TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/13 92/07/0091

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Veröffentlicht am 13.10.1992
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
81/01 Wasserrechtsgesetz;

Norm

AVG §37;
AVG §45 Abs3;
AVG §52;
AVG §60;
WRG 1959 §100;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;
WRG 1959 §99 Abs1 litc;
WRG 1959 §99 Abs1 litd idF 1990/252;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Salcher und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Kratschmer, Dr. Hargassner und Dr. Bumberger, im Beisein der Schriftführerin Mag. Aumayr, über die Beschwerde des E in P, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 10. März 1992, Zl. Wa - 100161/10 - 1991, betreffend wasserpolizeilichen Auftrag, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 17. Juli 1991 erteilte die Bezirkshauptmannschaft (BH) dem Beschwerdeführer gemäß den §§ 32, 98 und 138 Abs. 1 WRG 1959 in der Fassung der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990, BGBl. Nr. 252 (im folgenden: WRG 1959) den Auftrag, das Aufbringen von Abwässern aus seinem Fleischhauereibetrieb in der Gemeinde P. auf landwirtschaftliche Nutzflächen umgehend einzustellen.

Der gegen diesen wasserpolizeilichen Auftrag erhobenen Berufung gab die belangte Behörde unter gleichzeitiger Festsetzung einer kalendermäßig bestimmten Erfüllungsfrist mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge und führte begründend aus: Bei mehreren Besichtigungen an Ort und Stelle sei von den Amtssachverständigen festgestellt worden, daß der Betrieb des Beschwerdeführers über Vorreinigungs- und Rückhaltemaßnahmen für Grobstoffe, Stechblut und Fett im Schlachtbetrieb nicht verfüge. Diese Inhaltsstoffe gelangten in eine Senkgrube (für die keine Dichtheitsatteste vorlägen) und würden von dort auf landwirtschaftliche Flächen aufgebracht. Am 2. August 1990 sei im Zuge eines Lokalaugenscheins festgestellt worden, daß auf einer am Vortag gedüngten Wiesenfläche "jede Menge von Borstenresten, Darminhaltsresten, Blutkoageln, Organteilresten (abgerissene Stücke von Leber und Lunge) vorhanden waren bzw. eine austrocknende, stinkende, faulig riechende Kruste gegeben" gewesen sei. Die einzelnen Amtssachverständigen hätten hiezu Nachstehendes ausgeführt:

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Der Amtssachverständige für ABWASSERTECHNIK habe festgestellt, im gegenständlichen Bereich würden durchschnittlich 120 bis 180 Rinder, 10 bis 20 Kälber und 60 bis 120 Schweine pro Monat geschlachtet, wobei die maximal täglichen Schlachtzahlen bei 35 Rindern bzw. 46 Schweinen lägen. Zusätzlich würden noch angekaufte, geschlachtete Tiere weiter zerlegt. Die dabei anfallenden betrieblichen Abwässer würden in Senkgruben geleitet und im ca. 14 Hektar großen landwirtschaftlichen Betrieb der Ehegattin des Beschwerdeführers entsorgt. Mangels innerbetrieblicher Vorreinigungs- und Rückhaltemaßnahmen für Grobstoffe, Stechblut und Fett würden auch diese Stoffe auf die landwirtschaftlichen Flächen aufgebracht. Aus abwassertechnischer Sicht sei diese Art der Abwasserbeseitigung insbesondere im Hinblick auf die hohe bakterielle Belastung und den Gehalt an chemischen Stoffen (Reinigungs- und Desinfektionsmittel) sehr bedenklich.

