TE Vwgh Erkenntnis 1991/10/10 91/06/0137

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Veröffentlicht am 10.10.1991
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §58 Abs2;
AVG §66 Abs4;
BauO Tir 1989 §53 Abs1 lita;
BauO Tir 1989 §53 Abs1 litf;
BauRallg;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §51 Abs4;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Leukauf und Dr. Giendl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gritsch, über die Beschwerde des W in S, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in Z, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 27. Mai 1991, Zl. Ve-551-540/2, betreffend Übertretungen der Tiroler Bauordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich der Übertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 der Tiroler Bauordnung wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.590,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel vom 6. September 1990 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, dadurch, daß er am 25. Juli 1990 sowie am 27. und 28. August 1990 auf seiner Grundparzelle Nr. nn/4 KG S, Arbeiten zur Errichtung eines Rohbaues für ein Gebäude durchgeführt habe, obwohl für dieses bewilligungspflichtige Bauvorhaben keine rechtskräftige Baubewilligung vorlag und mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde S vom 2. April 1990, zugestellt am 12. April 1990, die Fortsetzung der Bauarbeiten untersagt wurde, zu 1. § 25 lit. a in Verbindung mit § 53 Abs. 1 lit. a und Abs. 2 der Tiroler Bauordnung (TBO) und

2. § 40 Abs. 2 in Verbindung mit § 53 Abs. 1 lit. f und Abs. 2 TBO verletzt zu haben. Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wurden über ihn Geldstrafen in der Höhe von jeweils S 25.000,-- (Ersatzarrest jeweils 10 Tage) verhängt. Überdies wurden gemäß § 53 Abs. 2 TBO im Eigentum des Beschwerdeführers stehende Baustoffe, Werkzeuge und Baustelleneinrichtungen für verfallen erklärt. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, der angeführte Sachverhalt sei aufgrund der Anzeigen des Gendarmeriepostens und der Verantwortung des Beschwerdeführers erwiesen. Da der Beschwerdeführer insbesondere aufgrund des ihm nachweislich zugestellten Baueinstellungsbescheides vom 2. April 1990 wissen mußte, daß für die gegenständliche Bauführung keine Baubewilligung vorliegt, seien die beiden Tatbestände auch in subjektiver Hinsicht erfüllt. Es sei hinsichtlich beider Tatbilder Vorsatz anzunehmen. Als erschwerend sei das Vorliegen einer einschlägigen rechtskräftigen Vorstrafe zu berücksichtigen.

Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung wies die belangte Behörde mit Bescheid vom 27. Mai 1991 hinsichtlich der beiden Verwaltungsübertretungen ab. Hinsichtlich des ausgesprochenen Verfalles wurde in Stattgebung der Berufung dieser Bescheidteil aufgehoben.

Gegen den Bescheid vom 27. Mai 1991 richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, nach den Beschwerdeausführungen allerdings nur gegen jenen Teil des Bescheides, mit dem der Berufung des Beschwerdeführers nicht stattgegeben wurde. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Begründung ihres Bescheides zufolge ist die belangte Behörde davon ausgegangen, daß es sich bei den Straftatbeständen nach § 53 Abs. 1 lit. a und § 53 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit § 40 Abs. 2 TBO um zwei unabhängig voneinander zu ahndende Straftatbestände handelt. Zur Strafbemessung wurde ausgeführt, daß entgegen der Ansicht der Behörde erster Instanz keine einschlägige Vorstrafe als erschwerend zu berücksichtigen sei, weil eine früher verhängte Strafe im Tatzeitpunkt noch nicht rechtskräftig gewesen sei. Da jedoch der Beschwerdeführer durch die bloße Androhung von Strafen sowie durch mehrmaliges behördliches Einschreiten nicht davon abzuhalten gewesen sei, rechtswidrigerweise weiterzubauen, müßten auch ohne Heranziehung des Erschwerungsgrundes der Wiederholung die verhängten Strafen jedenfalls als angemessen betrachtet werden.

Die hier maßgeblichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung, LGBl. Nr. 33/1989, lauten:

"§ 53

Strafbestimmungen

(1) Eine Verwaltungsübertretung begeht, wer

a) ein bewilligungspflichtiges Bauvorhaben ohne Bewilligung ausführt oder mit der Ausführung vor dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung beginnt (§ 36 Abs. 1);

b)

...

c)

...

d)

...

e)

...

f)

einem behördlichen Auftrag, mit dem nach § 38 Abs. 6 die Durchführung von Aufräumungsarbeiten aufgetragen wird, mit dem nach § 39 Abs. 2 die Anzeige der Vollendung bestimmter Bauabschnitte aufgetragen wird, mit dem nach § 40 Abs. 1, 2 oder 3 die Fortsetzung der Arbeiten an einem Bauvorhaben untersagt wird, mit dem nach § 40 Abs. 5 die Vollendung des Abbruches aufgetragen wird, mit dem nach § 41 Abs. 2 die Vollendung des Bauvorhabens aufgetragen wird, mit dem nach § 41 Abs. 3 oder 4 die Beseitigung von Teilen eines Bauvorhabens und die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes des Bauplatzes aufgetragen wird, mit dem nach § 43 Abs. 2 der Abbruch einer baulichen Anlage aufgetragen wird, mit dem nach § 44 Abs. 2 die Instandsetzung einer baulichen Anlage aufgetragen wird, mit dem nach § 45 Abs. 4 die Herstellung des der Bewilligung entsprechenden Zustandes einer Werbeeinrichtung aufgetragen wird, mit dem nach § 46a Abs. 2 die Beseitigung eines das Orts- oder Straßenbild beeinträchtigenden Zustandes einer Grundfläche aufgetragen wird oder mit dem nach § 46a Abs. 3 die Beseitigung von Gegenständen aufgetragen wird, nicht nachkommt;

              g)              ..."

Gemäß § 22 VStG gilt im Verwaltungsstrafverfahren das sogenannte Kumulationsprinzip. Das bedeutet, daß für jedes Delikt eine eigene Strafe, bei einer Mehrheit von Delikten somit nebeneinander mehrere Strafen zu verhängen sind. Eine Ausnahme von diesem Prinzip besteht bei einem fortgesetzten Delikt (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Mai 1966, Slg. N.F. Nr. 6932/A). Eine Einschränkung erfährt dieses Prinzip durch die Konsumtion. Eine solche liegt vor, wenn eine wertende Beurteilung ergibt, daß der Unwert des einen Deliktes von der Strafdrohung gegen das andere Delikt miterfaßt wird, wie dies inbesondere im Falle der Verletzung desselben Rechtsgutes anzunehmen ist. Dies trifft aber dann nicht zu, wenn die Delikte in keinem typischen Zusammenhang stehen, mit anderen Worten, wenn das eine Delikt nicht notwendig oder doch nicht in der Regel mit dem anderen verbunden ist (Verwaltungsgerichtshof vom 23. September 1970, Zl. 678/78, vom 30. Juni 1977, Zl. 1049/76, und die diesbezüglichen Ausführungen bei Leukauf-Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 2, Seite 294 ff).

Hinsichtlich der Übertretung zu 1. wurde der Beschwerdeführer wegen der Durchführung eines bewilligungspflichtigen Bauvorhabens ohne Bewilligung gemäß § 53 Abs. 1 lit. a TBO und zu 2. wegen Nichtbeachtung der Einstellungsverfügung gemäß § 53 Abs. 1 lit. f TBO bestraft. Unbestritten war die Baueinstellung mit Bescheid vom 2. April 1990 deshalb verfügt worden, weil für die gegenständliche Bauführung keine Baubewilligung vorliegt. Da die Baueinstellung wegen Fehlens einer Baubewilligung und nicht etwa wegen eines anderen der im § 53 Abs. 1 lit. f TBO angeführten Sachverhaltes erfolgte, wurde durch das Weiterbauen ohne Baubewilligung seit Erlassen der Einstellverfügung durch den Beschwerdeführer dasselbe Rechtsgut verletzt (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 12. Juni 1990, Zl. 90/05/0007, und die dort angeführte Vorjudikatur). Es liegt daher seit der Erlassung der Einstellverfügung hinsichtlich des Deliktes zu 1. Konsumtion vor. Diesbezüglich ist eine unzulässige Doppelbestrafung des Beschwerdeführers gegeben. Da die Verwaltungsübertretung nach § 53 Abs. 1 lit. a TBO durch jene gemäß lit. f überlagert wird, war der angefochtene Bescheid im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung zu 1. mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet.

Unbestritten ist, daß der Beschwerdeführer nach Zustellung des Baueinstellungsbescheides Arbeiten zur Errichtung eines Rohbaues durchgeführt hat. Somit ist der Tatbestand des § 53 Abs. 1 lit. f TBO in objektiver Hinsicht verwirklicht. Zutreffend hat die belangte Behörde ausgeführt, daß die Gründe, die für die nicht zeitgerechte Erteilung der Baubewilligung maßgebend waren, nicht zu überprüfen waren. Aus dem Umstand, daß trotz Vorliegens eines Baueinstellungsbescheides weitergebaut wurde, konnte die belangte Behörde zu Recht auf das Vorliegen von Vorsatz schließen. Die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen Bauens trotz Vorliegens eines Baueinstellungsbescheides erfolgte daher grundsätzlich zu Recht.

Aber auch die Ausführungen der belangten Behörde zur Strafbemessung sind im Ergebnis zutreffend. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem Erkenntnis vom 20. November 1978, Slg. N.F. Nr. 9694/A, ausgeführt, daß kein Verstoß gegen den Grundsatz des Verbotes einer "reformatio in peius" vorliegt, wenn die Berufungsbehörde bei Verneinung eines von der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz für die Bemessung der Strafe herangezogenen Erschwerungsgrundes die Strafe nicht herabsetzt, wenn sie in der Lage ist zu begründen, daß andere Umstände vorlagen, die es rechtfertigen, das Ausmaß der verhängten Strafe für angemessen zu halten. Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, daß der von der Erstbehörde herangezogene Erschwerungsgrund der Wiederholung nicht vorliegt, sie führte jedoch auch aus, daß der Beschwerdeführer durch mehrmaliges behördliches Einschreiten nicht davon abzuhalten war, rechtswidrigerweise weiterzubauen. Bei dieser Sachlage kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werden, wenn sie davon ausging, daß aus spezialpräventiven Gründen die Verhängung einer Geldstrafe von S 25.000,-- bei einem gesetzlichen Strafrahmen bis zu S 100.000,-- angemessen war.

Aufgrund der oben angeführten unzulässigen Doppelbestrafung war der angefochene Bescheid im Hinblick auf die Verwaltungsübertretung zu 1. gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Im übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, im Rahmen des Kostenbegehrens.

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Baubewilligung BauRallg6 Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein Umfang der Abänderungsbefugnis Reformatio in peius Verbot der reformatio in peius freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1991:1991060137.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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