TE Vwgh Erkenntnis 1992/10/28 91/13/0215

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Veröffentlicht am 28.10.1992
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

FinStrG §138 Abs2;
FinStrG §161 Abs1;
VwGG §42 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schubert und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Hargassner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Büsser, über die Beschwerde des AM in B, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland als Finanzstrafbehörde zweiter Instanz, Berufungssenat I, vom 13. Juni 1991, GZ. GA 10 - 378/6/91, BS I - 17/91, betreffend Bestrafung wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.570,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den beiden Streitjahren 1980 und 1981 zusammen mit Peter T. Geschäftsführer der L. GmbH. 75 vH der Gesellschaftsanteile standen im Eigentum der Ehegattin des Beschwerdeführers (Mathilde M.), 25vH im Eigentum des Peter T. Bei einer Betriebsprüfung wurden - neben zahlreichen weiteren Feststellungen - nach den Ausführungen im Betriebsprüfungsbericht (Tz 9 und 23) verdeckte Gewinnausschüttungen an Mathilde M. für 1980 und 1981 außerbilanzmäßig zugerechnet. Dem lag nach den Prüfungsfeststellungen zugrunde, daß 1980 eine Eingangsrechnung über Beleuchtungskörper, die nicht in das Betriebsvermögen aufgenommen worden waren, über S 164.441,-- (einschließlich Umsatzsteuer) im Rechenwerk der GmbH als betrieblicher Vorgang berücksichtigt worden war. Außerdem wurden Zinsen eines (unverzinsten) Darlehens in Höhe von S 50.500,-- für 1980 und von S 61.300,-- für 1981 als verdeckte Gewinnausschüttungen behandelt.

Nach Rechtskraft der auf Grund der Betriebsprüfung erlassenen Bescheide erstattete das Finanzamt unter anderem gegen den Beschwerdeführer an die Staatsanwaltschaft Anzeige wegen des Verdachtes der Abgabenhinterziehung. In der Anzeige wurde auf diverse durch die Betriebsprüfung festgestellte Fakten hingewiesen. So habe eine Gesellschafterin Beleuchtungskörper mit einem Wert von S 164.441,-- als verdeckte Gewinnausschüttung erhalten.

Nach einer Unzuständigkeitsentscheidung der Ratskammer beim Landesgericht für Strafsachen W. wurde der Beschwerdeführer mit dem in einem zweiten Rechtsgang ergangenen Erkenntnis der Finanzstrafbehörde erster Instanz (Spruchsenat) vom 8. April 1988 des Finanzvergehens der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 FinStrG für schuldig erkannt. Neben zahlreichen weiteren Fakten wurde dem Beschwerdeführer die verdeckte Gewinnausschüttung an die Gesellschafterin Mathilde M. in Höhe von S 164.441,-- als strafrechtlich maßgebliches Faktum zugerechnet. Hinsichtlich der Erfüllung der subjektiven Tatseite wurde dem Beschwerdeführer eine Verletzung der ihm obliegenden Überwachungspflicht angelastet.

Ein Bescheid der Finanzstrafbehörde zweiter Instanz vom 11. April 1989, mit dem der Berufung gegen den das erstinstanzliche Erkenntnis teilweise Folge gegeben worden war, wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 1990, 89/13/0141, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde im fortgesetzten Verfahren über die Berufung derart entschieden, daß dem Beschwerdeführer (allein) hinsichtlich der Fakten der verdeckten Gewinnausschüttung betreffend die Rechnung über Beleuchtungskörper und die Darlehensverzinsung eine fahrlässige Abgabenverkürzung zur Last gelegt, während das Verfahren hinsichtlich aller übrigen Fakten eingestellt wurde. In subjektiver Hinsicht wurde dem Beschwerdeführer in der Begründung der Rechtsmittelentscheidung der Vorwurf gemacht, daß er es unterlassen habe, bezüglich der Privatrechnung von Elektroinstallationen entsprechende Anweisungen an die Buchhalterin zu geben. Der Beschwerdeführer habe sich nicht darauf verlassen können, daß sie den privaten Charakter der Rechnung erkennen würde. Gleiches gelte für die Zinsen. Die in diesen Punkten vorhandenen Indizien für das Vorliegen von Vorsatz seien im Hinblick auf das Verschlimmerungsverbot nicht weiter zu verfolgen.

In der Beschwerde gegen diesen Bescheid wurden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde zweiter Instanz grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Sie ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittelentscheidung ihre Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde erster Instanz zu setzen und das angefochtene Erkenntnis abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder das Rechtsmittel als unbegründet abzuweisen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der "Berufung Folge gegeben, das angefochtene Erkenntnis zur Gänze aufgehoben und in der Sache entschieden". Im Hinblick darauf, daß ein Ausspruch über eine Aufhebung einerseits und eine Entscheidung über Schuld und Strafe andererseits einander nach dem Wortlaut des § 161 Abs. 1 FinStrG ausschließen, ist davon auszugehen, daß die belangte Behörde eine Abänderung des angefochtenen Bescheides vorgenommen hat.