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Der Amtssachverständige für BIOLOGIE habe ausgeführt, die einzelnen Grundstücke würden mindestens zehnmal pro Jahr mit Abwässern aus dem Schlachtbetrieb gedüngt; das ausgebrachte Räumgut sei noch nicht ausgefault und auf einer jüngst gedüngten Fläche seien auch Blutkrusten und Fleischreste gefunden worden. Diese Art der Entsorgungspraxis stelle eine unmittelbare Gefährdung bzw. Beeinträchtigung für das Grund- bzw. Oberflächenwasser deshalb dar, weil faulfähige Substanzen im Grundwasser zu reduzierenden Verhältnissen und damit zur Remobilisation von Schwermetallen führten und Bakterien und verschiedenste andere Krankheitserreger das Grundwasser als Trinkwasser unbrauchbar machen könnten. Aufgrund der Häufigkeit der Ausbringung könne nicht der Düngeeffekt im Vordergrund stehen, sondern sei dies als eine billige Art der Abwasserentsorgung anzusehen und diese aus der Sicht des Gewässerschutzes ehestens einzustellen.

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Der Amtssachverständige für HYGIENE habe ausgeführt, die derzeit geübte "Abwasserbeseitigung" des Betriebes stelle einen groben hygienischen Mißstand dar, wobei die vom Beschwerdeführer angegebene Ausbringung der Abwässer als Düngung nicht als solche anzusehen sei. Eine derartige Abwasserbeseitigung sei deshalb nicht vertretbar, weil derartige Abwässer eine Gefährdung des Grundwassers durch chemische Stoffe und deren Bakteriengehalt darstellten.

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Auch der Amtssachverständige für CHEMIE habe diese Art der Abwasserbeseitigung aus der Sicht des Gewässerschutzes abgelehnt.

Ergänzend wies die belangte Behörde auf ein bereits früher im Zuge von Strafverfahren eingeholtes Gutachten eines Amtssachverständigen für Geologie hin, wonach die im Ablagerungsbereich vorhandenen Bodenschichten ein Versickern von Oberflächenwässern erlauben, sodaß mit Sicherheit anzunehmen sei, daß ein Teil der Abwässer des gegenständlichen Schlachtbetriebes in den Boden versickere und eine qualitative Beeinträchtigung des Grundwassers gegeben sei.

Die vorliegende Abwasserbeseitigung sei aufgrund dieses Sachverhaltes, insbesondere in Würdigung der unwiderlegt gebliebenen Gutachten der Amtssachverständigen, aus der Sicht der belangten Behörde mit den Bestimmungen des Wasserrechtsgesetzes nicht vereinbar, weshalb der wasserpolizeiliche Auftrag hätte erteilt werden müssen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht, daß ihm ein wasserpolizeilicher Auftrag nicht erteilt werde, verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 138 Abs. 1 lit. a WRG 1959 ist unabhängig von Bestrafung und Schadenersatzpflicht derjenige, der die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes übertreten hat, wenn das öffentliche Interesse es erfordert oder der Betroffene es verlangt, von der Wasserrechtsbehörde zu verhalten, auf seine Kosten eigenmächtig vorgenommene Neuerungen zu beseitigen oder die unterlassenen Arbeiten nachzuholen.

Gemäß § 30 Abs. 2 WRG 1959 wird unter Reinhaltung der Gewässer die Erhaltung der natürlichen Beschaffenheit des Wassers in physikalischer, chemischer und biologischer Hinsicht (Wassergüte), unter Verunreinigung jede Beeinträchtigung dieser Beschaffenheit und jede Minderung des Selbstreinigungsvermögens verstanden. Unter Schutz der Gewässer wird nach Abs. 3 dieses Paragraphen die Erhaltung der natürlichen Beschaffenheit des Gewässers und der für die ökologische Funktionsfähigkeit des Gewässers maßgeblichen Uferbereiche sowie der Schutz des Grundwassers verstanden.

Nach § 32 Abs. 1 erster Satz leg. cit. sind Einwirkungen auf Gewässer, die unmittelbar oder mittelbar deren Beschaffenheit (§ 30 Abs. 2) beeinträchtigen, nur nach wasserrechtlicher Bewilligung zulässig. Nach Abs. 2 lit. c desselben Paragraphen bedürfen der Bewilligung im Sinne des Absatzes 1 Maßnahmen, die zur Folge haben, daß durch Eindringen (Versickern) von Stoffen in den Boden das Grundwasser verunreinigt wird.

