TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/22 92/18/0362

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Veröffentlicht am 22.10.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §86 Abs9;
AAV §87 Abs1;
VStG §5 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Sauberer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Wildmann, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Juni 1992, Zl. MA 63-R 52/91/Str, betreffend Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in Ansehung des Schuld-, Straf- und Kostenausspruches hinsichtlich der Übertretung des § 87 Abs. 1 AAV wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben; im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretungen 1. des § 86 Abs. 9 AAV und 2. des § 87 Abs. 1 leg. cit. bestraft, weil er es als für eine näher bezeichnete Filiale einer bestimmten Aktiengesellschaft bestellter verantwortlicher Beauftragter im Sinne des § 9 Abs. 2 VStG zu verantworten habe, daß am 11. Juni 1990 in der genannten Filiale

"1) in den im Kellerbereich gelegenen Umkleideräumen keine Sitzgelegenheit vorhanden war und

2) für den Aufenthalt während der Arbeitspausen kein entsprechend großer Raum zum Einnehmen der Mahlzeiten zur Verfügung gestellt wurde, da der vorhandene Raum aufgrund der erheblichen Lagerungen verschiedenster Verkaufsartikel und durch die Zweckentfremdung als Büro nicht als Aufenthaltsraum verwendbar ist, obwohl in dieser Filiale regelmäßig mehr als 12 (nämlich 14) Arbeitnehmer beschäftigt werden."

Über die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

1. Zur Übertretung des § 86 Abs. 9 AAV:

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes dieser Verwaltungsübertretung. Hiebei handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, bei dem der Täter glaubhaft zu machen hat, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Eine derartige Glaubhaftmachung hätte - sachverhaltsbezogen - der Dartuung bedurft, daß der Beschwerdeführer alle Maßnahmen getroffen hat, die unter den gegebenen Voraussetzungen mit gutem Grund die Einhaltung der angeführten Vorschrift erwarten ließen. Dem hat der Beschwerdeführer nicht entsprochen, steht er doch auf dem Standpunkt, daß es ihm während der Geschäftszeiten auf Grund der Fülle seiner sonstigen Agenden unmöglich gewesen sei, die Einhaltung der Bestimmung des § 86 Abs. 9 AAV zu überwachen. Diese Verantwortung vermag ihn nicht zu entlasten, zumal daraus nicht einmal die jedenfalls zumutbare Erteilung entsprechender Anweisungen zur Einhaltung der genannten Vorschrift an die Dienstnehmer, geschweige denn die Einrichtung eines wirksamen Kontrollsystems, hervorgeht.

In Ansehung der Übertretung des § 86 Abs. 9 AAV war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

2. Zur Übertretung des § 87 Abs. 1 AAV:

Dem Spruch des Straferkenntnisses zufolge wird dem Beschwerdeführer ein Verstoß gegen den zweiten Satz der angeführten Norm vorgeworfen. Danach müssen in Betrieben, in denen regelmäßig mehr als 12 Arbeitnehmer tätig sind, für den Aufenthalt während der Arbeitspausen geeignete und entsprechend eingerichtete Räume zur Verfügung stehen, die leicht erreichbar sein müssen.

Zu Recht ging die belangte Behörde davon aus, daß diese Bestimmung auf die Gesamtzahl der regelmäßig im Betrieb tätigen Arbeitnehmer und nicht auf die Zahl der gleichzeitig anwesenden Arbeitnehmer abgestellt ist. Gegen diese Auslegung spricht auch nicht die vom Beschwerdeführer zitierte Anmerkung 4 zu § 87 AAV in Felix-Merkl-Vogt, AAV3, wonach Arbeitnehmer, die sich überwiegend nicht in der Arbeitsstätte aufhalten, z.B. Vertreter, Monteure, Kraftfahrzeuglenker, Mitfahrer uä, bei der Feststellung der Zahl der Arbeitnehme außer Betracht blieben, hingegen auch in einem Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer anderer Arbeitgeber bei der Feststellung der Zahl zu berücksichtigen seien. Die vom Beschwerdeführer vertretene Meinung, daß es auf die "regelmäßig höchste mögliche Anwesendenzahl" ankäme, findet weder im Wortlaut noch im Sinn der Vorschrift eine Stütze (vgl. auch das zum § 56 Abs. 1 Allgemeine Dienstnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr. 265/1951, ergangene hg. Erkenntnis vom 8. September 1964, Slg. Nr. 6414/A).

Berechtigt ist die Beschwerde hingegen, soweit sie die Feststellung der belangten Behörde bekämpft, daß der als Aufenthaltsraum vorgesehene Raum "zur Tatzeit zur Lagerung von Verkaufsartikeln verwendet wurde und als Büro eingerichtet war". Der Beschwerdeführer hat im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht, daß sich in dem rund 30 m2 großen Aufenthaltsraum an einer der Schmalseiten ein Schreibtisch und ein Sessel, an einer der Längsseiten eine Kochgelegenheit und eine Abwasch sowie in der Mitte ein Tisch mit 4 Sesseln befunden hätten. Diesen Tisch habe eine Bedienstete im Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor - außerhalb der Pausenzeiten - zum Sortieren von Belegen verwendet. Ferner sei im Zeitpunkt der Kontrolle durch den Arbeitsinspektor vorübergehend eine Kiste mit Tiernahrungsmitteln im Raum abgestellt gewesen. Mit diesem mit der Tatumschreibung im Spruch des Straferkenntnisses in Widerspruch stehenden Vorbringen hat sich die belangte Behörde im Verwaltungsstrafverfahren nicht auseinandergesetzt. Insbesondere hat sie nicht dargelegt, aus welchen Gründen - sollte das zitierte Vorbringen des Beschwerdenführers zutreffen - der erwähnte Aufenthaltsraum nicht die Eignung im Sinne des § 87 Abs. 1 zweiter Satz AAV aufweisen sollte; dadurch hat sie ihre Begründungspflicht verletzt und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf den Ersatz von nicht erforderlichen Stempelgebühren gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992180362.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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