TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/16 92/01/0522

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.09.1992
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §7 Abs2 idF 1974/796;
AsylG 1968 §7 Abs2;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. Jänner 1992, Zl. 4.296.439/5-III/13/91, betreffend Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Sri Lankas, reiste am 29. Mai 1990 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 30. Mai 1990 einen Asylantrag. Bei seiner niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark am 26. Juni 1990 schilderte er seinen Fluchtweg wie folgt: Er sei am 21. Mai 1990 mit einem Linienflug der Aeroflot von Colombo nach Zagreb/Jugoslawien gefolgen. Er habe vorerst in Jugoslawien um Asyl ansuchen wollen. Da dort aber schon sehr viele seiner Landsleute gewesen seien und er vor diesen seine Ruhe haben wollte, habe er sich entschlossen, nach Österreich zu gehen.

Bei einer weiteren niederschriftlichen Befragung durch die Bezirkshauptmannschaft Liezen am 30. Mai 1990 gab der Beschwerdeführer an, von Zagreb zunächst mit dem Zug nach Belgrad und dann wieder zurück nach Zagreb gefahren zu sein.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 23. April 1991 wurde zwar die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festgestellt, ihm jedoch die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 2 AsylG nicht erteilt, weil er aus einem Mitgliedsstaat der Genfer Flüchtlingskonvention, wo er Anerkennung und Schutz vor Verfolgung hätte finden können, nach Österreich gereist sei.

Dagegen berief der Beschwerdeführer unter anderem mit dem Argument, die Kürze seines Aufenthaltes in Jugoslawien führe noch nicht zu dem zwingenden Schluß, daß in Jugoslawien seine Flucht beendet gewesen sei. Österreich sei das Erstasylland. Der Beschwerdeführer sei, wie zahlreiche Nachrichten des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge bestätigten, in Jugoslawien vor einer Abschiebung nicht sicher gewesen. Der Beschwerdeführer zitierte dazu ausdrücklich die Judikatur des bayrischen Verwaltungsgerichtes Anzbach.

Die belangte Behörde wies die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab und hielt seinen Argumenten entgegen, er habe selbst angegeben, nach Jugoslawien geflogen zu sein, um dort um Asyl anzusuchen. Es habe ihn nur der Umstand gestört, daß schon sehr viele seiner Landsleute in Jugoslawien gewesen seien. Er habe in keiner Weise erwähnt, Angst vor einer Abschiebung in sein Heimatland gehabt zu haben. Ausdrücklich wies die belangte Behörde darauf hin, daß der vom Beschwerdeführer vorgelegte Reisepaß auf Seite 11 mit dem Datum 23. Mai 1990 einen jugoslawischen Einreisestempel enthalte. Daraus leitete die belangte Behörde zwingend ab, daß der Beschwerdeführer legal nach Jugoslawien eingereist sei. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht zu entnehmen, daß Jugoslawien seinen Aufenthalt als nicht legal und somit nicht geduldet angesehen habe bzw. Maßnahmen zu seiner Außerlandesschaffung unternommen habe. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal versucht, in Jugoslawien einen Asylantrag zu stellen und auch keinerlei Gründe für eine eventuelle Abschiebung namhaft gemacht. Jugoslawien sei Mitunterzeichner der Flüchtlingskonvention; es müsse daher angenommen werden, daß der Beschwerdeführer bereits durch seine legale Einreise und seinen Aufenthalt mit Wissen des jugoslawischen Staates anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden habe. Es komme ihm daher die Aufenthaltsberechtigung gemäß § 7 Abs. 1 AsylG nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Aufenthalt verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 2 AsylG kommt einem Flüchtling die Aufenthaltsberechtigung nach Abs. 1 unter anderem dann nicht zu, wenn er anderweitig Schutz vor Verfolgung gefunden hat. Nach ständiger hg. Judikatur (vgl. z.B. die hg. Erkenntnisse vom 16. März 1988, 86/01/0249; vom 7. Mai 1986, Zl. 84/01/0094, Slg. N.F. 12.131/A und vom 22. Mai 1985, Zl. 84/01/0255, Slg. N.F. 11.773/A) setzt der Begriff des "Findens anderweitigen Schutzes" zumindest voraus, daß der Aufenthalt des Asylwerbers den Behörden des betreffenden Staates bekannt war und von diesen geduldet wurde. Nach den EB zum AsylG (vgl. 544 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XI. GP § 7), auf die sich das hg. Erkenntis Slg. N.F. 11.773/A ausdrücklich stützt, hat ein Asylwerber dann in einem anderen Staat Schutz vor Verfolgung gefunden, wenn er bei seiner Rückkehr in diesen Staat nicht Gefahr läuft, in seinen Heimatstaat abgeschoben zu werden (vgl. in diesem Sinn auch die Materialien zum AsylG 1991, 220 der Beilagen zu den sten. Prot. des NR XVIII. GP 13).

Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang den Umstand, daß der Beschwerdeführer in seiner Berufung ausdrücklich behauptet hat, in Jugoslawien vor einer Abschiebung in seinen Heimatstaat nicht sicher gewesen zu sein und sich in diesem Zusammenhang auch auf Nachrichten des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge berief, so erweist sich die vom Beschwerdeführer erhobene Verfahrensrüge als berechtigt, weil die belangte Behörde auf Grund der gerade erwähnten Behauptung gehalten gewesen wäre, dieser Frage die entsprechende Beachtung zu schenken. Da es für die Frage des Findens anderweitigen Schutzes nicht darauf ankommen kann, aus welchen Motiven ein Flüchtling das betreffende Drittland wieder verlassen hat und welche Angaben er in diesem Zusammenhang bei seiner Ersteinvernahme durch die österreichischen Behörden machte, wäre eine nähere Befassung der belangten Behörde mit der Frage der Situation von Asylwerbern aus Sri Lanka in Jugoslawien unerläßlich gewesen. Allein der Umstand, daß sich auf Seite 11 des Reisedokumentes des Beschwerdeführers ein (im übrigen kaum lesbarer) Einreisestempel (offenbar einer Grenzkontrollstelle in Zagreb) befindet, besagt - wie die Beschwerde zu Recht betont - nur, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers den jugoslawischen Behörden bekannt wurde, sagt aber noch nichts über die im vorliegenden Fall relevante Frage der Duldung des Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Jugoslawien durch die dortigen Behörden bzw. über die dem Beschwerdeführer in Jugoslawien (bei seiner Rückkehr dorthin) allenfalls drohende Gefahr einer Abschiebung in sein Heimatland.

Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die belangte Behörde dann, wenn sie sich mit der Frage des Schutzes des Beschwerdeführers in Jugoslawien gegen eine Abschiebung in seine Heimat entsprechend auseinandergesetzt hätte, zu einem anderen Bescheid gekommen wäre.

Die belangte Behörde hat daher den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Umfang des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Materielle Wahrheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010522.X00

Im RIS seit

16.09.1992

Zuletzt aktualisiert am

25.11.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten