TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/22 92/06/0122

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Veröffentlicht am 22.09.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
BauO Tir 1989 §25 lita;
BauO Tir 1989 §53 Abs1 lita;
VStG §11;
VStG §12 Abs1;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §3 Abs1;
VStG §3 Abs2;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des L in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 9. April 1992, Zl. 2/17-3/1992, betreffend übertretung der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird insoweit, als der Ausspruch über das Ausmaß der verhängten Strafe bestätigt worden ist und die Kosten des Berufungsverfahrens vorgeschrieben worden sind, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdefüher Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf die hg. Erkenntnisses vom 10. Oktober 1991, Zl. 91/06/0137, vom 23. Jänner 1992, Zl. 91/06/0186 und vom heutigen Tage, Zl. 92/06/0087, verwiesen. Gegenstand dieser Erkenntnisse waren drei Verwaltungsstrafverfahren, in welchen der Beschwerdeführer wegen der Errichtung eines Wohn- und Wirtschaftsgebäudes auf der Grundparzelle Nr. n1, KG S ohne die erforderliche Baubewilligung mit erheblichen Geldstrafen belegt wurde.

Im gegenständlichen Verfahren wurde der Beschwerdeführer mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 14. Jänner 1992 (zugestellt am 16. Jänner 1992) für schuldig erkannt, er habe am 21. November 1991 um 9.30 Uhr auf der GP n1, KG S, Arbeiten zur Errichtung eines Gebäudes durchgeführt, obwohl er wußte, daß für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben keine rechtskräftige Baubewilligung vorliege. Wegen dieser Verwaltungsübertretung nach § 25 lit. a i.V.m. § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TBO wurde gemäß § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 TBO eine Primärarreststrafe in der Dauer von zwei Wochen über den Beschwerdeführer verhängt. Als Beitrag zu den Kosten des Verfahrens erster Instanz wurde ein Betrag von S 2.800,-- vorgeschrieben. In der gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Berufung wurde im wesentlichen vorgebracht, der Spruch sei nicht ausreichend konkretisiert, weil die Art der Tätigkeiten nicht beschrieben worden sei. Darüber hinaus treffe den Beschwerdeführer kein Verschulden, weil der Behörde der bisherige Verlauf der Angelegenheit bekannt sein müsse. Die Verweigerung der Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung durch den Bürgermeister der Gemeinde S stelle einen Akt der Rechtswidrigkeit und schikanösen Rechtsverweigerung aus persönlichen Motiven dar. Da die bisherigen Strafmaßnahmen der Behörde, welche an Härte nicht zu überbieten seien, nicht geeignet gewesen seien, den Beschwerdeführer zur Einstellung seiner Baumaßnahmen zu veranlassen, müsse davon ausgegangen werden, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, das Unerlaubte seiner Tat einzusehen. Es liege ganz offensichtlich ein Schuldausschließungsgrund vor, der die Strafbarkeit ausschließe. Überdies sei die Bemessung der Primärarreststrafe mit der Dauer von zwei Wochen völlig unbegründet und darüber hinaus nicht notwendig, um den Beschwerdeführer von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 9. April 1992 die Berufung mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 64 VStG als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens erster Instanz ein Betrag von S 280,-- zur Zahlung vorgeschrieben wurde. Das Straferkenntnis wurde insofern weiter abgeändert, als ergänzend festgestellt wurde, daß der Beschwerdeführer auf der genannten Grundparzelle Maurerarbeiten zur Errichtung eines Stall- bzw. Wirtschaftsgebäudes durchgeführt habe. Im übrigen blieb der Spruch unverändert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zu der auch in dieser Beschwerde behaupteten Unzurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers ist zunächst gemäß § 43 Abs. 2 auf das hg. Erkenntnis vom heutigen Tage, Zl. 92/06/0087, zu verweisen. Die Uneinsichtigkeit und das beharrliche Wiederholen des strafbaren Verhaltens allein läßt nicht zwingend auf einen Zustand nach § 3 Abs. 1 oder 2 VStG schließen, weil nach der allgemeinen Lebenserfahrung uneinsichtig und beharrlich rechtswidrig auch dann gehandelt wird, wenn keine Bewußtseinsstörung, keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit und keine Geistesschwäche vorliegt. Das aktenkundige Verhalten, das der Beschwerdeführer während des Verwaltungsstrafverfahrens, insbesondere anläßlich der Niederschrift über die Vernehmung des Beschuldigten am 17. Dezember 1991 sowie während der mündlichen Verhandlung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat in Tirol am 9. April 1992 zutage legte, ließ keinerlei Hinweis auf eine Bewußtseinsstörung, krankhafte Störung der Geistestätigkeit oder Geistesschwäche zu. Da keinerlei Indizien in dieser Richtung vorlagen, war die belangte Behörde auch nicht gehalten, von einer mangelnden Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zur Tatzeit auszugehen.

Aber auch das weitere Beschwerdevorbringen, hinsichtlich der Weiterführung der Bauarbeiten an der Hofstelle liege ein einheitliches Tatmotiv und ein einheitlicher Wille vor, das einmal begonnene Bauvorhaben ungeachtet des Verbotes der Behörden zu vollenden, die mehrfache und wiederholte Bestrafung des Beschwerdeführers wegen dieser Handlungsweise sei rechtswidrig, ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun: Zwar handelt es sich bei einer unzulässigen Bauführung, die sich als Einheit darstellt und auch von einem einheitlichen Bauwillen getragen ist, im Geltungsbereich der TBO um ein fortgesetztes Delikt, das strafrechtlich als Einheit anzusehen ist. Allerdings werden dann, wenn durch den Strafbescheid ein noch nicht abgeschlossenes Geschehen erfaßt werden soll, unabhängig von der Konkretisierung der Tat durch Anführung der Tatzeit auch allenfalls später bekannt gewordene Einzeltathandlungen bis zum Zeitpunkt der Fällung (Zustellung des Straferkenntnisses erster Instanz) erfaßt. Im Beschwerdefall kann es nun dahingestellt bleiben, ob der Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall durch die Errichtung eines WEITEREN Gebäudes (nunmehr eines Stalles) eine Tätigkeit entfaltet hat, die mit den früheren Bauführungen am Wohn- und Wirtschaftsgebäude keine Einheit bilden und auch einen gesonderten Bauwillen erforderten, weil jedenfalls das nunmehr angelastete strafbare Verhalten erst am 21. November 1991, somit nach Zustellung des vorgehenden Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 19. September 1991 am 25. September 1991 verwirklicht wurde. Hinsichtlich der durch den Beschwerdeführer entfalteten Bautätigkeit am 21. November 1991 liegt daher keine unzulässige Doppelbestrafung vor.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Beweiswürdigung der Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (nur) insoweit zugänglich, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Sachverhalt ausreichend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, d.h., ob sie u.a. den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen; wesentliche Mängel der Sachverhaltsfeststellung einschließlich der Beweiswürdigung führen demnach zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Daß der belangten Behörde im Beschwerdefall in der bezeichneten Hinsicht wesentliche Mängel unterlaufen seien, ist nicht zu erkennen. Aufgrund der Angaben der als Zeugen einvernommenen Rev. Insp. St. E., des Insp. G. St. sowie der Einvernahme des Beschwerdeführers durfte die belangte Behörde in rechtlich unbedenklicher Weise als erwiesen annehmen, daß der Beschwerdeführer am 21. November 1991 um 9.30 Uhr Maurerarbeiten zur Errichtung eines Stallgebäudes durchgeführt hatte, obwohl es sich dabei um ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben handelte und der Beschwerdeführer wußte, daß die erforderliche Baubewilligung nicht vorlag.

Unter dem Gesichtspunkt inhaltlicher Rechtswidrigkeit macht die Beschwerde geltend, daß die Verhängung einer Primärarreststrafe in der Dauer von zwei Wochen keinesfalls notwendig oder angemessen war. In der Beschwerde wird ausgeführt, es müsse davon ausgegangen werden, daß selbst die bisher verhängten hohen Geldstrafen für den Beschwerdeführer de facto Freiheitsstrafen darstellten, da er zur Bezahlung der Geldstrafen wirtschaftlich nicht in der Lage sei und so ohnehin die angedrohten Ersatzfreiheitsstrafen zum Tragen kommen würden. Da selbst dies nicht geeignet gewesen sei, den Beschwerdeführer von der Fertigstellung bzw. Fortsetzung seines konsenslosen Bauvorhabens abzuhalten, müsse auch davon ausgegangen werden, daß die nunmehr verhängte primäre Freiheitsstrafe kein geeignetes Mittel sei, den angestrebten Strafzweck herbei zu führen. Abgesehen davon sei es rechtswidrig, als erste Freiheitsstrafe bereits den Strafrahmen von zwei Wochen auszuschöpfen.

Gemäß § 11 VStG darf eine Freiheitsstrafe nur verhängt werden, wenn dies notwendig ist, um den Täter von weiteren Verwaltungsübertretungen gleicher Art abzuhalten. Nach dieser Vorschrift liegt die Wahl der Strafart insoweit nicht im Ermessen der Behörde, als eine Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen der dort genannten Voraussetzungen, d.h. aus Gründen der Spezialprävention, verhängt werden darf. Der Gerichtshof ist der Ansicht, daß die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides hinreichend dargetan hat, daß nur spezialpräventive Erwägungen die Verhängung einer (Primär-)Arreststrafe geboten erscheinen lassen, zumal bisher Geldstrafen nicht geeignet waren, den Beschwerdeführer von weiteren gleichartigen Straftaten abzuhalten. Die Beschwerde zeigt keine Umstände auf, die erkennen ließen, das ungeachtet des Vorliegens spezialpräventiver Gründe von der Verhängung einer primären Arreststrafe hätte Abstand genommen werden müssen.

Gemäß § 12 Abs. 1 VStG beträgt die Mindestdauer der Freiheitsstrafe 12 Stunden. Eine Freiheitsstrafe von mehr als zwei Wochen darf nur verhängt werden, wenn dies wegen besonderer Erschwerungsgründe geboten ist. Eine längere als eine sechswöchige Freiheitsstrafe darf nicht verhängt werden. Der angefochtene Bescheid enthält nun aber keinerlei Hinweise, weshalb die belangte Behörde ein Ausmaß der erstmals verhängten Primärarreststrafe in der Dauer von 2 Wochen für angemessen erachtete und nicht etwa mit einer geringeren Arreststrafe das Auslangen gefunden werden konnte. Die belangte Behörde hat die Strafbemessung unter Bedachtnahme auf die Kriterien der §§ 12 Abs. 1 und 19 VStG somit nicht ausreichend begründet. Diese Mangelhaftigkeit der Begründung ist aber insofern wesentlich, als dadurch sowohl der Beschwerdeführer über die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen nicht unterrichtet und dadurch an der Verfolgung seines Rechtsanspruches behindert worden ist als auch für den Verwaltungsgerichtshof die Prüfung des angefochtenen Bescheides in dieses Hinsicht unmöglich ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1980, Slg. N.F. Nr. 10.232/A).

Der angefochtene Bescheid war daher hinsichtlich des Ausspruches über des Strafausmaß und der Kosten des Berufungsverfahrens gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren für die Vergebührung der nicht erforderlichen Ausfertigung der Beschwerde war abzuweisen.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit fortgesetztes Delikt Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Geldstrafe und Arreststrafe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060122.X00

Im RIS seit

22.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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