Voraussetzung für ein Einschreiten nach § 138 in Verbindung mit § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 ist nicht, daß bereits eine Grundwasserverunreinigung durch die eigenmächtig vorgenommenen Neuerungen eingetreten ist. Die Bewilligungspflicht ist vielmehr immer schon dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit der Gewässer zu rechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. März 1985, Zl. 84/07/0393, 0394, m.w.N.).

Daß angesichts der dargestellten Häufigkeit sowie der quantitativen und qualitiven Intensität der Ausbringung der keiner innerbetrieblichen Vorreinigungs- und Rückhaltemaßnahmen unterworfenen Schlachtabwässer diese Voraussetzungen zutreffen, ist von den im Verwaltungsverfahren beigezogenen Amtssachverständigen festgestellt worden. Die bereits in der Berufung erhobene und in der Beschwerde wiederholte Behauptung, daß es bisher zu keiner Verunreinigung des Grundwassers gekommen sei, ist daher ebenso irrelevant wie der Hinweis auf die seit Jahrzehnten bestehende bau- und gewerberechtliche Genehmigung des Fleischhauerbetriebes. Die Verfahrensrüge, wonach sich die belangte Behörde mit diesen Vorbringen nicht näher auseinander gesetzt habe, muß daher im Lichte der dargestellten Judikatur erfolglos bleiben.

Ist demnach das Ausbringen derartiger wassergefährdender Stoffe nach § 32 Abs. 2 lit. c WRG 1959 bewilligungspflichtig, stellt sie ohne Vorliegen einer wasserrechtlichen Bewilligung eine eigenmächtige Neuerung im Sinne des § 138 Abs. 1 WRG 1959 dar. Die Behörde war daher berechtigt, aus dem Titel der Wahrung des öffentlichen Interesses an der Reinhaltung des Grundwassers einen Auftrag des Inhaltes zu erteilen, daß das Aufbringen von Abwässern aus dem Fleischhauereibetrieb auf landwirtschaftliche Nutzflächen umgehend einzustellen sei. Zum Einwand des Beschwerdeführers, ihm sei das im angefochtenen Bescheid angeführte geologische Gutachten nicht vorher in Wahrung des Parteiengehörs zur Stellungnahme übermittelt worden, ist festzuhalten, daß sich die belangte Behörde auf die schlüssigen und einander ergänzenden Ausführungen der Amtssachverständigen für Abwassertechnik, Biologie, Hygiene und Chemie gestützt hat. Der Beschwerdeführer wurde dadurch, daß ihm das im angefochtenen Bescheid erwähnte geologische Gutachten nicht zur Stellungnahme übermittelt worden ist, deswegen nicht in seinen Rechten verletzt, da in diesem Gutachten einerseits keine den anderen vier vorliegenden Gutachten widersprechende Aussagen getroffen wurden und daher dieses geologische Gutachten im Ergebnis für den Ausgang des Verfahrens nicht mehr entscheidend war, weil es kein tragender Begründungsbestandteil gewesen ist. Andererseits widersprach es auch nicht dem vom Verwaltungsgerichtshof herausgearbeiteten Grundsatz, daß eine Bewilligungspflicht vorlag, weil nach dem natürlichen Verlauf der Dinge mit nachteiligen Einwirkungen auf die Beschaffenheit des Grundwassers zu rechnen war.

Zum Beschwerdevorbringen, wonach die Aufbringung der Abwässer als übliche land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung im Sinn des § 32 Abs. 1 WRG 1959 anzusehen sei, ist festzuhalten, daß diese erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung schon deshalb irrelevant ist, weil die Wasserrechts-Novelle 1990 nicht wie bisher auf die übliche, sondern auf die ordnungsgemäße land- und forstwirtschaftliche Bodennutzung abstellt. Als ordnungsgemäß gilt eine solche Bodennutzung, wenn sie unter Einhaltung der bezughabenden Rechtsvorschriften in Berücksichtigung der Standortgegebenheiten, insbesondere betreffend Chemikalien, Pflanzenschutz- und Düngemittel, Klärschlamm, Bodenschutz und Waldbehandlung, sowie besonderer wasserrechtlicher Anordnungen erfolgt (vgl. § 32 Abs. 8 leg. cit.). Daß die gegenständliche Aufbringung der Schlachtabwässer diese Kriterien nicht erfüllt, geht aus den Gutachten der Amtssachverständigen hervor, weshalb sich ein weiteres Eingehen hierauf erübrigt.

