TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/16 91/11/0160

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Veröffentlicht am 16.06.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §52;
KDV 1967 §31;
KFG 1967 §67 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwGG §42 Abs2 Z1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Waldner, Dr. Bernard und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde der K in G, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Oktober 1991, Zl. 11-39 Pa 17-90, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als er die Entziehung der Lenkerberechtigung der Beschwerdeführerin wegen mangelnder körperlicher Eignung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und im übrigen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16. Oktober 1991 wurde gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die der Beschwerdeführerin erteilte Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B auf Grund dessen, daß sie "körperlich und geistig nicht geeignet" sei, entzogen und gleichzeitig gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß der Beschwerdeführerin "bis zur Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung" keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die belangte Behörde vertritt in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Auffassung, daß das von ihr eingeholte amtsärztliche Gutachten vom 14. Februar 1991 schlüssig begründe, "warum trotz Vorliegens eines positiven neurologischen Gutachtens und eines positiven Befundes des Kuratoriums für Verkehrssicherheit" die Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B "nach dem derzeitigen Zustandsbild körperlich und geistig nicht geeignet" sei. Dabei ist - im Sinne der Beschwerde - zunächst zu beanstanden, daß sich aus dem Gutachten vom 14. Februar 1991 kein Anhaltspunkt dafür ergibt, daß der Beschwerdeführerin (neben der geistigen Eignung) auch die körperliche Eignung zum Lenken solcher Kraftfahrzeuge fehle. Dem dagegen vorgebrachten Hinweis der belangten Behörde in der Gegenschrift auf § 73 Abs. 1 KFG 1967, wonach unter anderen Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr geistig oder körperlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit diese ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen ist, ist entgegenzuhalten, daß es sich hiebei nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes um zwei verschiedene Erteilungsvoraussetzungen handelt und dies gerade auch aus der genannten Gesetzesstelle (arg.: geistig ODER körperlich geeignet) abgeleitet werden kann (vgl. beispielsweise das Erkenntnis vom 19. Juni 1985, Zl. 84/11/0269). Es muß daher davon ausgegangen werden, daß bei der Annahme der belangten Behörde, es bestehe bei der Beschwerdeführerin auch der Mangel der körperlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der betreffenden Gruppe, nicht bloß ein (auf einem unschlüssigen Gutachten beruhender) Begründungsmangel vorliegt, sondern ist dieser vielmehr auf eine unrichtige rechtliche Beurteilung der belangten Behörde zurückzuführen.

Das hat zur Folge, daß der angefochtene Bescheid in Ansehung seiner Aussprüche über die Entziehung der Lenkerberechtigung, soweit sie die mangelnde körperliche Eignung der Beschwerdeführerin betreffen, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2. Hinsichtlich der geistigen Eignung der Beschwerdeführerin zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe B konnte aber das amtsärztliche Gutachten vom 14. Februar 1991 jedenfalls - ungeachtet der Frage, ob es insoweit als schlüssig anzusehen und auf Grund dieses Ermittlungsergebnisses die Annahme gerechtfertigt wäre, daß die Beschwerdeführerin an einer psychischen Erkrankung leidet, die gemäß den §§ 30 Abs. 1 Z. 1, 31 KDV 1967 eine Beeinträchtigung ihres Fahrverhaltens erwarten läßt - keine taugliche Entscheidungsgrundlage darstellen. Die belangte Behörde hatte die Bestimmung des § 31 zweiter Satz KDV 1967 in der Fassung der 22. Novelle, BGBl. Nr. 362/1987, zu beachten, wonach dann, wenn sich aus der Vorgeschichte oder bei der Untersuchung der Verdacht eines krankhaften Zustandes ergibt, der die geistige Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen einschränken oder ausschließen würde, eine Untersuchung durch einen entsprechenden Facharzt, die eine Prüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten einzubeziehen hat, anzuordnen ist. In diesem Falle ist erst auf Grund eines solchen fachärztlichen Befundes ein abschließendes ärztliches Gutachten im Sinne des § 67 Abs. 2 KFG 1967 zu erstatten (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1991, Zl. 91/11/0045). Der belangten Behörde lagen zwar ein Befund einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 29. Jänner 1990, auf den im amtsärztlichen Gutachten nicht Bezug genommen wurde, und deren "nervenfachärztlicher Verlaufsbericht" vom 14. September 1990 vor, welcher aber - abgesehen davon, daß auch darin eine Beurteilung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeiten der Beschwerdeführerin unterblieben ist - im Rahmen des zu erstellenden Gutachtens gleichfalls nicht mehr hätte verwertet werden dürfen, wird doch dieser Vorschrift nicht Genüge getan, wenn sich ein Gutachten in entscheidenden Punkten auf Unterlagen stützt, die bereits vor mehr als einem Jahr vor der Erlassung des angefochtenen Bescheides zustandegekommen sind (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0185, mit weiteren Judikaturhinweisen). Darauf hat die belangte Behörde auch insofern nicht Bedacht genommen, als dem Gutachten vom 14. Februar 1991 weiters eine am 6. August 1990 durchgeführte amtsärztliche Untersuchung und ein (von der verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle des Kuratoriums für Verkehrssicherheit stammender) Befund vom 10. August 1990 zugrundelagen, zumal es demnach nicht auf das Datum der (erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgten) Erstattung des Gutachtens ankommt.

Da somit Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid diesbezüglich gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben, ohne daß noch auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil der ergänzende Schriftsatz vom 12. Dezember 1991 (mit den darauf entfallenden Stempelgebühren) nicht erforderlich gewesen wäre, wenn der Beschwerdeführer von vornherein die Bestimmung des § 29 VwGG beachtet hätte, und auch der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung schon in der Beschwerde hätte gestellt werden können.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991110160.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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