TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/3 87/13/0128

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Veröffentlicht am 03.06.1992
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
21/01 Handelsrecht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/04 Steuern vom Umsatz;

Norm

ABGB §1053;
BAO §124;
BAO §126;
BAO §132;
HGB §38;
UStG 1972 §10;

Beachte

Besprechung in: ÖStZB 1992, 915;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Pokorny, Dr. Fellner, Dr. Hargassner und Mag. Heinzl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Cerne, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. F, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidnung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat III) vom 4. Mai 1987, Zl. 6/1-1224/8/86, betreffend Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1983 und 1984, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer betreibt einen gewerblichen Handel mit gärtnerischen Produkten. Seinen Gewinn ermittelt er gemäß § 4 Abs. 1 EStG 1972 durch Betriebsvermögensvergleich. Für die Jahre 1982 (Beginn der betrieblichen Tätigkeit) bis 1984 fand beim Beschwerdeführer eine Betriebsprüfung statt, bei der unter anderem folgende Feststellungen getroffen wurden:

Die Tageslosungen seien durch handschriftliche Aufzeichnungen der laufenden Kasseneingänge ermittelt worden. Eine Überprüfung der tatsächlichen Einnahmen durch Kassasturz sei nie erfolgt. Es sei laut Auskunft des Beschwerdeführers immer nur das Papiergeld gezählt worden. Einzelne Belegnummern seien zweimal vergeben worden. Einlagen seien ohne Beleg erfolgt; Belege seien nicht zeitfolgerichtig verbucht worden. Weiters seien zwei in der Buchhaltung nicht erfaßte Geschäftsfälle festgestellt worden;

a) an Prof. Armin F. sei eine Magnolie und eine Rose geliefert worden. Der Beleg darüber (S 3.685,54), der auch das Setzen der Pflanzen beinhaltet habe, sei storniert worden. Der Beschwerdeführer habe dies damit erklärt, daß F. keine Anzahlung geleistet habe und Lieferung und Bezahlung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt seien. F. habe demgegenüber erklärt, einen Teilbetrag bezahlt zu haben. Da die Magnolie nicht angewachsen sei, habe er sie im nächsten Jahr austauschen lassen und den Restbetrag bezahlt.

b) Eine Rechnung an Dr. M. über Lieferungen und Leistungen (S 5.521,82 zzgl. S 1.104,36 USt) sei ebenfalls in der Buchhaltung nicht erfaßt worden.

Bei Auswertung der vorgefundenen Rechnungsbelege sei festgestellt worden, daß die Rechnungsbeträge entweder gar nicht oder nur teilweise in der jeweiligen Tageslosungsaufzeichnung enthalten waren. Nur ein Teil dieser Differenz habe vom Beschwerdeführer bzw. seinem Steuerberater aufgeklärt werden können.

    Im Hinblick auf diese Buchführungsmängel nahm der

Betriebsprüfer gemäß § 184 BAO Sicherheitszuschläge zu den

erklärten Umsätzen und Gewinnen der Jahre 1983 und 1984 vor

(1983: 21 vH der erklärten Entgelte = S 99.500,--; 1984: 7 vH

der erklärten Entgelte = S 71.300,--).

Das Finanzamt folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ entsprechende Abgabenbescheide.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung. Im Verkauf fänden zwei Arten von Belegen Anwendung: "Großrechnungen" mit zwei Durchschlägen für Gartengestaltungen und Paragons mit einem Durchschlag, die als Barzahlungsquittung gedacht seien. Im praktischen Geschäftsablauf spiele sich dann folgendes ab:

"Irgendein Gartenfreund sieht eine Pflanze, fragt was sie kostet, will sie haben, nur hat er leider nicht soviel Geld bei sich. Selbstverständlich sagt Herr M. (= der Beschwerdeführer), der Kunde könne ruhig die Pflanze mitnehmen und den Rest, aber auch das Ganze, in den nächsten Tagen bezahlen. Die Paragonkopie kommt in diesem Fall an den Nagel an der Wand und wird bei endgültiger Begleichung zur Tageslosung abgelegt. Diese lockere Art der Geschäftsabwicklung hat sich durchaus bewährt, denn Herr M. ist kein Fall erinnerlich, daß auf endgültige Bezahlung vergessen wurde."

