einer ausdrücklichen Anordnung zur Leistung von Überstunden einen Anspruch auf Bezahlung dieser verneint, so ist sie auf die arbeitsrechtliche Judikatur zu verweisen, wonach ein Anspruch auf Bezahlung von Überstunden auch dann gegeben ist, wenn der Dienstgeber Arbeitsleistungen entgegennahm, die auch bei richtiger Einteilung der Arbeit nicht in der normalen Arbeitszeit erledigt werden konnten. Wenn die dem Dienstnehmer übertragene Aufgabe die Leistung von Überstunden notwendig macht, muß der Dienstnehmer dies dem Dienstgeber anzeigen, um sich seinen Anspruch auf Überstundenentlohnung zu sichern. Auf diese Anzeige kommt es hingegen dann nicht an, wenn der Dienstgeber die Leistung von Überstunden entgegengenommen hat. Die Bezahlung von Überstunden, die er geduldet und entgegengenommen hat, kann er nämlich nicht unter Berufung darauf verweigern, daß sie nicht angeordnet worden seien (vgl. etwa ArbSlg. 8651, 8023 und 7519). Hiezu ist aber erforderlich, daß er davon wußte oder doch bei vernünftiger Einschätzung der Arbeitsleistung des Dienstnehmers die Notwendigkeit erkennen mußte, daß dazu Überstunden erforderlich sind (vgl. ArbSlg. 8890).

Da aus den vorhandenen Wochenberichtsblättern einzelner Kraftfahrer hervorging, daß die wöchentliche Arbeitszeit von 40 Stunden oft beträchtlich überschritten worden ist, wußte die Beschwerdeführerin jedenfalls von den geleisteten Überstunden. Ein generelles Verbot, Überstunden zu leisten, ist den genannten Vereinbarungen nicht zu entnehmen. Daß sich die Beschwerdeführerin dagegen ausgesprochen hat, wird von ihr nicht behauptet. Im Beschwerdefall kann daher kein Zweifel daran bestehen, daß sie die Überstunden geduldet und entgegengenommen hat, unabhängig von der Frage, ob sie nicht schon bei vernünftiger Einschätzung der Arbeitsleistung der Dienstnehmer die Notwendigkeit erkennen mußte, daß dazu Überstunden erforderlich sind. Es konnten somit auch durch die Zeitvorgaben des Beschwerdeführerin ("schlüssig") Überstunden angeordnet werden.

2.4. Auf die Frage, ob Überstunden angeordnet worden sind, kommt es im Beschwerdefall aber im Ergebnis deshalb nicht an, weil die Behörde den Anspruchslohn unter Zugrundelegung der im Schätzungsweg ermittelten Überstunden festgestellt hat.

Entgegen der Beschwerdeauffassung ist der Versicherungsträger gemäß § 42 Abs. 3 ASVG berechtigt, die für die Beurteilung der für das Versicherungsverhältnis maßgebenden Umstände aufgrund anderer Ermittlungen oder unter Heranziehung der Daten anderer Versicherungsverhältnisse bei dem selben Dienstgeber sowie von Daten gleichartiger oder ähnlicher Betriebe festzustellen, wenn die vom Dienstgeber zur Verfügung gestellten Unterlagen für die Beurteilung dieser Umstände nicht ausreichen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat dabei schon in seinem Erkenntnis vom 23. Oktober 1986, Zl. 85/08/0033, das Gutachten der zuständigen Fachgruppe der gesetzlichen Interessensvertretung für das Güterbeförderungsgewerbe in einem vergleichbaren Zusammenhang für grundsätzlich geeignet gehalten, als Schätzungsgrundlage zu dienen. Daß das von der erstmitbeteiligten Partei ihrer Entscheidung zugrunde gelegte Gutachten insoweit Daten vergleichbarer Versicherungsverhältnisse in gleichartigen oder ähnlichen Betrieben enthält, wurde von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.

§ 42 Abs. 3 ASVG ermächtigt den Versicherungträger in Fällen wie den vorliegenden (nämlich bei Fehlen ausreichender Unterlagen für die Beurteilung der Versicherungsverhältnisse), entweder die Daten anderer Beschäftigungsverhältnisse beim selben Dienstgeber heranzuziehen oder ihren Ermittlungen Fremdvergleiche zugrunde zu legen. Von welcher der beiden Möglichkeiten der Versicherungsträger Gebrauch macht, liegt grundsätzlich in seinem Ermessen. Dieses Ermessen ist hinsichtlich seiner gesetzmäßigen Handhabung in Rechtsmittelweg und schließlich auch im Beschwerdeweg durch den Verwaltungsgerichtshof überprüfbar. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, ob und welche (anderen) Unterlagen vom geprüften Dienstgeber sonst zur Verfügung gestellt wurden und ob diese Unterlagen insoweit ausreichend sind, daß eine darauf gestützte vergleichsweise Schätzung der Wirklichkeit näher kommt als die Heranziehung von Fremddaten (vgl. etwa das Erkennntnis vom 16. April 1991, Zlen. 90/08/0156, 0157). Wenn der Dienstgeber nicht in der Lage ist, gesetzlich vorgeschriebene Aufzeichnungen (etwa im Sinne des § 26 AZG) über die Arbeitszeit vorzulegen, dann ist es nicht rechtswidrig, wenn die Behörde im Rahmen ihrer Schätzungsbefugnis einen Fremdvergleich ihrer Entscheidung zugrundelegt.

Wenn dabei im Beschwerdefall die Schätzung nicht aufgrund der nur teilweise vorhandenen Wochenberichtsblätter (aus denen sich im übrigen eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit von 61,2 Stunden ergab), sondern unter Heranziehung von Fremddaten (denen eine durchschnittliche wöchentliche Arbeitsleistung von 55 Stunden zugrunde lag) erfolgt ist, so kann darin eine Rechtsverletzung der Beschwerdeführerin nicht erblickt werden. Ein entsprechend konkretisiertes Vorbringen, aus dem entweder Bedenken gegen die Grundlage der Schätzung oder die Gleichartigkeit der Verhältnisse hinsichtlich der von der Beitragsnachverrechnung betroffenen Lenker entstehen könnten, wurden von der beschwerdeführenden Partei nicht vorgebracht. Die belangte Behörde war daher zu dem von ihr mit Hilfe des erwähnten Gutachtens vorgenommenen Fremdvergleich berechtigt und schon deshalb nicht verpflichtet, auch die einzelnen Dienstnehmer zu vernehmen (vgl. auch dazu das bereits genannte Erkenntnis vom 16. April 1991).

Die entsprechende Verfahrensrüge der Beschwerdeführerin besteht daher nicht zu Recht.

2.5. Sofern die Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid Feststellungen darüber vermißt, die eine verläßliche Beurteilung der Frage erlaubten, ob die Voraussetzungen für die Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist gegeben seien, ist darauf die verweisen, daß lediglich die kurze, zweijährige Verjährungsfrist des § 68 Abs. 1 erster Satz ASVG angewendet worden ist. Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt danach binnen zwei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Dazu zählt auch die Vornahme einer Beitragsprüfung, die im Beschwerdefall - unbestrittenermaßen - am 26. Mai 1986 begonnen hat.

2.6. Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2.7. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, deren Art. III Abs. 2 zur Anwendung kam.

Schlagworte

Entgelt Begriff Anspruchslohn Entgelt Begriff Überstunden Kollektivvertrag Sachverständiger juristische Person Kammer Beirat Sondervereinbarung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989080103.X00

Im RIS seit

16.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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