TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/15 92/05/0239

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Veröffentlicht am 15.12.1992
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Index

L37154 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Oberösterreich;
L80004 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Oberösterreich;
L81704 Baulärm Umgebungslärm Oberösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82004 Bauordnung Oberösterreich;
L82304 Abwasser Kanalisation Oberösterreich;

Norm

BauO OÖ 1976 §45;
BauO OÖ 1976 §49;
BauRallg;
ROG OÖ 1972 §16 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde der Nahwärmeversorgung X GmbH. in X, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 4. Juni 1992, Zl. BauR - 010250/11 - 1991 Stö/Lan, betreffend ein baubehördliches Bewilligungsverfahren (mitbeteiligte Parteien:

1. Friederike N in G, Schweiz, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, 2. Marktgemeinde X, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- und der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.360,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zur Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom 18. September 1990, Zlen. 90/05/0012, AW 90/05/0001, verwiesen. Die im Instanzenzug erteilte Baubewilligung für eine Hackschnitzelheizungsanlage der nunmehrigen Beschwerdeführerin war von einer ursprünglich übergangenen Nachbarin (der nunmehrigen erstmitbeteiligten Partei) nach erfolgloser Vorstellung mit einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof angefochten worden. Mit dem zitierten Erkenntnis vom 18. September 1990 wurde der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Zur Begründung hat der Verwaltungsgerichtshof im wesentlichen ausgeführt, die Zulässigkeit des Bauvorhabens sei grundsätzlich zutreffend an § 16 Abs. 3 des Oö. Raumordnungsgesetzes 1972, LGBl. Nr. 18 (ROG), gemessen worden. In Wohngebieten seien Betriebe nur dann zulässig, wenn sie bestimmten, näher bezeichneten Bedürfnissen dienten und jede Gefährdung und unzumutbare Belästigung der Nachbarschaft ausgeschlossen sei. Mit der Frage, ob die Anlage wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnissen im Sinne des § 16 Abs. 3 Oö. ROG diene, habe sich zwar der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde und in der Folge auch die belangte Behörde auseinandergesetzt. Es gehe aber weder aus den Bescheiden noch aus dem gesamten Verwaltungsakt hervor, daß diese Anlage wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnissen diene. Sosehr es wünschenswert scheinen möge, daß allenfalls Schwefelemissionen der bisherigen Hauptschulheizung sowie die Emissionen aus den Heizanlagen der angeschlossenen Privathäuser wegfallen, so finde doch diese Zielsetzung im § 16 Abs. 3 Oö. ROG nur unter dem Blickwinkel Deckung, daß durch die Reduktion von Schadstoffen ökologische Schäden vermindert würden. Diesbezügliche Feststellungen seien aber nicht getroffen worden. Eine weitere inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickte der Verwaltungsgerichtshof darin, daß angesichts der Aktenlage nicht habe beurteilt werden können, ob die Voraussetzungen für die baubehördliche Bewilligungsfähigkeit vorliegen (typenmäßige Zulässigkeit auch ohne spezielle Auflagen), und auch die belangte Behörde hätte erkennen müssen, daß das amtsärztliche Gutachten, das letztlich zur Erteilung der beantragten Baubewilligung geführt habe, keine taugliche Entscheidungsgrundlage für das baubehördliche Bewilligungsverfahren gewesen sei, da das Gutachten von der Einhaltung von Auflagen, die im gewerblichen Betriebsanlagenverfahren vorgeschrieben wurden, ausgegangen sei.

In der Folge hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 22. Mai 1991 der Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei Folge gegeben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde verwiesen. Die Aufhebung wurde mit den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 18. September 1990 aufgezeigten Rechtswidrigkeiten begründet.

In weiterer Folge hat der Gemeinderat das Verfahren durch Einholung von Gutachten ergänzt und diese zusammen mit der Abschrift einer Niederschrift aus dem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren vom 16. Oktober 1990 der erstmitbeteiligten Partei zur Kenntnis gebracht. Mit Berufungsbescheid vom 27. September 1991 hat der Gemeinderat neuerlich die Berufung der erstmitbeteiligten Partei gegen den Baubewilligungsbescheid des Bürgermeisters abgewiesen.

