TE Vwgh Erkenntnis 1992/6/23 87/14/0172

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Veröffentlicht am 23.06.1992
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §215 Abs4;
BAO §216;
BAO §239 Abs1;
BAO §239 Abs2;
BAO §311;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):88/14/0041

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Hnatek, Dr. Baumann, Mag. Heinzl und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Kirchmayr, über die Beschwerden des Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen die Bescheide (Berufungsentscheidungen) der FLD für Slbg vom 15.09.1987, Zl. 386/1-GA6-DA/1987 (erstangefochtener Bescheid), und vom 26. November 1987, Zl. 466/3-GA6-DA/87 (zweitangefochtener Bescheid), betreffend Anträge auf Überrechnung bzw. Rückzahlung von Guthaben, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 6.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Das Finanzamt verbuchte auf dem Konto der E AG (in der Folge AG) auf Grund der stattgebenden Berufungsvorentscheidung vom 8. Jänner 1987 eine Gutschrift, die zum Teil mit dem auf dem Steuerkonto befindlichen Abgabenrückstand ausgeglichen wurde. Das verbleibende Guthaben wurde am 20. Jänner 1987 auf die Steuerkonten 022/7523 und 022/2607 umgebucht.

Mit Schreiben vom 21. Jänner 1987 beantragte die AG, vertreten durch die SO AG (in der Folge SO), die Rückzahlung des Gutschriftbetrages auf ihr Bankkonto. Mit Schreiben vom 22. Jänner 1987 beantragte die AG, vertreten durch den Beschwerdeführer, unter Bezugnahme auf die o.a. Eingabe vom 21. Jänner 1987 einen Teilbetrag von S 400.000,-- auf das Bankkonto des Beschwerdeführers und den Rest auf das Bankkonto der AG, jedenfalls aber das auf dem Kontoauszug des Finanzamtes vom 8. Jänner 1987 ersichtliche Guthaben von S 365.282,46 auf das Bankkonto des Beschwerdeführers zu überweisen.

Das Finanzamt hat diese Anträge mit einem der SO zugestellten Bescheid im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, daß ein rückzahlbares Guthaben nicht vorhanden sei. Der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung hat das Finanzamt mit rechtskräftig gewordener Berufungsvorentscheidung in der Weise Folge gegeben, daß der auf das Steuerkonto 022/2607 umgebuchte Teilbetrag für den auf dem Steuerkonto 022/7523 befindlichen Rückstand verwendet wurde. Ein rückzahlbares Guthaben ergab sich dadurch nicht.

Mit Schreiben vom 10. April 1987 beantragte der Beschwerdeführer im eigenen Namen in Abänderung seiner Eingabe vom 22. Jänner 1987, von dem Steuerguthaben der AG den ihm von der AG mit Zustimmung des Ausgleichsverwalters abgetretenen Betrag von S 400.000,-- auf sein Bankkonto zu überweisen.

Diesen Antrag hat das Finanzamt mit der Begründung abgewiesen, daß auf dem Steuerkonto der AG kein Guthaben zur Verfügung stehe.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wurde zunächst mit Berufungsvorentscheidung und nach Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz mit dem nunmehr erstangefochtenen Bescheid abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde Zl. 87/14/0172, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Rückzahlung eines ihm abgetretenen und damit ihm zustehenden Steuerguthabens und in seinem Recht auf Teilnahme an einem ihn betreffenden Steuerverfahren durch Unterlassung von Zustellungen verletzt.

Mit Buchung vom 4. August 1987 entstand auf dem Steuerkonto der AG ein Guthaben in der Höhe von S 1.106.458,--. Am 25. August 1987 machte der Beschwerdeführer mit einem Überrechnungsantrag geltend, die AG habe ihm mit "Abtretung vom 29. Jänner 1987" Forderungen auf Rückzahlung von Steuerguthaben abgetreten. Mit Schreiben vom 1. September 1987 stellte der Beschwerdeführer unter Vorlage einer Überweisungsanordnung der Kontoinhaber der Steuernummern 020/7491, 022/7523 und 022/2607 den Antrag auf Überweisung von S 220.000,-- auf sein Bankkonto.

Den abweisenden Bescheid bezüglich beider Anträge begründete das Finanzamt einerseits damit, daß sich die Abtretungserklärung auf eine auf Grund der stattgebenden Berufungsvorentscheidung vom 8. Jänner 1987 erteilte Gutschrift beziehe und darüber bereits eine Entscheidung der Berufungsbehörde ergangen sei, und andererseits damit, daß auf dem Steuerkonto der AG kein Guthaben bestehe.

In der gegen diesen Bescheid eingebrachten Berufung brachten die AG und der Beschwerdeführer (beide als Berufungswerber) vor, daß sich auf dem Konto der AG am 27. August 1987 ein Guthaben von S 592.733,46 befunden habe. Der Überrechnungsantrag sei am 1. September 1987 gestellt worden. Erst am "11. September 1987" sei der AG eine Gegenbuchung als Vorgriff auf noch nicht ergangene Bescheide aus einer Betriebsprüfung zugestellt worden.