Davon abgesehen ist hinsichtlich des dem Beschwerdeführer in der angefochtenen Rechtsmittelentscheidung zur Last gelegten Faktums der seiner Ehegattin ersparten Darlehenszinsen davon auszugehen, daß "Sache" im Sinne des § 161 Abs.1 FinStrG die Angelegenheit ist, die den Inhalt des Spruches der Behörde erster Instanz gebildet hat (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Mai 1991, 90/14/0262). Die Behörde darf daher in einer Angelegenheit, die überhaupt noch nicht Gegenstand des erstinstanzlichen Verfahrens war, nicht einen Sachbescheid (im Ergebnis erstmals) erlassen (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. Juni 1991, 88/17/0016). Das Faktum der unterlassenen Darlehensverzinsung (verdeckte Gewinnausschüttung an die Mehrheitsgesellschafterin) hinsichtlich der Jahre 1980 und 1981 wurde dem Beschwerdeführer erstmals in der im zweiten Rechtsgang erlassenen angefochtenen Berufungsentscheidung zur Last gelegt, wogegen dem Beschwerdeführer weder in der Anzeige an die Staatsanwaltschaft noch in der Einleitung des Finanzstrafverfahrens und insbesondere nicht im ebenfalls in einem zweiten Rechtsgang erlassenen erstinstanzlichen Straferkenntnis ein derartiger Tatvorwurf gemacht worden ist. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG behaftet, sodaß er - ohne Durchführung der beantragten Verhandlung (vgl. § 39 Abs. 2 Z. 2 VwGG) - aufzuheben war. Dabei führte diese Unzuständigkeit der belangten Behörde trotz des Umstandes, daß sie vom Beschwerdeführer nicht geltend gemacht wurde, zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 581, und die dort angführte Rechtsprechung).

Für die Durchführung des fortzusetzenden Verfahrens insbesondere aus dem Blickwinkel des Faktums einer verdeckten Gewinnausschüttung aus dem Titel der Übernahme einer privaten Rechnung in die Buchhaltung als betrieblichen Vorgang wird im übrigen bemerkt, daß der zugrunde liegende Sachverhalt weder hinsichtlich des objektiven Tatbestandes noch hinsichtlich des Verschuldens ausreichend geklärt erscheint. Insbesondere haben die Behörden des verwaltungsbehördlichen Finanzstrafverfahrens keinen Versuch unternommen, die Widersprüche in den in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 1986 gemachten Aussagen des Beschwerdeführers und des Prüfers anderseits aufzuklären und zu diesem Zweck weitere Ermittlungen, insbesondere die Beischaffung der zugrunde liegenden Rechnung, der Akten des Prüfers (Arbeitsbogen) und allenfalls die Einvernahme der Buchhalterin, durchzuführen. Ergibt sich bei diesen Ermittlungen, daß die in Rede stehende Rechnung - wie dies der Prüfer ausgesagt hat - ausschließlich privat verwendete Beleuchtungskörper und Elektroinstallationen betraf, so würde die Folgerung der Behörde, wonach erhebliche Indizien für ein vorsätzliches Verhalten des Beschwerdeführers bestünden, zutreffen, da dann davon ausgegangen werden muß, daß der Buchungsvorgang auf ausdrückliche Weisung des Beschwerdeführers zustandegekommen ist. Davon, daß allerdings auch bei erwiesenem Vorsatz nur eine Bestrafung wegen fahrlässiger Abgabenverkürzung in Betracht kommt, geht die belangte Behörde ohnehin aus.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Als Ersatz von Stempelgebühren im Sinne des § 48 Abs. 1 Z. 1 VwGG waren die Eingabengebühren für drei Beschwerdeausfertigungen sowie die Beilagengebühr für eine Beilage (Berufungsentscheidung) zuzusprechen. Die Eingabengebühr beträgt für je eine Ausfertigung der Beschwerde S 120,-- (vgl. § 14 TP. 6 Abs. 1 GebG 1957). Für zuviel entrichtete Stempelmarken kann ein Ersatz nicht angesprochen werden (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 681, und die dort zitierte Rechtsprechung). Der angefochtene Bescheid ist gemäß § 28 Abs. 5 VwGG nur in einer Ausfertigung oder Abschrift anzuschließen, weshalb der Ersatz der Stempelgebühr nur für diese eine Beilage gebührt (vgl. Dolp, a.a.O., S. 682).

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1991130215.X00

Im RIS seit

28.10.1992
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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