TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/8 92/18/0047

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Veröffentlicht am 08.10.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
24/01 Strafgesetzbuch;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;

Norm

ABGB §1151;
ARG 1984 §3 Abs2;
StGB §34 Z12;
VStG §19 Abs2;
VStG §19;
VStG §5 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des V in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Jänner 1991, Zl. MA 63-H 12/91/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen des Arbeitsruhegesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (der belangten Behörde) vom 2. Jänner 1991 wurde der Beschwerdeführer als zur Vertretung nach außen Berufener der Komplementärgesellschaft einer näher genannten Kommanditgesellschaft schuldig erkannt, er habe es zu verantworten, daß am 31. März 1990 im (dem Standort nach bestimmt bezeichneten) Betrieb der Gesellschaft § 3 Abs. 2 des Arrbeitsruhegesetzes (ARG) insofern nicht eingehalten worden sei, als für 61 namentlich angeführte Arbeitnehmer die Wochenendruhe nicht spätestens um 15.00 Uhr begonnen habe, da sie in der Zeit von 15.00 bis 16.15 Uhr Inventurarbeiten durchgeführt hätten. Über den Beschwerdeführer wurden deshalb gemäß § 27 Abs. 1 leg. cit. Geldstrafen in der Höhe von jeweils

S 2.000,--, insgesamt daher S 122.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafen in der Dauer von jeweils zwei Tagen, insgesamt daher 122 Tage), verhängt. Gemäß § 64 VStG wurde der erstinstanzliche Kostenbeitrag mit S 200,-- je Verwaltungsübertretung, insgesamt daher mit S 12.200,-- festgesetzt.

2. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch diesen Bescheid in seinem "Recht auf richtige Bemessung der Strafe" verletzt und macht diesbezüglich Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

3. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Vorweg sei festgehalten, daß sich die Prüfung des bekämpften Bescheides dem Beschwerdepunkt (oben I.2.) entsprechend auf den Strafausspruch (einschließlich des Kostenausspruches) zu beschränken, sich also nicht auch auf den Schuldspruch zu erstrecken hatte.

2.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe den Einwand des Beschwerdeführers, wonach dieser mit den Arbeitnehmern Werkverträge abgeschlossen und sich bemüht habe (auf diese Weise) eine Gesetzesübertretung zu vermeiden, völlig außer acht gelassen. Mit dieser Verantwortung habe der Beschwerdeführer dargelegt, daß er die Tat in einem zwar die Schuld nicht ausschließenden Rechtsirrtum begangen habe, eine Tatbegehung unter diesen Umständen jedoch als Milderungsgrund zu werten sei (§ 34 StGB). Dies sei von der Behörde nicht berücksichtigt worden. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

2.2. Abgesehen davon, daß sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit diesem Entlastungsversuch des Beschwerdeführers auseinandergesetzt hat, pflichtet der Gerichtshof der in diesem Zusammenhang von der Behörde vertretenen Auffassung bei, daß dem Beschwerdeführer angesichts des eindeutigen Wortlautes des § 3 Abs. 2 ARG jedenfalls Zweifel hätten kommen müssen, ob die von ihm ins Auge gefaßte Schaffung einer gesonderten vertraglichen Grundlage (außerhalb des schon bestehenden Arbeitsverhältnisses) für die Durchführung von Inventurarbeiten nach Beginn der gesetzlich vorgesehenen Wochenendruhe aus dem Blickwinkel der genannten, dem Schutz der Arbeitnehmer dienenden arbeitsruhegesetzlichen Norm einen rechtlich einwandfreien Weg darstelle. Von daher gesehen wäre es dem Beschwerdeführer oblegen, diese Zweifel durch Einholung einer Rechtauskunft bei der zuständigen Behörde oder einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung berechtigten Person oder der in Betracht kommenden gesetzlichen beruflichen Interessenvertretung auszuräumen. Da er dies nicht getan hat, vermag er sich nicht mit Erfolg auf das Vorliegen eines Rechtsirrtums (§ 5 Abs. 2 VStG) zu berufen. Die belangte Behörde hat demnach zu Recht keinen besonderen Milderungsgrund gemäß § 34 Z. 12 StGB (iVm § 19 Abs. 2 VStG) angenommen.

3.1. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zum Ausdruck gebracht habe, der einzige Nachteil der ihm angelasteten Übertretungen liege darin, die ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag falle, nicht eingehalten zu haben. In dieser Hinsicht sei der Sachverhalt jedoch ergänzungsbedürftig geblieben, da nicht ermittelt worden sei, wann die einzelnen Arbeitnehmer ihre Tätigkeit nach den um

16.15 Uhr beendeten Inventurarbeiten wieder aufgenommen hätten.

3.2. Im Rahmen der die Strafbemessung betreffenden Bescheidbegründung hat die belangte Behörde das "Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung bzw. Gefährdung der Interessen, deren Schutz der § 3 des Arbeitsruhegesetzes dient, nämlich dem Schutz der Gesundheit der Arbeitnehmer durch Gewährleistung einer ununterbrochenen Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag fällt", als nicht geringfügig gewertet.

Die Heranziehung dieses objektiven Strafzumessungskriteriums (vgl. § 19 Abs. 1 VStG) war der belangten Behörde verwehrt. Weder dem angefochtenen Bescheid noch den Akten ist ein Anhaltspunkt dafür zu entnehmen, daß die am 31. März 1990 zu den besagten Inventurarbeiten bis 16.15 Uhr in Anspruch genommenen Arbeitnehmer keine "ununterbrochene Ruhezeit von 36 Stunden, in die der Sonntag zu fallen hat" (§ 3 Abs. 1 ARG), gehabt hätten. Konsequenterweise wurde dem Beschwerdeführer spruchmäßig auch nicht ein Verstoß gegen § 3 Abs. 1, sondern ausschließlich gegen § 3 Abs. 2 ARG angelastet.

3.3. Der Hinweis der belangten Behörde in ihrer Gegenschrift, daß durch einen Übertragungsfehler der Satzteil

"... und spätestens um 15 Uhr zu beginnen hat ..." nicht in die

Begründung der Strafbemessung aufgenommen worden sei, ändert an dieser Beurteilung nichts. Ungeachtet dessen, daß aus den Akten ein diesbezüglicher "Übertragungsfehler" nicht ersichtlich ist, würde selbst das Vorliegen eines solchen für den Standpunkt der belangten Behörde nichts bringen. Denn eine Einfügung der vorzitierten Wortfolge würde dazu führen (arg.: "und"), daß dann die Gesundheitsschädigung bzw. -gefährdung der Arbeitnehmer durch Nichtgewährung der Wochenendruhe in dem im § 3 Abs. 1 ARG bezeichneten Ausmaß jedenfalls AUCH (zusätzlich) als Strafzumessungskriterium herangezogen worden wäre.

4. Nach dem Gesagten war der bekämpfte Bescheid im Umfang des Strafausspruches einschließlich des (in untrennbarem Zusammenhang mit diesem stehenden) Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Erschwerende und mildernde Umstände Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180047.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2013
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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