Mit dem nunmehr zweitangefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung der AG mangels Aktivlegitimation zurück und die Berufung des Beschwerdeführers ab, wobei sie den erstinstanzlichen Bescheid bezüglich des Antrages vom 25. August 1987 wegen entschiedener Sache in eine Zurückweisung abänderte.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde Zl. 88/14/0041, mit der ebenfalls Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer behauptet insbesondere, in seinem Recht auf Rückzahlung bzw. Überrechnung eines ihm abgetretenen und damit ihm zustehenden Steuerguthabens, in seinem Recht auf Unterlassung ungerechtfertigter Einbehalte und Aufrechnungen von Steuerguthaben und in seinem Recht auf Teilnahme an einem ihn betreffenden Steuerverfahren durch Unterlassung von Zustellungen, verletzt zu sein.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Verbindung beider Rechtssachen wegen ihres engen persönlichen, sachlichen sowie rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und danach erwogen:

Zunächst ist zu der erstgenannten Beschwerde festzuhalten, daß der Beschwerdeführer den Bescheid der belangten Behörde angefochten hat, mit dem sie über den Antrag des Beschwerdeführers vom 10. April 1987 abgesprochen hat. Die vom Beschwerdeführer behaupteten Zustellmängel betreffen ein anderes, rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren, über welches der Gerichtshof nicht zu entscheiden hat. Die Zustellung betreffend sei jedoch auf § 9 Abs. 2 letzter Satz Zustellgesetz hingewiesen. Hat nämlich eine Person mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so ist die Zustellung bewirkt, wenn sie auch nur an einen von ihnen vorgenommen worden ist.

Der Beschwerdeführer kann mit seinen vorgebrachten Beschwerdegründen in keiner Weise die Feststellungen der Abgabenbehörde entkräften, wonach auf dem Konto der AG nach gestelltem Überrechnungsantrag kein an den Beschwerdeführer auszuzahlendes Guthaben bestanden habe. Ohne ein solches Guthaben kann jedoch einem Überrechnungsantrag gemäß § 239 Abs. 1 BAO kein Erfolg beschieden sein. Wie der Gerichtshof mit Erkenntnissen vom 26. September 1985, 85/14/0123,

AW 85/14/0013, und 19. Dezember 1986, 86/15/0058, entschieden hat, entsteht ein Guthaben des Abgabepflichtigen erst dann, wenn auf seinem Steuerkonto die Summe aller Gutschriften die Summe aller Lastschriften übersteigt. Dabei kommt es nicht auf die Gutschriften an, welche die Abgabenbehörden nach Auffassung des Abgabepflichtigen hätten durchführen müssen, sondern auf die von der Abgabenbehörde tatsächlich durchgeführten Gutschriften. Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Gutschriften die Abgabenbehörde durchführen hätte müssen, können allenfalls Gegenstand eines Abrechnungsbescheides (§ 216 BAO) sein.

Dieser Beschwerde kommt demnach keine Berechtigung zu.

Beschwerdeführer ist im zweitangeführten Beschwerdeverfahren Dr. H. und nicht die AG, so daß sich weitere Ausführungen bezüglich der vorgebrachten Beschwerdegründe hinsichtlich des die AG betreffenden Spruches des zweitangefochtenen Bescheides sowie hinsichtlich der Vertretungsberechtigungen des Beschwerdeführers gegenüber der AG erübrigen.

Wenn der Beschwerdeführer rügt, daß hinsichtlich seines Antrages vom 25. August 1987 keine entschiedene Sache vorgelegen habe, übersieht er, daß die dort erwähnte Abtretungserklärung vom 29. Jänner 1987 sich ausdrücklich nur auf die Überrechnung eines Guthabens auf Grund der Entscheidung des Finanzamtes vom 8. Jänner 1987 bezogen hat und nicht auf Guthaben der AG überhaupt. Wie bereits oben dargestellt, hatte die Abgabenbehörde über den am 10. April 1987 gestellten Antrag auf Überrechnung dieses Guthabens bereits entschieden.

Der Beschwerdeführer behauptet weiters, daß im Fall der Stellung eines Überrechnungsantrages nur bescheidmäßig schon festgesetzte, längstens innerhalb der nächsten drei Monate zu entrichtende Abgabenschuldigkeiten dem Rückzahlungsbegehren entgegenstehen könnten, da § 239 Abs. 2 BAO nicht lediglich die "Verbuchung", sondern vielmehr "festgesetzte Abgabenschuldigkeiten" verlange. Überdies sei keine fällige Nachbelastung innerhalb der drei Monatefrist gegeben gewesen.

