TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/17 92/01/0258

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.06.1992
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde der I in L, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Jänner 1992, Zl. 4.298.220/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige ungarischer Nationalität, reiste am 17. Juli 1990 aus Ungarn kommend, auf einem LKW versteckt, illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am Tag danach einen Asylantrag. Bei ihrer niederschriftlichen Befragung am 26. Juli 1990 gab sie im wesentlichen folgendes an:

Als Angehörige der ungarischen Minderheit habe sie am 8. März 1989 mit anderen Ungarinnen den "Frauentag" gefeiert und dabei ungarische Lieder gesungen. Dies habe zum Einschreiten der Polizei geführt, wobei die Beschwerdeführerin und andere Frauen geschlagen worden seien. Sie sei dann zur Miliz vorgeladen worden. Dort habe man versucht, ihr "verschiedene Aktivitäten politischer Natur anzuhängen". Es sei ihr vorgeworfen worden, "eine Anstifterin zu sein". Auch daß ihr Vater bei ihr unangemeldet wohne, habe man ihr vorgehalten. Alle Vorhaltungen seien aber aus der Luft gegriffen. Ein Milizoffizier habe ihr vorgeschlagen, "hin und wieder einige intime Stunden mit ihm zu verbringen", dann werde sie keine Schwierigkeiten mehr haben.

An ihrem Arbeitsplatz (als Schneiderin in einer Konfektionsfabrik) sei sie Mitglied des Ausschusses des "Ungarischen Demokratischen Forums" gewesen und habe deshalb "einige Schwierigkeiten" gehabt.

Als zweiten Fluchtgrund machte die Beschwerdeführerin die aufgrund des Umstandes, daß sie einer Minderheit angehörten, bestehenden schlechten Bildungsmöglichkeiten ihrer Kinder geltend. Im vergangenen Schuljahr seien ihre Kinder völlig grundlos im Fach politische Bildung negativ beurteilt worden, sodaß sie die Klasse wiederholen hätten müssen.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich stellte daraufhin mit Bescheid vom 26. November 1990 fest, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

Dagegen berief die Beschwerdeführerin wobei sie ihr Vorbringen dahin ergänzte, auch eine Funktion in der ungarischen Partei "Magyar Demokrata Forum" gehabt zu haben. Sie sei zusammen mit anderen an der Entlassung der kommunistischen Leiter der Fabrik beteiligt gewesen. Nach dem "Pogrom" an den Ungarn in Marosvasarhely (Tirgu Mures) sei sie verfolgt worden. Sie sei zur Securitate und in das Gemeindehaus vorgeladen worden. Man habe ihr gesagt, man werde ihre Töchter zugrunde richten. In der Fabrik seien viele Kommunisten verblieben; nach der Wahl seien die Entlassenen zurückgekommen. Nachts sei sie oft angerufen und mit Entlassung bedroht worden. Ihre Tochter Emese sei im Gegenstand "Rumänische Sprache" durchgefallen und vom Klassenvorstand schikaniert worden. Die Beschwerdeführerin habe deshalb "beinahe einen Nervenzusammenbruch erlitten" und sei dadurch gezwungen worden, am 12. Juni 1990 ihren Arbeitsplatz zu verlassen. Sie sei mit ihren Töchtern für eine Woche in ihren Geburtsort gefahren; danach in einen anderen Ort. Im Juli sei sie mit ihren Töchtern zu einer Freundin nach Temesvar gefahren. Diese Freundin habe ihr geholfen, ohne Paß auf einem LKW, unter den Waren versteckt, nach Österreich zu flüchten.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und sprach ebenfalls aus, daß die Beschwerdeführerin nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei.

In der Begründung ihres Bescheides vertrat die belangte Behörde nach Wiedergabe der wesentlichen Passagen des Vorbringens der Beschwerdeführerin (sowohl aus der niederschriftlichen Vernehmung vom 26. Juli 1990 als auch aus der Berufung) und nach Darstellung der Rechtslage die Auffassung, die Beschwerdeführerin habe keine Umstände glaubhaft gemacht, die objektiv die Annahme rechtfertigen könnten, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb ihres Heimatlandes befinde und deshalb nicht gewillt sei, sich wieder unter dessen Schutz zu stellen. Die Nachteile, die die Beschwerdeführerin und ihre Kinder wegen ihrer Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit zu tragen hätten, stellten keinen derart gravierenden Eingriff in ihre Grundrechte dar, um dem in der Flüchtlingskonvention angesprochenen Sachverhalt zugrunde gelegt zu werden. Auch die Schwierigkeiten, die die Beschwerdeführerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit als Gewerkschaftsfunktionärin an ihrem Arbeitsplatz gehabt hätte, könnten nicht als Indiz für eine im Sinne der Flüchtlingskonvention relevante Verfolgung durch die staatlichen Behörden des Heimatlandes der Beschwerdeführerin gewertet werden. Der Hochkommissar der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge sei gemäß § 9 Abs. 3 AsylG gehört worden und habe der in Aussicht genommenen Abweisung des Antrages der Beschwerdeführerin zugestimmt.

In ihrer gegen diesen Bescheid gerichteten Verwaltungsgerichtshofbeschwerde macht die Beschwerdeführerin Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Sie erachtet sich in ihrem Recht auf Feststellung der Flüchtlingseigenschaft verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Insoweit die Beschwerdeführerin zunächst behauptet, der angefochtene Bescheid enthalte "keinerlei Sachverhaltsfeststellungen", ist ihr zu entgegnen, daß aus der Begründung des Bescheides durchaus erkennbar ist, daß die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin (und zwar auch das in der Berufung) ihrer Entscheidung zugrunde gelegt und damit deutlich gemacht hat, von welchem Sachverhalt sie bei ihrer rechtlichen Beurteilung ausgegangen ist. Die Verfahrensrüge der Beschwerde geht daher ins Leere. Was die geltend gemachte inhaltliche Rechtswidrigkeit anlangt, so kann im Ergebnis der Argumentation der belangten Behörde, es lägen keine Gründe für die Annahme wohlbegründeter Furcht der Beschwerdeführerin vor Verfolgung aus Gründen der Genfer Konvention vor, ebenfalls nicht entgegengetreten werden.

Zwar könnten die Vorfälle, die die Beschwerdeführerin bei ihrer Erstvernehmung im Zusammenhang mit der Feier des "Frauentages" und ihrer Zugehörigkeit zum "Ungarischen demokratischen Forum" schildert, allenfalls unter den Tatbestand einer Furcht vor Verfolgung aus Gründen der Nationalität bzw. der politischen Gesinnung (gemäß Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) subsumiert werden, jedoch zeigt das eigene Vorbringen der Beschwerdeführerin (vor allem in ihrer Berufung), daß gerade die Ereignisse vom März 1989 die Beschwerdeführerin noch keineswegs zur Ausreise aus Rumänien veranlaßten. Insbesondere aus dem Berufungsvorbringen der Beschwerdeführerin wird deutlich, daß erst die dort geschilderten schulischen Schwierigkeiten ihrer Tochter E letzten Endes die Beschwerdeführerin zum Verlassen ihres Heimatlandes bewogen. Mögen diese Schwierigkeiten auch durch die Zugehörigkeit der Tochter der Beschwerdeführerin zur ungarischen Minderheit in Rumänien bedingt gewesen sein, so können sie doch noch nicht eine Situation darstellen, die aus objektiver Sicht betrachtet einen weiteren Verbleib der Beschwerdeführerin und ihrer Töchter in ihrer Heimat als unerträglich erscheinen ließe (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 20. Mai 1992, Zl. 92/01/0259 und die dort zitierte hg. Vorjudikatur).

Es kann daher zusammenfassend nicht gesagt werden, daß sich aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin Anhaltspunkte für eine begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der oben erwähnten Konventionsgründe ergeben.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010258.X00

Im RIS seit

17.06.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten