TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/25 92/09/0109

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.09.1992
beobachten
merken

Index

60/02 Arbeitnehmerschutz;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AÜG §11 Abs1;
AÜG §11 Abs4;
AÜG §22 Abs1 Z2 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Fürnsinn und Dr. Germ als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde des S in W, vertreten durch Dr. M, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 21. Oktober 1991, Zl. MA 62-III/110/91/Str, betreffend Bestrafung nach dem Arbeitskräfteüberlassungsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Auf Grund einer Anzeige der Kammer für Arbeiter und Angestellte für Wien erließ der Magistrat der Stadt Wien (MBA XVIII) nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens gegen den Beschwerdeführer ein mit 13. Dezember 1990 datiertes Straferkenntnis mit folgendem Spruch:

"Sie haben als Überlasser bei der Ausübung des konzessionierten Gewerbes "Überlassung von Arbeitskräften (§ 323a GewO 1973)" im Standort W, nicht dafür gesorgt, daß vom 14. November 1988 bis 18. November 1988, vom 21. November 1988 bis 24. November 1988 und am 28. November 1988 Herrn H bei der Überlassung an einen Dritten, nämlich die Firma F & Co in M,

I) ein Dienstzettel, der die im § 11 Abs. 1 Z. 1 bis 5 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes genannten Angaben enthalten muß, nämlich

1) die Höhe des Entgeltes, die Zahlungstermine und die Urlaubsansprüche;

2) ein bestimmtes zeitliches Ausmaß der Arbeitsverpflichtung und die Gründe für eine allfällige Befristung;

3)

die Kündigungsfristen;

4)

die voraussichtliche Art der Arbeitsleistung und

5)

die Bundesländer oder die Staaten, in denen die überlassenen Arbeitskraft beschäftigt werden soll;

ausgefolgt wurde und II) eine Überlassungsmitteilung ausgefolgt wurde, somit die Mitteilungspflichten, nämlich der Arbeitskraft vor jeder Beschäftigung in einem anderen Betrieb die für die Überlassung wesentlichen Umstände, insbesondere den Beschäftiger, die voraussichtliche Arbeitszeit der überlassene Arbeitskraft im Betrieb des Beschäftigers und das Entgelt, das für die zu bestätigen nicht eingehalten wurden und dadurch die Gefahr eines Schadens für die Arbeitskraft bestand.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: ad

I) § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. b in Verbindung mit § 11 Abs. 4 und ad

II) § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. c in Verbindung mit § 12 Abs. 1 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes (AÜG, BGBl. Nr. 196/1988).

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt: Zwei Geldstrafen von je S. 5.000,--, zusammen S 10.000,--, falls diese uneinbringlich sind, zwei Ersatzfreiheitsstrafen von je 5 Tagen, zusammen: 10 Tage, gemäß ad I) § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. b AÜG und ad II) § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. c AÜG.

... (Kostenentscheidung)."

Begründend verwies die Strafbehörde erster Instanz darauf, daß der vom Beschwerdeführer als Rechtfertigung herangezogene, der überlassenen Arbeitskraft ausgehändigte schriftliche Dienstvertrag nicht alle nach dem AÜG erforderlichen Angaben enthalten habe; so fehlten Angaben über Urlaubsansprüche, auch sei das Arbeitszeitausmaß nicht bestimmt oder bestimmbar festgelegt.

Auf die unter II) im Spruch näher bezeichnete Übertretung sei vom Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung nicht einmal eingegangen worden, eine Überlassungsmitteilung nach § 12 AÜG sei Herrn H, der dies auch schriftlich erklärt habe, nicht ausgehändigt worden.

Im Zuge des Verfahrens über die vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobene Berufung legte dieser weitere Unterlagen (Einsatzzettel, Leistungsabrechnungen) vor, ferner wurde H ergänzend als Zeuge einvernommen.

Nach Gewährung des Parteiengehörs erließ die belangte Behörde den mit 21. Oktober 1991 datierten nunmehr angefochtenen Bescheid, mit welchem gemäß § 66 Abs. 4 AVG das Straferkenntnis erster Instanz

"... in Schuldfrage und im Ausspruch über die Verpflichtung zum Ersatz der Kosten des Strafvollzuges mit der Abänderung bestätigt (wurde), daß der Beschuldigte als Überlasser im Sinne des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes mit Sitz in W, die Arbeitskraft H in der Zeit vom 14. November 1988 bis 18. November 1988 und vom 21. November 1988 bis 24. November 1988 und am 28. November 1988 einem Dritten, nämlich der Firma F & Co in M, überlassen hat, I) ohne einen Dienstzettel, welcher nach den Vorschriften des § 11 Abs. 1 Z. 1 Arbeitskräfteüberlassungsgesetz die Urlaubsansprüche festgelegt hat, auszustellen und II) die Mitteilungspflicht des § 12 insoferne nicht eingehalten hat, als er seiner Verpflichtung, der Arbeitskraft den Beschäftiger, die voraussichtliche Arbeitszeit im Betrieb des Beschäftigers und das Entgelt, das für die Dauer der Überlassung gebührt, schriftlich zu bestätigen, nicht nachgekommen ist."