Auch der Hinweis auf die in der Allgemeinen Abwasseremissionsverordnung BGBl. Nr. 179/1991 sowie der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft über die Begrenzung von Abwasseremissionen aus Schlachtbetrieben und fleischverarbeitenden Betrieben BGBl. Nr. 182/1991 enthaltenen Übergangsfristen für Schlachtbetriebe ist verfehlt, regeln diese Verordnungen doch die Einleitung von Abwässern und Abwasserinhaltsstoffen in Fließgewässer oder in öffentliche Kanalisationen (vgl. § 2 der Verordnung BGBl. Nr. 179/1991 sowie § 1 der Verordnung BGBl. Nr. 182/1991), sohin nicht die Begrenzung von Einwirkungen derartiger Abwässer und Abwasserinhaltsstoffen auf das Grundwasser.

Die belangte Behörde ist daher nicht rechtswidrig vorgegangen, wenn sie diese ausführlich und schlüssig begründeten Ausführungen der Sachverständigen ihrer Entscheidung zugrundegelegt hat.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aber aus nachstehendem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet:

Bereits in der das verwaltungsgerichtliche Vorverfahren einleitenden hg. Verfügung vom 5. Juni 1992, Zl. 92/07/0091-4, wurden die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ersucht, zur sachlichen Zuständigkeit der in erster Instanz eingeschrittenen Behörde Stellung zu nehmen. Im weiteren Verfahren ist eine derartige Äußerung unterblieben. Gemäß § 99 Abs. 1 lit. d WRG 1959 ist für Einwirkungen auf die Beschaffenheit von Gewässern, die nicht allein aus Haushaltungen, kleingewerblichen Betrieben oder aus der Land- und Forstwirtschaft stammen, sowie für die Beseitigung von Abwässern von mehr als 1000 Einwohnern der Landeshauptmann zuständig, sofern nicht § 100 leg. cit. Anwendung findet.

Unter kleingewerblichen Betrieben sind nach dieser Gesetzesstelle nur Betriebe der untersten wirtschaftlichen Rangstufe zu verstehen (vgl. hg. Erkenntnis 17. Mai 1990, Zl. 90/07/0005). Legt man die von der hg. Rechtsprechung zu § 99 Abs. 1 lit. d (vor der Wasserrechtsgesetz-Novelle 1990 § 99 Abs. 1 lit. c) entwickelten Kriterien (vgl. Nachweise im hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1992, Zl. 88/07/0129) zugrunde, so handelt es sich beim vorliegenden Betrieb keineswegs um einen derartigen kleingewerblichen und daher unter die Zuständigkeit der Bezirksverwaltungsbehörde fallenden Betrieb. Daraus folgt, daß für die gegenständlichen Einwirkungen aus dem vorliegenden Betrieb auf das Grundwasser die Zuständigkeit des Landeshauptmannes in erster Instanz gegeben ist. Die BH war daher im vorliegenden Fall zur Erlassung des wasserpolizeilichen Auftrages nicht zuständig. Die belangte Behörde hätte daher den mit Berufung angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG aufheben müssen. Dadurch, daß sie aber über die Berufung meritorisch entschieden hat, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Da bereits in der Sache selbst eine Entscheidung getroffen worden ist, erübrigte sich ein gesonderter Abspruch über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft zur Rechtsverfolgung nicht erforderliche Stempelgebühren.

Schlagworte

Gutachten Parteiengehör Parteieneinwendungen Parteiengehör Sachverständigengutachten Parteiengehör Verletzung des Parteiengehörs Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992070091.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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