Aufgrund der Vorstellung der erstmitbeteiligten Partei hat die belangte Behörde mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid den Bescheid des Gemeinderates vom 27. September 1991 aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat zurückverwiesen. Zur Begründung wurde nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens im wesentlichen ausgeführt, der Gemeinderat sei in seinem Bescheid vom 27. September 1991 zutreffend zu dem Schluß gelangt, daß die Anlage wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen diene. Dies nicht zuletzt deshalb, weil die Energiekosten auch für Privatabnehmer günstiger seien als die eines üblichen Energieträgers, die Anschlußmöglichkeit auch eine soziale Komponente in sich berge, die vor allem sozial bedürftigen Menschen eine problemlose Versorgung mit Energie gewährleiste. Weiters sei der Gemeinderat nach Verfahrensergänzung unter Berücksichtigung umfangreicher Fachliteratur zu Recht davon ausgegangen, daß die Heizungsanlage auch typenmäßig durchwegs über lufthygienisch und ökologisch günstige Werte verfüge. Zumindest aus dem Blickwinkel der Lufthygiene sei nicht einzusehen, daß ein auf dem Stand der Technik basierendes Nahwärmesystem, durch welches in der näheren Umgebung, wenn auch nicht alle, so doch eine beachtliche Anzahl von in der Gesamtwirkung wesentlich ungünstiger zu beurteilenden Einzelheizungen substituiert würden, im Sinne der Betriebstypenprüfung im Wohngebiet nicht zulässig sein sollte. Ausschließlich hinsichtlich des von der Erstmitbeteiligten vorgebrachten Aspektes der Lärmemissionen stellte die belangte Behörde fest, daß darauf in der von der Berufungsbehörde vorgenommenen Betriebstypenbeurteilung nicht in geeigneter Form Bezug genommen worden sei, dies deshalb, weil die Baubehörde im Berufungsverfahren hinsichtlich der Lärmbelästigung wiederum auf ein im Gewerbeverfahren erstelltes Gutachten zurückgegriffen habe, das in seiner Aussage von der Einhaltung bestimmter Bedingungen und Auflagen ausgehe. Diesen Mangel habe aber der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 18. September 1990 aufgegriffen und zum Ausdruck gebracht, daß diese Vorgangsweise nicht geeignet sei, die typenmäßige Zulässigkeit der Anlage zu beurteilen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt. Auch die mitbeteiligten Parteien haben Gegenschriften eingebracht und hiefür Kosten beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst ist dem Beschwerdevorbringen, die Erstmitbeteiligte sei mit ihren Einwendungen betreffend die Zulässigkeit des Bauvorhabens im Wohngebiet präkludiert, entgegenzuhalten, daß die Erstmitbeteiligte während des Bauverfahrens zu keiner mündlichen Verhandlung unter Hinweis auf die Folgen des § 42 AVG geladen wurde, sodaß schon deshalb keine Präklusion eintreten konnte.

Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerin sind sowohl der Gemeinderat als auch die belangte Behörde davon ausgegangen, daß die gegenständliche Anlage wirtschaftlichen und sozialen Bedürfnissen dient. Auch der Verwaltungsgerichtshof teilt diese Ansicht, zumal die Anlage auch für private Anschlußwerber kostengünstiger Energie zur Verfügung stellen kann als andere in Betracht kommende Energieversorgungsunternehmen, und die gegenständliche Anlage mit den angeschlossenen Fernwärmeheizungen ökologisch günstiger ist als Einzelheizungen. Der von der erstmitbeteiligten Partei schon im Vorstellungsverfahren geäußerten Rechtsansicht, die Errichtung der Anlage sei in dem konkreten Wohngebiet deshalb unzulässig, weil von den darin errichteten (privaten) Gebäuden kein einziges an die Anlage angeschlossen sei, ist entgegenzuhalten, daß die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Wohngebiet nicht auf die kulturellen, wirtschaftlichen oder sozialen Bedürfnisse der Einwohner dieses Gebietes abstellt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, Zl. 88/05/0004).

Auf Grund des ergänzend eingeholten Gutachtens und der herangezogenen Fachliteratur durften sowohl der Gemeinderat als auch die belangte Behörde davon ausgehen, daß die Hackschnitzelanlage lufthygienisch und ökologisch günstige Werte aufweist und eine derartige Anlage auch typenmäßig aus dem Blickwinkel der Lufthygiene zulässig ist.

Die belangte Behörde hat die Aufhebung des Gemeindebescheides ausschließlich auf den Umstand gestützt, daß die Berufungsbehörde hinsichtlich der Lärmemissionen die Betriebstypenbeurteilung nicht in geeigneter Form vorgenommen habe, da wiederum auf ein im Gewerbeverfahren erstelltes Gutachten zurückgegriffen worden sei, das von der Einhaltung bestimmter Bedingungen und Auflagen ausgehe. Nur im Umfang dieses, die Aufhebung tragenden Begründungselementes könnte die beschwerdeführende Bauwerberin beschwert sein.

In seinem Erkenntnis vom 18. September 1990 hat der Verwaltungsgerichtshof die Aufhebung des aufsichtsbehördlichen Bescheides unter anderem damit begründet, daß im Baubewilligungsverfahren zu prüfen sei, ob eine Anlage mit der im Flächenwidmungsplan vorgesehenen Flächenwidmung vereinbar ist, wobei ein typenmäßig unzulässiges Bauvorhaben nicht durch die Vorschreibung von Auflagen zulässig gemacht werden könne. Das (damals entscheidungswesentliche) medizinische Gutachten vom 29. März 1989 habe sich unter anderem auf die vom technischen Amtssachverständigen anläßlich einer Betriebsanlagengenehmigungsverhandlung vorgeschlagenen Auflagen gestützt und sei zu dem Schluß gekommen, daß bei Einhaltung dieser Auflagen nicht zu erwarten sei, daß Bewohner des Wohngebietes durch den Betrieb der Anlage in unzumutbarer Weise belästigt würden. Da angesichts der Aktenlage nicht beurteilt werden könne, ob die Voraussetzungen für die baubehördliche Bewilligungsfähigkeit vorlägen (typenmäßige Zulässigkeit auch ohne spezielle Auflagen), hätte auch die Aufsichtsbehörde erkennen müssen, daß das amtsärztliche Gutachten, das letztlich zur Erteilung der beantragten Baubewilligung geführt habe, keine taugliche Entscheidungsgrundlage für das Baubewilligungsverfahren gewesen sei.

An die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes sind in der Folge - bei unveränderter Sach- und Rechtslage - sowohl die Aufsichtsbehörde als auch der Verwaltungsgerichtshof selbst gebunden (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1965, Slg. N.F. Nr. 6638/A).

Der in der gewerbebehördlichen Verhandlung vom 16. Oktober 1990 vom Amt der Oberösterreichischen Landesregierung aufgenommenen Niederschrift ist zu entnehmen, daß der lärmtechnische Sachverständige Maßnahmen an den möglichen Emissionsquellen (Abdichtung sämtlicher Öffnungen, Isolierung der Rohrleitungen, Verbesserung der Jalousien bei der Belüftungsöffnung des Kesselraumes usw.) für erforderlich erachtete, um eine Verminderung der Emission um 5 dB zu erzielen. Der bei dieser Verhandlung anwesende medizinische Sachverständige äußerte in seinem Gutachten die Ansicht, bei Einhaltung der vom lärmtechnischen Sachverständigen angeführten Emissionsbegrenzung (40 dB) für Lärm könne davon ausgegangen werden, daß Gesundheitsgefährdungen der Nachbarn vermieden würden und nachhaltige Beeinträchtigungen des Wohlbefindens beim gesunden, normal empfindenden Erwachsenen und gesunden, normal empfindenden Kind nicht zu erwarten seien. Hinsichtlich einer nach dem Baurecht zulässigen Lärmemission hat der Gemeinderat kein weiteres Gutachten eines medizinischen Sachverständigen eingeholt, sondern sich auf das zuletzt genannte Gutachten aus dem Gewerbeverfahren gestützt und die Ansicht vertreten, daß sich daraus die typenmäßige Zulässigkeit der Anlage ergebe. Damit ist aber das Verfahren hinsichtlich der Prüfung der typenmäßigen Zulässigkeit (ohne spezielle Auflagen) ergänzungsbedürftig geblieben, wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat. Durch die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates ist daher die Beschwerdeführerin in keinem Recht verletzt worden.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Mit der Erledigung der Beschwerde ist der mit ihr verbundene Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenstandslos geworden.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992050239.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.08.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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