Hinsichtlich der weiteren Tatvorwürfe behob die belangte Behörde das erstinstanzliche Straferkenntnis und verfügte insoweit gemäß § 45 Abs. 1 lit. a VStG die Einstellung des Verfahrens. Die Strafe wurde zu Punkt I) auf S 2.000,--, im Falle der Uneinbringlichkeit 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt. Die Kostenentscheidung wurde diesem Verfahrensergebnis entsprechend neu erlassen.

Begründend führte die belangte Behörde im wesentlichen aus, ihrer Entscheidung zu I) sei der vom Beschwerdeführer vorgelegte Dienstvertrag zugrunde gelegt worden, doch enthalte dieser nicht den gesamten Inhalt des vom Gesetz geforderten Dienstzettels, zumal jegliche Angaben hinsichtlich der Urlaubsansprüche fehlten. Eine solche Regelung sei auch den anderen vom Beschwerdeführer vorgelegten Unterlagen nicht zu entnehmen. Der Entscheidung zu Punkt II) sei der vom Beschwerdeführer vorgelegte "Einsatzzettel" zugrunde gelegt worden, ohne daß geprüft worden sei, ob H diesen unterfertigt habe oder nicht. In diesem "Einsatzzettel" seien dem Zeugen kein konkreter Beschäftigter sowie kein konkretes Entgelt und keine bestimmte Arbeitszeit schriftlich bestätigt worden. Er erfülle somit nicht den Zweck des § 12 Abs. 1 AÜG, nämlich der Arbeitskraft eine schriftliche Bestätigung hinsichtlich der für die Überlassung wesentlichen Umstände auszustellen. Die zu den Punkten I) und II) angelasteten Verwaltungsübertretungen seien daher als erwiesen anzunehmen. Die Abänderung des Spruches habe der Konkretisierung des als erwiesen angenommenen Sachverhaltes gedient. Die Strafe zu I) sei wegen der Einschränkung des Tatvorwurfes herabgesetzt worden, aber mit Rücksicht auf die beträchtliche Schädigung des durch die Strafdrohung geschützten Interesses, nämlich des Schutzes der Arbeitskräfte vor willkürlichen Überlassungen, und mit Rücksicht darauf, daß das Verschulden des Beschwerdeführers als eines einschlägigen Gewerbetreibenden nicht als gering anzusehen sei, sowie im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers angemessen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer gemäß Art. 144 B-VG Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher deren Behandlung jedoch mit Beschluß vom 25. Feber 1992, B 1367/91-3, ablehnte, und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides in seinem den Schuldspruch bestätigenden Teil.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 11 Abs. 1 AÜG darf der Überlasser eine Arbeitskraft an einen Dritten nur nach Abschluß einer ausdrücklichen Vereinbarung überlassen, die unabhängig von der einzelnen Überlassung insbesondere folgende Bedingungen zwingend festzulegen hat:

              1.              die Höhe des Entgeltes, die Zahlungstermine und die Urlaubsansprüche;

              2.              ein bestimmtes zeitliches Ausmaß der Arbeitsverpflichtung und die Gründe für eine allfällige Befristung;

3.

die Kündigungsfristen;

4.

die voraussichtliche Art der Arbeitsleistung;

5.

die Bundesländer oder die Staaten, in denen die überlassene Arbeitskraft beschäftigt werden soll.

Über die Vereinbarung ist der Arbeitskraft gemäß § 11 Abs. 4 AÜG ein Dienstzettel auszustellen, der die in Abs. 1 Z. 1 bis 5 genannten Angaben enthalten muß. Verweigert der Überlasser die Ausstellung des Dienstzettels oder entspricht dieser nicht der Vereinbarung, so ist die Arbeitskraft nicht verpflichtet, der Überlassung Folge zu leisten.

Gemäß § 12 Abs. 1 AÜG ist der Überlasser verpflichtet, der Arbeitskraft vor jeder Beschäftigung in einem anderen Betrieb die für die Überlassung wesentlichen Umstände, insbesondere den Beschäftiger, die voraussichtliche Arbeitszeit der überlassenen Arbeitskraft im Betrieb des Beschäftigers und das Entgelt, das für die Dauer der Überlassung gebührt, mitzuteilen und ehestmöglich schriftlich zu bestätigen.

Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht gemäß § 22 Abs. 1 Z.2 lit. b AÜG eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafen bis zu S 10.000,--, im Wiederholungsfall von S 5.000,-- bis S 20.000,-- zu bestrafen, wer eine Arbeitskraft ohne Ausstellung eines Dienstzettels, der den Vorschriften des § 11 entspricht, überläßt.

In gleicher Weise ist nach § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. c AÜG zu bestrafen, wer die Mitteilungspflichten (§ 12) nicht einhält, wenn dadurch die Gefahr eines Schadens für die Arbeitskraft besteht.

Soweit die Beschwerde dahingehend argumentiert, die einschlägigen Bestimmungen des AÜG seien gleichheitswidrig, weil sie für den Fall der Arbeitskräfteüberlassung strengere Voraussetzungen normierten als für die meisten anderen Beschäftigungsverhältnisse, ist ihr zu entgegnen, daß für diese Frage ausschließlich der Verfassungsgerichtshof zuständig ist. Dieser hat aber in seinem Ablehnungsbeschluß bereits darauf verwiesen, daß die an ihn gerichtete Beschwerde angesichts der besonderen Schutzbedürftigkeit von Leiharbeitnehmern im Spannungsfeld der für den Verleiher- und den Entlehnerbetrieb geltenden - möglicherweise unterschiedlichen - Rechtsvorschriften keine Erfolgsaussichten habe.

Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid ferner deshalb als in sich widersprüchlich, weil er zwar von den vom Beschwerdeführer vorgelegten Urkunden ausgegangen, aber trotzdem hinsichtlich der Urlaubsansprüche nicht zu einer Verfahrenseinstellung gekommen sei. Dabei übersieht der Beschwerdeführer, daß die von ihm behauptete mündliche Belehrung der überlassenen Arbeitskraft über ihre Urlaubsansprüche die vom Gesetzgeber ausdrücklich geforderte Schriftform (Dienstzettel) keinesfalls zu ersetzen vermag.

Schließlich macht der Beschwerdeführer noch geltend, eine inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides sei darin zu erblicken, daß durch die neue Spruchfassung das erstinstanzliche Straferkenntnis nicht bloß in seinem Schuldspruch eingeschränkt worden, sondern der Sachverhalt hinsichtlich des Zeitraumes und des strafbaren Verhaltens derart einschneidend verändert worden sei, daß von ein und derselben Straftat nicht gesprochen werden könne; es sei daher Verjährung eingetreten.

Auch dieser Argumentation vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu folgen. Hinsichtlich der Tatzeit ist im Spruch des angefochtenen Bescheides eine Abänderung gegenüber dem erstinstanzlichen Bescheid überhaupt nicht zu erkennen. Die Änderung der Spruchfassung zu I) geht im übrigen nur darauf zurück, daß zu Gunsten des Beschwerdeführers der erstinstanzliche Schuldvorwurf auf das Fehlen von Angaben über Urlaubsansprüche im Dienstzettel eingeschränkt worden ist, was ja auch insoweit zu einer Herabsetzung der über den Beschwerdeführer verhängten Strafe geführt hat.

Zur Verurteilung nach § 22 Abs. 1 Z. 2 lit. c (§ 12) AÜG enthält die an den Verwaltungsgerichtshof gerichtete Beschwerde überhaupt kein Vorbringen. Der Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof kann entnommen werden, daß sich der Beschwerdeführer dadurch beschwert erachtet, daß ihm ursprünglich die Nichtausfolgung einer Überlassungsmitteilung vorgeworfen wurde, im angefochtenen Bescheid demgegenüber jedoch die Ausfolgung einer nicht dem Gesetz entsprechenden Überlassungsmitteilung. Darin vermag der Verwaltungsgerichtshof indes keinen relevanten Widerspruch zu erblicken, denn ausgehend davon, daß der vom Beschwerdeführer vorgelegte "Einsatzzettel" die vom Gesetz zum Schutz des Dienstnehmers vor Schädigungen geforderten KONKRETEN Angaben unbestritten nicht enthält, kann in seiner Ausfolgung an den Dienstnehmer in keinem Falle eine Erfüllung der in § 12 Abs. 1 AÜG geforderten Verpflichtung des Überlassers erblickt werden.

Schon die Aufforderung zur Rechtfertigung vom 23. Feber 1989 und das erstinstanzliche Straferkenntnis vom 13. Dezember 1990 haben daher jene Vorwürfe zur Gänze mitumfaßt, die letztlich Gegenstand der Verurteilung des Beschwerdeführers im angefochtenen Bescheid gewesen sind. Vom Eintritt der Verjährung kann daher keine Rede sein.

Die somit unbegründete Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen, wobei sich die vom Beschwerdeführer beantragte mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG als entbehrlich erkennen ließ.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG in Verbindung mit Art. IB Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090109.X00

Im RIS seit

25.09.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten