TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/14 92/01/0394

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Veröffentlicht am 14.10.1992
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grossmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des A in L, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 9. März 1992, Zl. 4.306.832/2-III/13/91, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste am 9. Dezember 1990 in das Bundesgebiet ein und stellte am folgenden Tag einen Asylantrag. Bei der niederschriftlichen Befragung am 23. Dezember 1990 gab er im wesentlichen an, in den Jahren 1980 und 1981 für die oppositionelle Partei der Mudjahedin Zeitschriften verkauft zu haben. Dies sei von den Behörden toleriert worden; er habe diesbezüglich nie Probleme gehabt. Im Jahr 1986 habe er als Fotograf gearbeitet. Er habe Fotos von einem Krankenhaus gemacht, auf das ein Bombenanschlag verübt worden sei. Dabei sei er festgenommen worden; das Revolutionskomitee habe ihm vorgeworfen, Fotos für die ausländische Presse und für oppositionelle Gruppen zu machen. Er sei drei Tage und zwei Nächte festgehalten worden. Während des Verhörs seien ihm die Augen verbunden und er mehrmals ins Gesicht geschlagen worden. Durch die Beziehungen eines Freundes seines Vaters, dessen Namen ihm nicht bekannt sei, sei er freigelassen worden. Dieser Mann habe seither seine Familie erpreßt. Wegen des Krieges gegen den Irak habe er seinen Mitlitärdienst nicht leisten wollen und einen Schülerausweis gefälscht, um damit bei Kontrollen der Revolutionswächter zu beweisen, daß er noch Schüler und daher nicht stellungspflichtig sei. Weil er Angst gehabt habe, daß er dennoch zum Militär müsse, und aufgrund der Schwierigkeiten mit der Erpressung habe er beschlossen, sein Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom 18. Februar 1991 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer unter anderem geltend, wegen des Verkaufes von Zeitschriften für die Mudjahedin sei er mehrmals von den Leuten der Hisbollah angegriffen worden. Verwandte und Freunde seien aus politischen Gründen verhaftet und hingerichtet worden. Er sei immer wieder von Revolutionswächtern aufgesucht und interviewt worden. Er hätte keine Chance auf Arbeit in Staatsbetrieben oder beim Studium gehabt. Er sei aus dem Iran geflohen, weil er Angst gehabt habe, auch im Gefängnis bei Folter und "eventuell Tod" zu landen. Er habe kein Leben in Freiheit und Frieden führen können. Ständige Bespitzelung und Verfolgung der Revolutionswächter hätten das Leben zu Hause unerträglich gemacht.

Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und stellte fest, daß dieser nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes sei. Nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage vertrat die belangte Behörde die Auffassung, im Hinblick auf die - im einzelnen angeführten - Widersprüche zwischen dem Vorbringen des Beschwerdeführers in erster Instanz und seinen Berufungsbehauptungen käme den letzteren keine Glaubwürdigkeit zu. Der Beschwerdeführer habe keine Fluchtgründe glaubhaft gemacht. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht stellten als solche keine politische Verfolgung dar. Dies treffe auch auf die Verweigerung der Aufnahme an einer Universität und den Ausschluß von bestimmten beruflichen Positionen zu; Beeinträchtigungen der beruflichen Betätigung könnten nur asylbegründend wirken, wenn die wirtschaftliche Existenz bedroht sei. Die politische Tätigkeit von Verwandten und Freunden des Beschwerdeführers könne in dessen Asylverfahren nicht berücksichtigt werden; eine gemeinsame politische Tätigkeit mit diesen Personen habe der Beschwerdeführer nie behauptet. Allfällige staatliche Ermittlungstätigkeiten wegen der Verfälschung seines Schülerausweises, die der Beschwerdeführer zwar nicht behauptet, aber als möglich in den Raum gestellt habe, könnten nicht zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft führen, weil eine derartige staatliche Tätigkeit nicht aus den in der Genfer Konvention genannten Gründen erfolge.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, die belangte Behörde habe es unterlassen, sein rechtlich bedeutsames Vorbringen in der Begründung des angefochtenen Bescheides näher zu erörtern. Offenbar in diesem Zusammenhang bringt er zunächst vor, das Regime in Teheran habe anfangs die oppositionelle Gruppe der Mudjahedin anerkannt, in der Folge jedoch mit Gewalt unterdrückt. Jeder, der in Verdacht geraten sei, mit den Mudjahedin zu sympathisieren, sei ständigen Überwachungen, insbesondere durch die islamischen Garden, unterlegen.

Diese Darlegungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Der Beschwerdeführer hat in erster Instanz vorgebracht, seine Kontakte mit den Mudjahedin seien von den Behörden toleriert worden; er habe deshalb niemals Probleme gehabt. Davon ausgehend hat die belangte Behörde - aufgrund einer vom Beschwerdeführer nicht bekämpften und nach der Aktenlage nicht als mangelhaft anzusehenden Beweiswürdigung - die - im übrigen auf einen Sachverhalt, der sich in den Jahren 1980 und 1981 und somit nicht in zeitlicher Nähe zur Ausreise ereignet hat, bezogene - Berufungsbehauptung des Beschwerdeführers, er sei wegen des Verkaufes von Zeitungen der Mudjahedin mehrmals von den Leuten der Hisbollah "angegriffen" worden, als unglaubwürdig angesehen und somit ihren Sachverhaltsfeststellungen nicht zugrundegelegt. Schon aus diesem Grund sind die oben wiedergegebenen Beschwerdeausführungen nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erweisen. Dazu kommt, daß es sich bei diesen Beschwerdeausführungen um allgemeine Darlegungen handelt, die keinen konkreten Bezug zur persönlichen Situation des Beschwerdeführers erkennen lassen. Sie bieten somit keinen Hinweis auf eine individuell gegen den Beschwerdeführer gerichtete Verfolgung aus Konventionsgründen bzw. für eine dem angefochtenen Bescheid in diesem Zusammenhang anhaftende Rechtswidrigkeit.

Der Beschwerdeführer macht weiters - ebenfalls unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels - geltend, es sei eine "vaterländische Pflicht" gewesen, in dem vom Regime in Teheran als heilig ausgerufenen Krieg gegen den Irak mitzukämpfen und als Märtyrer zu sterben. Die Militärführung habe Soldaten in den Kampf geschickt, die schlecht oder gar nicht ausgebildet gewesen seien und die lediglich dazu gedient hätten, riesige Minenfelder bei Einsatz ihres Lebens zu räumen. Diesem Schicksal habe er durch Fälschung des Schülerausweises entgehen wollen. Gegen Personen, die desertiert seien oder sich dem Militärdienst durch Fälschungen entzogen hätten, würden Todesstrafen verhängt. Dem Beschwerdeführer sei daher jede Rückkehr in sein Heimatland verwehrt.

Diesen Darlegungen ist - ebenso wie den Angaben des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren über seine "Flucht" vor dem Militärdienst und die Fälschung eines Schülerausweises - weder ein Hinweis darauf zu entnehmen, daß die "Flucht" des Beschwerdeführers vor dem Militärdienst bzw. eine deshalb zu befürchtende Verfolgung mit den in Art. I Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung) in Zusammenhang gestanden wäre, noch ein Anhaltspunkt dafür, daß den Behörden des Heimatstaates überhaupt bekannt geworden wäre, daß der Beschwerdeführer sich dem Militärdienst "durch Fälschungen entzogen" habe und ihm aus diesem Grund Verfolgung drohe. Im übrigen ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinzuweisen, wonach die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden - unter Umständen auch strengen - Bestrafung keinen Grund für die Anerkennung als Flüchtling darstellt (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. April 1992, Zl. 92/01/0243, vom 6. Mai 1992, Zl. 92/01/0408, und vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0096). Auch die zuletzt erwähnten Darlegungen der Beschwerde zeigen somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992010394.X00

Im RIS seit

14.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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