TE Vfgh Beschluss 1990/2/26 B499/89

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.02.1990
beobachten
merken

Index

10 Verfassungsrecht
10/07 Verfassungsgerichtshof, Verwaltungsgerichtshof

Norm

VfGG §33 ZPO §146 Abs1

Leitsatz

Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages; Fehlen des Hinweises auf Beschwerdemöglichkeit bei Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof in der Rechtsmittelbelehrung ohne Einfluß auf Fristenlauf

Spruch

1. Der Wiedereinsetzungsantrag wird abgewiesen.

2. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wird abgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. Mit Bescheid vom 21. September 1988 pfändete das Finanzamt die dem Ing. G K gegen die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zustehende Forderung auf in Geld zahlbares Einkommen im Sinne des §53 Abs2 Abgabenexekutionsordnung (AbgEO) wegen aushaftender Abgabeschuldigkeiten, mit dem Hinweis, daß der gemäß §58 Abs2 leg.cit. unpfändbare Grundbetrag im Hinblick auf eine ebenfalls zustehende Unfallrente beim gepfändeten Pensionsbezug nicht zu berücksichtigen sei.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. Jänner 1989, ZGA 7 - 2029/8/88, insoweit stattgegeben, als der unpfändbare Grundbetrag zu berücksichtigen sei; im übrigen wurde die Berufung abgewiesen.

2.1. Gegen diesen Bescheid erhob Ing. G K am 25. April 1989 Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Der Beschwerdeführer bringt vor, daß der angefochtene Bescheid ihm am 27. Feber 1989 zugekommen sei. Da der Bescheid jedoch keine Angabe darüber enthalten habe, daß er den Verfassungsgerichtshof anrufen könne, lege er ihn "erst heute wegen der Mangelhaftigkeit des Bescheides vor".

In Ausführung der Beschwerde wurde geltend gemacht, der angefochtene Bescheid verletze den Beschwerdeführer in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, und begehrt, den angefochtenen Bescheid aufzuheben, hilfsweise die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten. Mit der Beschwerde war ein Antrag auf Wiedereinsetzung verbunden, der - bezugnehmend auf das Fehlen einer Rechtsbelehrung, daß gegen den angefochtenen Bescheid eine Verfassungs- bzw. Verwaltungsgerichtshofbeschwerde innerhalb von sechs Wochen erhoben werden könne - im wesentlichen wie folgt ausgeführt wurde:

"Durch die unvollständige Rechtsbelehrung wurde mir die Möglichkeit genommen innerhalb offener Frist Vorkehrungen zu treffen, eine derartige Beschwerde zu veranlassen.

Da infolge meiner aktenkundigen Gebrechen neuerlich Komplikationen aufgetreten sind, die mit starken Schmerzen und auch Depressionen durch meinen schlechten Zustand verbunden waren, war ich nach Erhalt des Bescheides nicht in der Lage, mich mit dieser Angelegenheit ernsthaft auseinanderzusetzen.

Wenn ich durch eine vollständige Rechtsbelehrung über die 6-wöchige Frist informiert worden wäre, hätte ich mich jedoch gezwungen mich früher mit der Verfassung eines derartigen Rechtsbehelfes auseinanderzusetzen. Ohne diese Belehrung aber ging ich davon aus, daß eine Befristung nicht vorgesehen ist und habe diese Sache auf sich beruhen lassen bis mein Zustand eine Vorsprache beim Verfassungsgericht erlaubt.

...

... Im Zusammenhang mit meinem durch die unvollständige Rechtsbelehrung verursachten Irrtum und meinem umfallbedingten schlechten gesundheitlichen Zustand liegt (für) mich sohin ein unvorhergesehenes unvermeidbares Ereignis vor, das mich an der Einhaltung der gesetzlichen Frist hinderte."

2.2. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Zurückweisung (allenfalls Abweisung) der Beschwerde und die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages begehrt.

3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung war abzuweisen.