Gemäß § 239 Abs. 2 BAO kann die Abgabenbehörde den Rückzahlungsbetrag auf jenen Teil des Guthabens beschränken, der die der Höhe nach festgesetzten Abgabenschuldigkeiten übersteigt, die der Abgabepflichtige nicht später als drei Monate nach der Stellung des Rückzahlungsantrages zu entrichten haben wird.

Das Recht auf Rückbehalt betrifft nur solche künftigen Abgabenbeträge, die bei derselben Behörde bereits festgesetzt sind. Die vorgesehene Frist, innerhalb der vorgreifend Guthaben mit bereits festgesetzten, jedoch erst fällig werdenden Abgaben verrechnet werden dürfen, berechnet sich vom Zeitpunkt der Einbringung des Rückzahlungsantrages (siehe Stoll, Bundesabgabenordnung, Seite 596).

Dem Vorwurf, daß keine fällige Nachbelastung innerhalb von drei Monaten nach Antrag auf Überrechnung gegeben gewesen wäre, ist schon auf Grund der im September verbuchten und im Oktober 1987 fällig gewordenen, das Guthaben übersteigenden Abgabenschuldigkeiten die Berechtigung entzogen. Ob nun die Abgabenschuldigkeiten vor oder nach Antragstellung auf Überrechnung festgesetzt worden sind, kann im Hinblick auf die Regelung des § 239 Abs. 2 BAO dahingestellt bleiben, weil diese Bestimmung zwar der Höhe nach festgesetzte Abgabenschuldigkeiten verlangt, nicht jedoch darauf abstellt, daß diese Abgabenschuldigkeiten bereits vor der Antragstellung tatsächlich festgesetzt sind. Es muß nur im Hinblick auf die genannte Dreimonatsfrist - auch - die Abgabenfestsetzung spätestens innerhalb von drei Monaten nach Antragstellung erfolgen. Der Verwaltungsgerichtshof hat daher auch schon bisher die Tatsache einer Abgabenfestsetzung nach dem Zeitpunkt des Überrechnungs(-Rückzahlungs)antrages nicht zum Anlaß genommen, die Verweigerung der Rückzahlung (Umbuchung) als rechtswidrig zu beurteilen (vgl. hg. Erkenntnisse vom 8. April 1987, 85/13/0207-0209, ÖStZ 1987, 147, und 11. November 1987, 87/13/0055).

Der Wortlaut des Gesetzes läßt dieses Verständnis zu. Der Sinn des Gesetzes - die Vereinfachung der Abgabenverrechnung - spricht entgegen Reeger-Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung, § 239, Fußnoten 7 und 8, für diese Auslegung: Andernfalls müßten nämlich Guthaben nach Maßgabe der drei Monate-Frist sogar zurückgezahlt werden, obwohl aus einer wenn auch nach Antragstellung erfolgten Abgabenfestsetzung bereits ein FÄLLIGER Abgabenanspruch gegen den Abgabepflichtigen besteht. Eine solche Auslegung läßt sich mit der von der gegenständlichen Rechtsvorschrift angestrebten Vereinfachung der Abgabenverrechnung nicht vereinbaren. Die Abgabenfestsetzung wirkt im Zusammenhang mit der Erledigung von Anträgen auf Auszahlung (Umbuchung) eines Guthabens und der dabei gemäß § 239 Abs. 2 BAO zu treffenden Entscheidung, ob vom Zurückbehaltungsrecht zugunsten innerhalb von drei Monaten ab dem Antrag fällig werdenden Abgabenschulden Gebrauch gemacht werden soll, dadurch verwaltungsvereinfachend, als die Frage, ob ein zu dieser Abgabenschuld führender Abgabenanspruch besteht, nicht mehr als Vorfrage entschieden werden muß. Zur Erreichung dieses Zieles muß die Abgabenfestsetzung aber nicht bereits im Zeitpunkt der Antragstellung auf Auszahlung (Umbuchung) des Guthabens vorliegen, sondern erst im Zeitpunkt der Entscheidung über diesen Antrag, die allerdings gemäß § 311 BAO ohne unnötigen Aufschub zu erfolgen hat. Eine Mißachtung des § 311 BAO ändert den Beurteilungszeitpunkt jedoch nicht. Hingegen wird es im Regelfall, von dem der Gesetzgeber bei der ihm erlaubten typischen Betrachtungsweise ausgehen durfte, einer Information des Abgabenschuldners im Zeitpunkt der Stellung des Auszahlungs(Umbuchungs)antrages über den Bestand der Abgabenschuld durch einen Abgabenfestsetzungsbescheid nicht bedürfen, weil der Abgabenanspruch durch die Verwirklichung des Abgabentatbestandes entsteht, die dem Abgabenschuldner bereits bekannt sein müßte.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, daß sich die genannten Beschwerden dem gesamten Inhalt nach als unbegründet erweisen und daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1987140172.X00

Im RIS seit

03.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

05.11.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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