TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/22 92/06/0143

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Veröffentlicht am 22.10.1992
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Index

L80008 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Vorarlberg;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauRallg;
RPG Vlbg 1973 §20;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Unterer, über die Beschwerde des P in G, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in F, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. März 1992, Zl. VIIa-410.73, betreffend Nichtigerklärung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: Gemeinde G, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. Oktober 1989 wurde dem Beschwerdeführer die Baubewilligung für die Vornahme von Umbauarbeiten im Maisäßgebäude auf der GP 45/11, KG G, versagt. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Beschwerdeführers gab die Gemeindevertretung mit Bescheid vom 5. März 1991 Folge und erteilte die Baubewilligung unter Vorschreibung einiger Auflagen. Die Bezirkshauptmannschaft hat als Gemeindeaufsichtsbehörde mit Bescheid vom 31. Mai 1991 den Bescheid der Gemeindevertretung gemäß § 85 Abs. 1 lit. d des Gemeindegesetzes aufgehoben. Die dagegen eingebrachte Berufung wurde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 10. März 1992 abgewiesen. Der Begründung ihres Bescheides zufolge ging die belangte Behörde davon aus, daß die GP 45/11 der KG G im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde als Freifläche-Landwirtschaftgebiet ausgewiesen sei und der Berufungswerber in den Jahren 1983 bis 1985 an seinem Maisäßgebäude verschiedene Umbauarbeiten durchgeführt habe. Im Erdgeschoß des Maisäßgebäudes hätten sich ursprünglich ein Stall sowie Kellerräume und an der Südostecke ein fensterloser Aufenthaltsraum im Ausmaß von ca. 4 m x 4 m befunden. Anstelle einer offenen Feuerstelle in diesem Aufenthaltsraum sei dort ein Herd installiert sowie ein Kamin eingezogen worden. Überdies sei neben einer (nach Süden führenden) Türe ein Fenster ausgebrochen und neben dem Aufenthaltsraum ein Waschbecken und eine Dusche sowie ein WC-Raum installiert worden. Vom ehemaligen Kellerraum führe eine neuerrichtete Holzstiege in das Obergeschoß. Im Obergeschoß befinde sich nunmehr anstelle des früheren Schlaf- und Lagerraumes ein Doppelbettzimmer, an der Nordostecke ein Einbettzimmer. Die Außenwände im Obergeschoß seien durch eine innenliegende Schalung und Isolation geschlossen worden, an den Innenwänden im Obergeschoß sowie teilweise auch im Untergeschoß seien Holztäfelungen angebracht. Weiters seien noch an der Ostseite zwei Fenster eingebaut worden. Die Hälfte des Erdgeschoßes werde als Stall, die Hälfte des Obergeschoßes als Heulager benützt. Ein von der belangten Behörde zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens herangezogener landwirtschaftlicher Sachverständige habe in seinem Gutachten vom 20. November 1991 ausgeführt, daß der Wirtschaftsteil, obwohl das Gebäude für eine landwirtschaftliche Nutzung im Sommer 1991 kaum genützt worden sei, für eine landwirtschaftliche Verwendung zur Verfügung stehen sollte. Im Hinblick auf die gute Verkehrserschließung der Fläche und deren geringes Ausmaß (etwa 70 a) sei jedoch der Ausbau des Wohnungsteiles aus landwirtschaftlicher Sicht nicht notwendig. Dies zeige sich schon daran, daß der derzeitige Pächter den Wohnteil des Anwesens nicht nutze, dieser sei an ein deutsches Ehepaar vermietet. Nach Darstellung der ihrer Ansicht nach anzuwendenden Rechtsvorschriften (u.a. § 16 Abs. 3 ROG in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1988) vertrat die belangte Behörde die Rechtsauffassung, daß der Raumplanungsgesetzgeber in § 20 Abs. 2 RPG Verstöße gegen Flächenwidmungspläne in Bescheiden ausdrücklich mit Nichtigkeitsandrohung sanktioniert und dementsprechend der Durchsetzung der Flächenwidmung wegen ihres grundlegenden raumordnungspolitischen Charakters besondere Bedeutung zugemessen habe. Mit der vom Gesetzgeber normierten Nutzung der als Freifläche-Landwirtschaftsgebiet gewidmeten Fläche für land- und forstwirtschaftliche Zwecke, die unter dem Gesichtspunkt der "Notwendigkeit" die Errichtung von Wohngebäuden nur ausnahmsweise zulasse, solle eine Verbauung zum Zwecke einer land- und forstwirtschaftsfremden Nutzung - etwa der als Ferienwohnhaus - ausgeschlossen werden. Die vorliegende Baubewilligung würde aber im Hinblick auf die geschilderten Umstände gerade dieser Zielvorstellung widersprechen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 20 des Vorarlberger Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 15/1973 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 61/1988 (RPG) dürfen Bescheide auf Grund von Landesgesetzen, soweit sich auf Grund des betreffenden Landesgesetzes nichts anderes ergibt, dem Flächenwidmungsplan nicht widersprechen (Abs. 1). Entgegen der Bestimmung des Abs. 1 erlassene Bescheide sind mit Nichtigkeit bedroht (Abs. 2). Gemäß § 85 Abs. 1 lit. d des Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 40/1985, können rechtskräftige Bescheide der Gemeinde von der Aufsichtsbehörde aufgehoben werden, wenn der Bescheid an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung sind rechtskräftige Bescheide der Gemeinde, die ein Gesetz oder eine Verordnung verletzen und aus denen einem Dritten kein Recht erwachsen ist, von der Aufsichtsbehörde aufzuheben, wenn dies im öffentlichen Interesse gelegen ist.

Schon aus der Gegenüberstellung der Bestimmung des § 85 Abs. 1 des Gemeindegesetzes zu jener des Abs. 3 geht hervor, daß die Aufhebung nach Abs. 1 im Ermessen der Aufsichtsbehörde liegt, hingegen Abs. 3 der Behörde keinen Ermessensspielraum läßt. Wie bei jeder Ermessensentscheidung ist zunächst zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Ermessens vorliegen, erst bei Vorliegen dieser Voraussetzungen kann die Behörde ihr Ermessen ausüben, wobei nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Verwaltungsbehörde auch die Ermessensentscheidung hinreichend zu begründen hat (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 11. Juni 1969, Zl. 1067/68, vom 9. Oktober 1973, Zlen. 1169, 1170/73, vom 12. Dezember 1991, Zl. 91/06/0167, u.a.), und zwar in einem Ausmaß, das es der Partei ermöglicht, ihre Rechte auch vor dem Verwaltungsgerichtshof zweckmäßig zu verfolgen und das dementsprechend den Verwaltungsgerichtshof in die Lage versetzt zu prüfen, ob die Behörde von ihrem Ermessen tatsächlich im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat.

Die Aufsichtsbehörde hat die Nichtigkeit des Bescheides der Gemeindevertretung vom 5. März 1991 im Widerspruch der bewilligten Umbauarbeiten zum Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde erblickt.

Auch der Beschwerdeführer bestreitet nicht, daß das Objekt in einem Gebiet liegt, für das im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan der mitbeteiligten Gemeinde vom 20. März 1975 die Widmung "Freifläche-Landwirtschaftsgebiet" ausgewiesen ist. Er vertritt allerdings die Ansicht, daß gemäß Punkt 1 der "verbalen Bestimmungen" des Flächenwidmungsplanes der mitbeteiligten Gemeinde das Maisäßgebäude nicht im Landwirtschaftsgebiet, sondern in einer mit den Außenwänden des Objektes begrenzten Fläche mit der Widmung "Wohngebiet" liege.

Punkt 1 dieser Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes lautet:

"Neben den im Flächenwidmungsplan ausgewiesenen Wohngebieten gelten auch jene Flächen im Bereich der Freiflächen als Wohngebiete, auf denen sich zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Flächenwidmungsplanes Wohngebäude oder sonstige Gebäude mit Wohnräumen befinden. Diese Wohngebiete werden durch die Außenwände der bestehenden Gebäude begrenzt.

Der Beschwerdeführer brachte in seiner Beschwerde, wie auch im Verwaltungsverfahren vor, daß das ca. 200 Jahre alte Maisäßgebäude seit jeher mit zwei Wohnräumen (Küche und Schlafraum) ausgestattet gewesen sei; es stelle sich daher nach dem Beschwerdevorbringen die mit den Außenwänden des gesamten Maisäßgebäudes begrenzte Fläche als Wohngebiet dar.

Zunächst ist festzustellen, daß der Regelungsinhalt von Flächenwidmungsplänen sich nach jenen Bestimmungen des Raumplanungsgesetzes im Zeitpunkt der Beschlußfassung richtet, nicht nach später abgeänderten Bestimmungen, es sei denn, Übergangsbestimmungen sehen eine andere Regelung vor (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1987, Zl. 86/06/0081, BauSlg. 911). Gemäß § 16 Abs. 3 RPG in der hier zur Auslegung des Inhaltes des aus dem Jahre 1975 stammenden Flächenwidmungsplanes maßgeblichen Fassung VOR der Novelle LGBl. Nr. 61/1988, dürfen in Landwirtschaftsgebieten Gebäude und Anlagen für land- oder forstwirtschaftliche Zwecke und Zuerwerbe einschließlich der dazugehörenden Wohnräume und Wohngebiete errichtet werden. Unbestritten ist zunächst, daß das ca. 200 Jahre alte Maisäßgebäude bis zu seinem Umbau landwirtschaftlichen Zwecken diente. Die belangte Behörde ist aufgrund des Gutachtens des von ihr beauftragten Sachverständigen davon ausgegangen, daß zumindest der Stall und das Heulager nach wie vor landwirtschaftlichen Zwecken dienen. Daß die im Beschwerdefall zu Wohnzwecken umgebauten Teile des Maisäßgebäudes als "dazugehörende Wohnräume" im Sinne des § 16 Abs. 3 RPG anzusehen sind, ergibt sich schon aus der Integration dieses Gebäudeteiles im gesamten Objekt. Es wurde auch von der belangten Behörde nicht behauptet, daß dieser Gebäudeteil vom übrigen Bestand technisch oder rechtlich getrennt werden könnte. Da die belangte Behörde zu Unrecht davon ausging, daß die Frage der Widmungswidrigkeit des beantragten Umbaues nach der Rechtslage NACH der Novelle des Raumplanungsgesetzes, LGBl. Nr. 61/1988, zu beurteilen sei, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Bei dieser Sachlage erübrigt sich ein Eingehen auf die vom Beschwerdeführer aufgeworfene Frage, ob das Gebäude aufgrund der verbalen Bestimmungen des Flächenwidmungsplanes in einem durch die Außenmauern des Gebäudes begrenzten Wohngebiet liegt.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992060143.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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