Das VerfGG regelt die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst; demnach sind nach §35 leg.cit. die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO idF der Zivilverfahrens-Novelle 1983, BGBl. 135/1983, sinngemäß anzuwenden. Danach ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil eines Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumnis zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt. Das ist dann der Fall, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/1983, 10473/1985).

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers, der angefochtene Bescheid habe nur eine "unvollständige" Rechtsbelehrung enthalten, ist zunächst zu bemerken, daß der angefochtene Bescheid eine Rechtsbelehrung überhaupt nicht enthält. Allerdings war die belangte Behörde nach den anzuwendenden Verfahrensvorschriften, nämlich nach den Bestimmungen der Abgabenexekutionsordnung und zufolge deren §1 auch nach den Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, nicht verpflichtet, auf die Möglichkeit einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts hinzuweisen. Es mag zwar zutreffen, daß es nach der Praxis der Verwaltungsbehörden üblich ist, in Berufungsentscheidungen auf die Möglichkeit der Einbringung einer Beschwerde an den Verwaltungs- oder Verfassungsgerichtshof hinzuweisen (so Stoll, Bundesabgabenordnung (Handbuch), S. 690, und Reeger/Stoll, Kommentar zur Bundesabgabenordnung (1966), S. 900); das Unterlassen eines entsprechenden Hinweises hat aber auf den Beginn des Laufens der Frist, wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 6. Dezember 1965, Z1315/64, aussprach, keinen Einfluß.

Da die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht von der Erteilung einer Rechtsbelehrung über Rechtsmittel abhängt, sondern sich allein nach den hiefür geltenden Vorschriften richtet, kann in der Unterlassung eines Hinweises auf die Möglichkeit der Beschwerdeführung an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts nicht ein Umstand erblickt werden, aus dem ein Grund für die Bewilligung eines Wiedereinsetzungsantrages abgeleitet werden könnte (vgl. VfSlg. 10813/1986, VwSlg. 11444/1984).

Soweit das Begehren auf Wiedereinsetzung auf den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers Bezug nimmt, ist es ebensowenig geeignet, den Antrag zu begründen. Der Antragsteller macht lediglich geltend, daß er infolge seines schlechten gesundheitlichen Zustandes nicht in der Lage gewesen sei, sich mit der "Angelegenheit ernsthaft auseinanderzusetzen". Aus seinen weiteren Ausführungen, nämlich

"Wenn ich durch eine vollständige Rechtsbelehrung über die 6-wöchige Frist informiert worden wäre, hätte ich mich jedoch gezwungen mich früher mit der Verfassung eines derartigen Rechtsbehelfes auseinanderzusetzen",

geht jedoch deutlich hervor, daß seine gesundheitliche Beeinträchtigung weder als unvorhergesehenes noch als unabwendbares Ereignis gewertet werden kann, das ihn an der rechtzeitigen Einbringung der Beschwerde gehindert hätte.

Die Voraussetzungen für die Bewilligung der begehrten Wiedereinsetzung liegen somit nicht vor, sodaß der darauf abzielende Antrag abzuweisen war.

Dies war gemäß §33 VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung zu beschließen.

4. Da die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht bewilligt wurde, ist die am 25. April 1989 eingebrachte Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid, der dem Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben am 27. Feber 1989 zugestellt wurde, offensichtlich verspätet. Daran ändert auch nichts, daß der Beschwerdeführer bereits am 21. April 1989 einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe beim Verfassungsgerichtshof gestellt hat, da auch dies erst nach Ablauf der sechswöchigen Beschwerdefrist geschehen ist und somit keine Unterbrechung der Frist bewirkte. Die Beschwerde war daher als unzulässig zurückzuweisen.

Dies konnte gemäß §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren und ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

5. Der Antrag auf Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof war abzuweisen, da eine solche nur im Falle der Abweisung oder Ablehnung einer Beschwerde zulässig ist.

Schlagworte

VfGH / Wiedereinsetzung, Bescheid, Rechtsmittelbelehrung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B499.1989

Dokumentnummer

JFT_10099774_89B00499_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten