TE Vwgh Erkenntnis 1992/9/29 92/09/0117

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Veröffentlicht am 29.09.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AVG §66 Abs4;
AVG §67;
AVG §69 Abs1 lita;
KOVG 1957 §53;
KOVG 1957 §54 Abs1;
KOVG 1957 §54 Abs2;
KOVG 1957 §54 Abs3;
KOVG 1957 §54 Abs4;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Mag. Meinl und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Kommissär Mag. Fritz, über die Beschwerde der Anna H in S, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in X, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 19. Februar 1992, Zl. OB 125-261324-005, betreffend Kriegsopferversorgung (Verpflichtung zum Rückersatz gemäß § 54 KOVG 1957), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit der Ausspruch des erstinstanzlichen Bescheides, daß eine Abstandnahme von der Hereinbringung der Schuld wegen besonderer Härte nicht erfolge, bestätigt wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die am 26. Oktober 1912 geborene Beschwerdeführerin bezieht nach ihrem mit 28. März 1945 für tot erklärten Ehemann auf Grund der einschlägigen Bestimmungen des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG 1957) eine Witwengrundrente mit Zusatzrente. Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 26. September 1989 wurde der Beschwerdeführerin ab 1. OKTOBER 1989 eine Leistung für Kindererziehung zuerkannt. Eine Kopie dieses Bescheides sandte die Beschwerdeführerin an das Landesinvalidenamt für Wien, Niederösterreich und Burgenland (LIA), wo sie am

2. AUGUST 1990 einlangte.

Nachdem das LIA mit dem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid vom 9. August 1990 ausgesprochen hatte, daß gemäß § 13 Abs. 3 KOVG 1957 die der Beschwerdeführerin gewährte Zusatzrente ab 1. Jänner 1989 eingestellt und über deren Anspruch auf Zusatzrente für das Jahr 1989 gemäß § 13 Abs. 3 KOVG 1957 im nachhinein entschieden werde, wurde die der Beschwerdeführerin gebührende Zusatzrente für die Jahre 1989 und 1990 mit den Bescheiden des LIA vom 21. August 1990 bzw. vom 29. Mai 1991 zuerkannt.

Nach (amtsinternen) Ermittlungen sprach das LIA sodann mit Bescheid vom 5. September 1991 aus, daß die auf Grund der Bescheide vom 9. August 1990, vom 21. August 1990 und vom 29. Mai 1991 ungebührliche Mehrzahlung im Betrage von S 3.878,-- dem Bunde zu ersetzen sei. Eine Abstandnahme von der Hereinbringung der Schuld wegen besonderer Härte erfolge nicht. Der Ersatz werde durch Aufrechnung auf die der Beschwerdeführerin gebührende Versorgungsleistung bewirkt. Über die Hereinbringung der unbeglichenen Schuld im Betrage von S 3.878,-- werde gesondert entschieden werden.

Diesen Bescheid begründete das LIA unter Bezugnahme auf § 54 KOVG 1957 damit, daß ein Verschulden gegeben sei, wenn die Anzeigepflicht schuldhaft verletzt worden sei; guter Glaube sei auszuschließen, wenn Zweifel an der Gebührlichkeit einer Leistung bestehen müßten. Mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 26. September 1989 sei der Beschwerdeführerin ab 1. Oktober 1989 eine Leistung für Kindererziehung zuerkannt worden. Diesen für die Entstehung der Mehrzahlung maßgebenden Umstand hätte die Beschwerdeführerin erst am 2. August 1990, also verspätet, gemeldet. Entschuldbare Gründe hiefür seien nicht geltend gemacht worden. Die Beschwerdeführerin träfe daher ein Verschulden am Zustandekommen der Mehrzahlung im Betrage von S 3.878,-- weshalb auch die Verpflichtung zum Ersatz dieses Betrages auszusprechen gewesen sei. Der Ausspruch, demzufolge über die Hereinbringung der Schuld abgesondert entschieden würde, stütze sich auf den Umstand, daß über den Anspruch auf vom Einkommen abhängige Versorgungsleistung der Beschwerdeführerin in Verbindung mit § 13 Abs. 3 KOVG 1957 jeweils erst nach Abschluß eines Kalenderjahres entschieden werden könne. Die der Beschwerdeführerin zumutbare wirtschaftliche Belastung zur Erfüllung der Forderung des Bundes hänge unter anderem auch von dieser Entscheidung ab.

In ihrer gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete die Beschwerdeführerin ein, sie träfe keinerlei Verschulden am Zustandekommen der Mehrzahlung, weil sie die Geldleistung im guten Glauben in Empfang genommen habe. Auch sei es ihr auf Grund des hohen Alters unzumutbar, die Höhe der ihr zustehenden Leistung auszurechnen. Weiters würde die Rückzahlung des Betrages von S 3.878,-- für sie sehr wohl eine wirtschaftliche Belastung bedeuten, weil sie Empfängerin einer Zusatzrente sei. Sie beantrage, der Berufung stattzugeben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und von der Hereinbringung der Schuld im Betrage von S 3.878,-- wegen besonderer Härte Abstand zu nehmen.

Über diese Berufung entschied die belangte Behörde mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 1992 wie folgt:

"Der Berufung wird keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991) aus den darin angeführten Gründen, bestätigt.

Hinzugefügt wird, daß die Entscheidung des Landesinvalidenamtes den gesetzlichen Bestimmungen entspricht."

Diesen Ausführungen folgt keine weitere Begründung, sondern nur mehr die Rechtsmittelbelehrung und der Hinweis nach § 61a

AVG.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht "auf richtige Anwendung der Bestimmungen des § 54 KOVG 1957 bzw. auf richtige Anwendung von Verfahrensvorschriften" verletzt.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach dem ersten Satz des § 53 KOVG 1957 sind die Versorgungsberechtigten verpflichtet, jede ihnen bekannte Veränderung in den rechtlichen Voraussetzungen für den Rentenbezug, die den Verlust oder eine Minderung ihres Anspruches begründet, binnen zwei Wochen dem zuständigen Landesinvalidenamt (§ 79) anzuzeigen.

Gemäß § 54 Abs. 1 KOVG 1957 sind zu Unrecht empfangene Rentenbezüge und sonstige Geldleistungen einschließlich eines von einem Träger der Krankenversicherung für Rechnung des Bundes gezahlten Kranken-, Familien- und Taggeldes dem Bund zu ersetzen. Sie dürfen jedoch nur für einen Zeitraum von drei Jahren, gerechnet vom Ersten des Monates an, in dem die Behörde (§ 78) von dem Neubemessungs- oder Einstellungsgrund Kenntnis erlangt hat, zum Rückersatz vorgeschrieben werden, sofern die Leistungen nicht durch eine Handlung im Sinne des § 69 Abs. 1 lit. a des Allgemeinen Verwaltungsstrafgesetzes 1950 herbeigeführt worden sind. Trifft den Empfänger an der Ungebührlichkeit der Leistung kein Verschulden und ist die Leistung von diesem in gutem Glauben empfangen worden, so tritt keine Verpflichtung zum Rückersatz ein.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat, ergibt sich aus § 54 Abs. 1 KOVG 1957 unmißverständlich, daß eine Befreiung von der Rückersatzpflicht ungebührlich empfangener Leistungen nur dann eintritt, wenn die beiden in dieser Gesetzesstelle angeführten Voraussetzungen - kein Verschulden UND guter Glaube - zutreffen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 1991, Zl. 91/09/0151, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Behörde ist also berechtigt, die Verpflichtung zum Rückersatz auszusprechen, wenn auch nur eine der beiden Voraussetzungen nicht gegeben ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1958, Zl. 2335/57 u. v.a.). Ein Verschulden an der Ungebührlichkeit der Leistung ist u.a. dann gegeben, wenn der Empfänger der Leistung seine Anzeigepflicht nach § 53 KOVG 1957, d.i. die Verpflichtung, jede ihm bekannte Veränderung in den rechtlichen Voraussetzungen für den Rentenbezug, die den Verlust oder eine Minderung des Anspruches begründet, binnen zwei Wochen dem zuständigen Landesinvalidenamt anzuzeigen, schuldhaft verletzt hat (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1985, Zl. 84/09/0092 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Im Beschwerdefall steht fest, daß die Beschwerdeführerin einen der Höhe nach unbestrittenen Übergenuß an Zusatzrente zu ihrer Witwengrundrente deshalb bezogen hat, weil sie dem LIA die Zuerkennung einer Leistung für Kindererziehung ab 1. Oktober 1989 (mit Bescheid der Landesversicherungsanstalt Oberbayern vom 26. September 1989) verspätet (erst am 2. August 1990) gemeldet hat. Das LIA hat die Verpflichtung zum Rückersatz der zu Unrecht empfangenen Rentenbezüge AUSSCHLIEßLICH darauf gestützt, daß die Beschwerdeführerin an der Ungebührlichkeit der Leistung ein Verschulden treffe, wobei das LIA das Verschulden der Beschwerdeführerin aus dem Umstand abgeleitet hat, daß diese ihrer Anzeigepflicht gemäß § 53 KOVG 1957 hinsichtlich des Erhaltes der Rentenleistung für Kindererziehung verspätet nachgekommen ist. Die Beschwerdeführerin hat in ihrer Berufung hiezu lediglich vorgebracht, sie träfe keinerlei Verschulden am Zustandekommen der Mehrzahlung, weil sie die Geldleistung im guten Glauben in Empfang genommen habe; auch sei es ihr auf Grund des hohen Alters unzumutbar, die Höhe der ihr zustehenden Leistung auszurechnen. Daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid auf dieses Vorbringen nicht näher eingegangen ist, vermag den angefochtenen Bescheid nicht mit Rechtswidrigkeit zu belasten, weil einerseits dann, wenn festgestellt ist, daß ein Verschulden des Empfängers vorliegt, nicht mehr zu prüfen ist, ob auch die zweite Tatbestandsvoraussetzung, der gute Glaube, gegeben ist (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Mai 1982, Zlen. 82/09/0034, 0035) und sich andererseits aus § 53 KOVG 1957 für den Versorgungsberechtigten lediglich die Verpflichtung ergibt, jede ihm bekannte Veränderung in den rechtlichen Voraussetzungen für den Rentenbezug, die den Verlust oder eine Minderung des Anspruches begründet, binnen zwei Wochen dem zuständigen Landesinvalidenamt anzuzeigen. Eine Verpflichtung des Versorgungsberechtigten, die Höhe der ihm zustehenden Leistung selbst auszurechnen, ist damit jedoch keinesfalls verbunden.

Im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides wird darauf hingewiesen, daß über die Hereinbringung der unbeglichenen Schuld im Betrage von S 3.878,-- gesondert entschieden werde. Der belangten Behörde kann daher nicht vorgeworfen werden, sich in der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht mit dem Vorbringen in der Berufung, daß die Rückzahlung des Betrages von S 3.878,-- für die Beschwerdeführerin (diese sei Empfängerin einer Zusatzrente) sehr wohl eine wirtschaftliche Belastung bedeuten würde, auseinandergesetzt zu haben, weil über die Hereinbringung der unbeglichenen Schuld im Betrage von S 3.878,-- im gegenständlichen Verwaltungsverfahren noch nicht entschieden worden ist.

Berechtigung kommt jedoch der Beschwerde insoweit zu, als sie geltend macht, daß die belangte Behörde in keiner Weise auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung, wonach durch die Verpflichtung zum Rückersatz in bezug auf deren geringes Einkommen eine besondere Härte vorliegen würde, eingegangen ist.

Gemäß § 54 Abs. 4 KOVG 1957 kann unter anderem dann, wenn die Verpflichtung zum Ersatz des Schadensbetrages eine besondere Härte bedeuten würde, von der Hereinbringung abgesehen werden.

Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde jegliche Begründung dafür, warum eine BESONDERE HÄRTE, die zur Abstandnahme von der Hereinbringung hätte führen können, nicht vorliege, schuldig geblieben. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid den erstinstanzlichen Bescheid "aus den darin angeführten Gründen" bestätigt, wobei sie ergänzend lediglich ausgeführt hat, daß die Entscheidung des LIA den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Mit diesem Verweis auf die Begründung der Unterinstanz vermag die Berufungsbehörde indes nur unter der Voraussetzung ihrer Begründungspflicht zu entsprechen, daß schon im erstinstanzlichen Bescheid auf alle in der Berufung vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen eingegangen wurde und der Oberinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offengelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1990, Zl. 90/09/0004, sowie die bei DOLP, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, auf Seite 603 angeführte Vorjudikatur). Im Beschwerdefall hat das LIA im Spruch des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen, daß eine Abstandnahme von der Hereinbringung der Schuld wegen besonderer Härte nicht erfolge, wobei eine Begründung hiezu vom LIA jedoch nicht gegeben worden ist. Obwohl nun die Beschwerdeführerin in ihrer Berufung unter Hinweis auf ihre wirtschaftliche Situation beantragt hat, von der Hereinbringung der Schuld im Betrag von S 3.878,-- wegen besonderer Härte Abstand zu nehmen, fehlt diesbezüglich auch im angefochtenen Bescheid jegliche Begründung (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1984, Zl. 83/09/0100).

Die belangte Behörde hat sich daher ungeachtet des Berufungsvorbringens nicht in einer dem § 58 Abs. 2 und 60 AVG entsprechenden Weise mit der Frage des Vorliegens einer mit dem Rückersatz verbundenen besonderen Härte (§ 54 Abs. 4 KOVG 1957) auseinandergesetzt.

Der angefochtene Bescheid war deshalb in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben; im übrigen war die Beschwerde jedoch gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 2 VwGG in Verbindung mit Art. I A Z. 1 der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch den Berufungsantrag Umfang der Anfechtung Teilrechtskraft Teilbarkeit der vorinstanzlichen Entscheidung Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Ungebühr Verfahrensbestimmungen Berufungsbehörde Verschulden und guter Glaube

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992090117.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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