Die Ermittlung und Begründung der Sicherheitszuschläge sei nicht erkennbar. Vermutlich resultierten die Hinzurechnungsprozentsätze von 21 vH und 7 vH aus dem betragsmäßigen Verhältnis der aufgefundenen, nicht in den Tageslosungen enthaltenen Rechnungen zu den aufgezeichneten Tageslosungen. Die Hinzurechnungen würden den allgemeinen Erfahrungen des Wirtschaftsverkehrs nicht gerecht. Es werde nämlich angenommen, daß im ersten Jahr bei einem erklärten Umsatz von S 500.000,-- S 100.000,-- und im zweiten Jahr bei einem Umsatz von S 1,000.000,-- nur mehr ca. S 70.000,-- hinterzogen worden seien. Das Fehlen von Belegen über getätigte Einlagen könne keine Folgen haben. Wenn auch die Losungen durch Kassasturz (Zählung des Papiergeldes) ermittelt würden, sei doch durch genaue Bestandsermittlung zum Jahresende die vollständige Erfassung aller Bareinnahmen gewährleistet. Diese Methode erscheine im Hinblick auf die unüblich lange Dauer des Arbeitstages und die körperlich anstrengende Arbeit des Beschwerdeführers "grundsätzlich ordnungsgemäß". Es seien auch Aufzeichnungen zur Trennung der Entgelte geführt worden. Belege seien allerdings nur nach Maßgabe des § 132a BAO oder über ausdrücklichen Wunsch der Kunden ausgestellt worden. Es sei purer Zufall, wenn diese Rechnungen in den Hilfsaufzeichnungen zur Entgeltstrennung überhaupt gefunden werden. Ein treffendes Beispiel sei der Paragon Dr. M. über S 6.626,18. "Frau M. bestellte für ihren Balkon, wagte vermutlich nicht den Ehemann zu informieren und zahlte in Teilbeträgen. Herr M. (= der Beschwerdeführer) hat diese Teilzahlungen in seiner Trennung der Entgelte eben irgendwie zugeteilt, dabei war der ganze Geschäftsvorfall ursprünglich als Bargeschäft, zumindest seitens Herrn M., gedacht."

Auch der Geschäftsvorfall des Prof. Armin F. sei aufgeklärt. F. glaube eine Anzahlung geleistet zu haben, der Beschwerdeführer bestreite dies. "Dieser Widerspruch löst sich ohne weiteres in der Erklärung auf, die "Anzahlung" war Entgelt für die übrigen Leistungen, ist somit in den Erlösen enthalten."

Zusammenfassend sei zu sagen, daß keine materiellen Mängel der Buchhaltung existierten und daß die formellen Mängel nicht ausreichten, die Glaubwürdigkeit des Rechenwerkes zu verwerfen. Eine lückenlose Überprüfung der Hauptlieferanten habe zu keinen Feststellungen geführt, und die zweifellos durchgeführte Nachkalkulation könne ebenfalls nur im Rahmen des Üblichen gelegen sein.

Der Betriebsprüfer nahm zur Berufung Stellung: Die Behauptung, die Paragons seien bis zu ihrer Bezahlung auf einen Nagel an der Wand aufgespießt worden, sei unrichtig. Die beschlagnahmten Paragons seien durchwegs unversehrt. Die Berechnung der Sicherheitszuschläge ergebe sich aus dem Verhältnis der Bruttoerlössumme aller beschlagnahmten Paragonbelege zu den nichtverbuchten Einnahmen. Der Beschwerdeführer wies in seiner Entgegnung darauf hin, daß es den Nagel an der Wand erst ab 1985 gegeben habe. Bis dahin habe die Lade genügt. Die Berechtigung zur Vornahme von Sicherheitszuschlägen wurde abermals in Abrede gestellt.

In der mündlichen Berufungsverhandlung gab der Beschwerdeführer über Befragen an, eingehende Teilzahlungen auf Schmierzetteln festgehalten und so die vollständige Bezahlung der Rechnungen kontrolliert zu haben. Die Schmierzettel habe er nicht aufbewahrt. Die Tageslosungen würden ebenfalls auf Zetteln festgehalten, und zwar getrennt nach Steuersätzen. Am Ende eines jeden Tages werde verglichen, ob diese Aufzeichnungen mit der "Brieftasche" übereinstimmten. Dabei würden auch Ausgaben berücksichtigt.

Die belangte Behörde gab der Berufung gegen die Bescheide betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 1982 Folge; der Berufung gegen die entsprechenden Bescheide für die Jahre 1983 und 1984 wurde teilweise in Punkten Folge gegeben, die die nicht Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens sind; im übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid ohne Einschränkung; da jedoch seiner Berufung gegen die Abgabenbescheide betreffend das Jahr 1982 in vollem Ausmaß stattgegeben wurde und überdies in der Beschwerde nichts vorgebracht wird, was auf eine behauptete Rechtsverletzung durch die Abgabenbescheide für das Jahr 1982 schließen ließe, geht der Gerichtshof davon aus, daß Gegenstand der Beschwerde nur die Abgabenvorschreibungen für die Jahre 1983 und 1984 sind.

Der Beschwerdeführer rügt zunächst die Kürze der mündlichen Berufungsverhandlung (11.15 bis 11.45 Uhr; laut Niederschrift über den Verlauf der mündlichen Verhandlung allerdings

10.55 bis 11.35 Uhr). Dieser Vorwurf ist schon deswegen nicht wesentlich, weil der Beschwerdeführer nicht darlegt, inwieweit er durch die Kürze der Berufungsverhandlung in seiner Rechtsverfolgung, insbesondere in seinem Recht, Zweckdienliches vorzubringen, beschränkt wurde.

