TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/17 91/16/0108

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Veröffentlicht am 17.09.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

ABGB §1;
GGG 1984 §1 Abs1;
GGG 1984 §18 Abs2 Z3;
GGG 1984 TP1 Anm1;
GGG 1984 TP1 Anm7;
GGG 1984;
GJGebG 1962;
MRK Art6 Abs1;
VwRallg;
ZPO §63;
ZPO §65 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):91/16/0126

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Iro und die Hofräte Dr. Närr, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Dr. Ladislav, über die Beschwerden der I-AG in W, vertreten durch 1. Dr. A, Rechtsanwalt in W, und

2. Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien 1. vom 22.8.1991, Zl. Jv 4919-33a/91 (hg. Zl. 91/16/0108), und 2. vom 25.10.1991, Zl. Jv 4923-33a/91 (hg. Zl. 91/16/0126), je betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 6.070,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus den vorgelegten Gerichts- und Verwaltungsakten ergibt sich im wesentlichen folgendes:

Zu 1.:

Das Landesgericht für ZRS Wien (in der Folge: LG) hatte mit Beschluß vom 20. Juni 1989, GZ 52a Cg 1060/89-4, in der (mit am 14. Juni 1989 beim LG eingelangtem Schriftsatz eingeleiteten) Rechtssache der durch ihr einziges Vorstandsmitglied vertretenen Beschwerdeführerin (einer Aktiengesellschaft) als klagende Partei gegen die Republik Österreich als beklagte Partei wegen Wiederaufnahme des dg. Verfahrens

AZ 40d Cg 503/82, Streitwert: S 88,650.651,26 s.A., den Antrag der Beschwerdeführerin auf Gewährung der Verfahrenshilfe abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Wien (in der Folge: OLG) hatte mit Beschluß vom 6. Oktober 1989, AZ 14 R 192/89, dem Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den angeführten erstinstanzlichen Beschluß nicht Folge gegeben.

Mit Beschluß vom 10. Jänner 1990, GZ 52a Cg 1060/89-10, hatte das LG die Wiederaufnahmsklage vom 14. Juni 1989, GZ 52a Cg 1060/89-1, zurückgewiesen. Dieser Beschluß blieb unbekämpft. Auf der Urschrift dieses - dem Beschwerdeführer am 5. März 1990 zugestellten - Beschlusses findet sich der undatierte Amtsvermerk: rechtskräftig und vollstreckbar.

Zu 2.:

Das LG hatte mit Beschluß vom 22. September 1989, GZ 52b Cg 1086/89-2, in der Rechtssache der durch ihr einziges Vorstandsmitglied vertretenen Beschwerdeführerin als klagende Partei gegen eine Richterin als beklagte Partei wegen S 2.389,831.570,34, den Antrag der Beschwerdeführerin auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen.

Das OLG hatte mit Beschluß vom 17. November 1989, AZ 14 R 245/89, dem Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den zuletzt angeführten erstinstanzlichen Beschluß nicht Folge gegeben.

Mit Beschluß vom 2. Februar 1990, GZ 52b Cg 1086/89-9, hatte das LG 1.) die von der Beschwerdeführerin mit Wiedervorlage ihrer zur Verbesserung zurückgestellten Klage vorgenommene Parteiänderung (statt der erwähnten Richterin Republik Österreich) zurückgewiesen, 2.) den Verfahrenshilfeantrag der Beschwerdeführerin vom 1. Februar 1990 abgewiesen und 3.) die Klage zurückgewiesen.

Das OLG hatte mit Beschluß vom 17. Mai 1990, AZ 14 R 91/90, dem Rekurs der Beschwerdeführerin gegen den zuletzt zitierten erstinstanzlichen Beschluß nicht Folge gegeben und ausgesprochen, hinsichtlich der Bestätigung der Klagszurückweisung sei der ordentliche Revisionsrekurs unzulässig; im übrigen sei der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig.

Zu 1. und 2.:

In den nunmehr vorliegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren, die der Verwaltungsgerichtshof wegen ihres engen persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden hat, ist - abgesehen von den noch anzuführenden verfassungsrechtlichen Fragen - die Beantwortung der Frage streitentscheidend, ob die Beschwerdeführerin (im Sinne der im Spruch dieses Erkenntnisses näher bezeichneten angefochtenen Bescheide des Präsidenten des LG) für die mittels dieser (vor Zustellung an die beklagte Partei zurückgewiesenen) Klagen einzuleitenden gerichtlichen Verfahren auf Grund der Anmerkung 3 zu TP 1 des gemäß § 1 Abs. 1 GGG einen Bestandteil dieses Bundesgesetzes bildenden Tarifes ein Viertel der betreffenden Pauschalgebühren zu entrichten hat oder (wie die Beschwerdeführerin, die die Qualifikation als Klagen ablehnt, vermeint) nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG ist jedes Erkenntnis zu begründen. Soweit die Rechtsfrage durch die bisherige Rechtsprechung klargestellt ist, genügt es, diese anzuführen.

Zunächst ist - für die Parteien der nunmehrigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren lediglich erinnernd - darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gleichzeitig mit den vorliegenden Beschwerden jeweils gegen dieselben Bescheide des Präsidenten des LG an ihn gerichteten Beschwerden abgelehnt und diese Beschwerden in der Folge dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten hat. Zur Vermeidung weiterer Wiederholungen wird auf den (dem einzigen Vorstandsmitglied der Beschwerdeführerin am 17. Juni 1992 zugestellten) Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1992, Zlen 92/16/0081, 0082-3, verwiesen.

Nun hat der Verfassungsgerichtshof in diesen Ablehnungsbeschlüssen je vom 11. März 1992, 1. Zl. B 1166/91-6, und 2. Zl. B 1321/91-4, u.a. folgendes zum Ausdruck gebracht:

"Soweit die Beschwerde eine verfassungsrechtliche Frage berührt, läßt sie im Hinblick auf die Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (s. VfSlg. 11751/1988, wonach innerhalb des Systems der Gerichtsgebühren eine Äquivalenz im Einzelfall nicht erforderlich ist) die behauptete Rechtsverletzung wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm als so wenig wahrscheinlich erkennen, daß die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat."

Der Verwaltungsgerichtshof hegt in gleicher Weise wie der Verfassungsgerichtshof (siehe z.B. auch dessen Erkenntnis Slg. Nr. 11.298/1987) keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit des mit dem GGG geschaffenen Systems der - auch hier in Rede stehenden - Pauschalgebühren.

Die Gerichtsgebühren sind ausschließliche Bundesabgaben (siehe z.B. das von Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Wien 1986, S. 2 E. 4, zitierte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und Abschnitt I Art. II A. § 6 Z. 3 des Finanzausgleichsgesetzes 1989, BGBl. Nr. 687/1988). Ganz abgesehen davon, daß die supranationale Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 1 MRK selbst das Verfahren für eine Steuerrückvergütung als Verfahren, das "zivile Rechte" NICHT betrifft, qualifiziert, hat der Verfassungsgerichtshof die Bedeutung dieses Begriffes mit dem klassischen Zivilrechtsbegriff (Regelung der Rechte und Pflichten der Bürger "unter sich", § 1 ABGB) gleichgesetzt (siehe z.B. Walter-Mayer, Grundriß des österreichischen Bundesverfassungsrechts7, Wien 1992, Rz 1475, S. 523 Abs. 2 und 3).

Der Verwaltungsgerichtshof hat zuletzt mit seinem Erkenntnis vom 14. Mai 1992, Zl. 91/16/0029, jeweils mit weiterem Hinweis auf Erkenntnisse aus seiner ständigen Rechtsprechung, im wesentlichen folgendes dargetan:

Die Gerichtsgebührenpflicht knüpft bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insofern entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme hievon geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden. Es geht auch nicht an, im Wege der Analogie einen vom Gesetzgeber nicht vorgesehenen Ausnahmetatbestand zu begründen.

Sowohl der Kostenbeamte als auch der Präsident des LG sind als JustizVERWALTUNGsorgane bei der Gerichtsgebührenfestsetzung an die Entscheidungen des GERICHTES gebunden. Auch die Entscheidung des GERICHTES über die Verfahrenshilfe ist für das die Gerichtsgebührenfestsetzung betreffende JustizVERWALTUNGsverfahren bindend.

In gleicher Weise bindet aber auch die Entscheidung des Gerichtes, ob es sich um ein "mittels Klage einzuleitendes gerichtliches Verfahren" handelt oder nicht.

Entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung liegt auch keine zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führende Verletzung des Parteiengehörs im VERWALTUNGsverfahren vor, weil der Kostenbeamte und der Präsident des LG als JustizVERWALTUNGsorgane bei den hier in Rede stehenden Gerichtsgebührenfestsetzungen von dem oben dargestellten Inhalt der Gerichtsakten auszugehen hatten und der Beschwerdeführerin eine Antragstellung gemäß § 9 Abs. 2 GEG 1962, hinsichtlich derer keine Anleitungspflicht der Justizverwaltungsorgane besteht, unbenommen war und ist.

Der Vollständigkeit halber wird an dieser Stelle (zu 1.) bemerkt, daß im Sinne des § 18 Abs. 2 Z. 3 erster Satz GGG bei einem Verfahren über eine den ursprünglichen Streitgegenstand betreffende Wiederaufnahmsklage der Wert dieses Streitgegenstandes die Bemessungsgrundlage darstellt. Die hier nicht in Betracht kommende Anmerkung 7 zu der angeführten TP 1 besagt lediglich, daß in einem Verfahren über eine Nichtigkeits- oder Wiederaufnahmsklage die Pauschalgebühr nach TP 1 nur einmal zu entrichten ist; für das infolge der Nichtigerklärung oder der Bewilligung der Wiederaufnahme durchgeführte weitere Verfahren ist keine zusätzliche Gebühr zu entrichten.

Die vorliegenden Beschwerden sind daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Zuerkennung der Aufwandersätze gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991160108.X00

Im RIS seit

24.10.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.12.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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