Weiters bestreitet der Beschwerdeführer die Schätzungsberechtigung der belangten Behörde, hat aber im Verwaltungsverfahren selbst vorgebracht, daß sich als "lockere Art der Geschäftsabwicklung" bewährt habe, Geschäfte mit Zahlungsziel nicht zeitfolgemäßig zu verbuchen, sondern erst nach Maßgabe des tatsächlichen Einganges der Geldforderung. Bis dahin seien die Paragons auf einen Nagel aufgespießt in Evidenz gehalten worden (= ursprüngliche Aussage). Diese Aussage wurde in der Folge geändert (Aufbewahrung unverbuchter Paragons bis zu ihrer Bezahlung in einer Lade), nachdem der Betriebsprüfer auf die Unversehrtheit der von ihm vorgefundenen Belege hingewiesen hatte. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch die Aussage des Beschwerdeführers "Teilzahlungen in seiner Trennung der Entgelte eben irgendwie zugeteilt" zu haben. Von einer Ordnungsmäßigkeit der Buchführung kann unter diesen Umständen keine Rede sein, zumal es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, Zielgeschäfte mit Entstehen der Forderung und nicht erst zum Zeitpunkt der tatsächlichen Bezahlung zu verbuchen.

Der Beschwerdeführer gibt selbst an, der Umstand, daß zahlreiche Paragons in den Losungsaufzeichnungen keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hätten, könne bedeuten, daß diese Beträge überhaupt nicht als Umsatz erklärt wurden. Er meint jedoch, gegen diese Möglichkeit spreche, daß die aufgezeichneten Losungen stets höher gewesen seien "als die Paragon". Bedenkt man, daß der Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren (Berufung) behauptet hat, nur ca. ein Drittel seines Gesamtumsatzes sei durch Rechnungen belegt gewesen, so zeigt sich deutlich, daß der Hinweis auf die Möglichkeit, alle vom Betriebsprüfer aufgefundenen, aber nicht verbuchten Paragonbeträge könnten nach Maßgabe ihrer Bezahlung durch täglichen Kassasturz (betreffend das Papiergeld) nachträglich erfaßt worden sein, eben bloß eine Möglichkeit, keineswegs aber eine erwiesene oder zumindest glaubhaft gemachte Tatsache darstellt. Die Behauptung, derartige Beträge "irgendwie" den Entgelten (getrennt nach Steuersätzen) zugeteilt, die diesbezüglichen Aufzeichnungen aber vernichtet zu haben, zeigt ebenfalls gravierende Buchführungsmängel auf, weil die Aufbewahrungspflicht (§ 132 BAO) auch solche Grundaufzeichnungen umfaßt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. September 1986, 84/13/0212, vom 25. November 1986, 84/14/0109, und vom 23. Mai 1990, 89/13/0281).

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, seine Losungen durch Kassasturz ermittelt zu haben, ist zu sagen, daß ein täglicher Kassasturz dann nicht geeignet ist, die Tageslosungen zu ermitteln, wenn - wie im Beschwerdefall unbestritten - Barentnahmen getätigt und nicht belegmäßig festgehalten werden.

Mit Rücksicht auf alle diese Buchführungsmängel war die belangte Behörde gemäß § 184 Abs. 3 BAO berechtigt und verpflichtet, die Abgabenbemessungsgrundlagen im Schätzungsweg zu ermitteln.

Zur Höhe der Schätzung (Sicherheitszuschläge) bringt die Beschwerde nichts Substantielles vor. Es wird lediglich ausgeführt, für die durch Verhältnisrechnung (nichtverbuchte Paragons: Summe aller Paragons) ermittelten Sicherheitszuschläge könnten "keine Prämissen gefunden werden, die den formalen Regeln der Logik genügen würden". Weiters unterstelle die belangte Behörde mit dem wesentlich geringeren Sicherheitszuschlag für das Jahr 1984 (7 vH statt 21 vH), daß sich die Steuermoral des Beschwerdeführers verbessert habe. Dies zeige, daß sich die belangte Behörde "bei der Schätzung nichts gedacht" habe.

Mit einem derartigen Vorbringen werden keine sachdienlichen Angaben betreffend allenfalls zu hoch festgesetzte Sicherheitszuschläge gemacht. Von sich aus hat der Gerichtshof mangels anderer Anhaltspunkte keine Bedenken gegen die Annahme der belangten Behörde, daß das Verhältnis der erklärten zu den nicht erklärten Umsätzen bei den durch Paragons belegten Entgelten das Gleiche war wie bei den unbelegten Entgelten. Da somit der angefochtene Bescheid keine Rechtswidrigkeit erkennen läßt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1987130128.X00

Im RIS seit

03.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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