TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/16 92/02/0250

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Veröffentlicht am 16.12.1992
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
VStG §44a Z1;
VwRallg;
ZustG §4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des Dr. H, Rechtsanwalt in C, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 9. Juli 1992, Zl. 1-153/92/E4, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 26. Februar 1992 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als Zulassungsbesitzer eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws der Behörde "auf Verlangen vom 12.03.1991 nicht binnen zwei Wochen nach der am 15.03.1991 erfolgten Zustellung der schriftlichen Aufforderung Auskunft erteilt, von wem das Fahrzeug" zu einem näher bezeichneten Zeitpunkt an einem bestimmten Ort gelenkt wurde bzw. die Person nicht benannt, die diese Auskunft erteilen kann. Dadurch habe er eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge gegeben und das Straferkenntnis mit der Maßgabe bestätigt, daß im Spruch dieses Straferkenntnisses die Worte "am 15.03.1991" zu entfallen haben.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer bestreitet, daß ihm die Aufforderung der Bezirkshauptmannschaft Landeck vom 12. März 1991 rechtswirksam zugestellt woren sei. Die Zustellung sei zwar an seinem Hauptwohnsitz in S. versucht worden und seine dort anwesende Mutter habe die die Aufforderung enthaltende Sendung am 15. März 1991 übernommen, doch sei er damals von seinem Hauptwohnsitz abwesend gewesen und habe sich an seinem damaligen Zweitwohnsitz in G. aufgehalten. Infolge mehrjähriger Abwesenheit von seinem Hauptwohnsitz habe dieser die Eigenschaft als Abgabestelle im Sinne des § 4 des Zustellgesetzes verloren. An der betreffenden Anschrift habe daher weder eine Ersatzzustellung nach § 16 Abs. 1 des Zustellgesetzes erfolgen können, noch habe seine Rückkehr an diese Anschrift gemäß § 16 Abs. 5 leg. cit. die Zustellung bewirken können.

Gemäß § 4 des Zustellgesetzes ist u.a. die Wohnung des Empfängers seine Abgabestelle. Kann die Sendung nicht dem Empfänger zugestellt werden und ist an der Abgabestelle ein Ersatzempfänger anwesend, so darf gemäß § 16 Abs. 1 leg. cit. an diesen zugestellt werden, sofern der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält. Ersatzempfänger kann nach § 16 Abs. 2 leg. cit. jede erwachsene Person sein, die an derselben Abgabestelle wie der Empfänger wohnt oder Arbeitnehmer oder Arbeitgeber des Empfängers ist und die - außer wenn sie mit dem Empfänger im gemeinsamen Haushalt lebt - zur Annahme bereit ist. Gemäß § 16 Abs. 5 leg. cit. gilt eine Ersatzzustellung als nicht bewirkt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger oder dessen Vertreter wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

Zur Qualifikation der vom Beschwerdeführer als "Hauptwohnsitz" bezeichneten Anschrift in S. hat der Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren vorgebracht, daß er sich "im gesamten März bis ca. April 1991 nicht in S. aufgehalten habe". "In den letzten drei Jahren" habe er dort "lediglich dreimal genächtigt". Wenn auch die in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, er habe sich "schon mehrere Jahre" nicht in S. aufgehalten, in dieser Form gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstößt und daher unbeachtlich ist, so könnte doch bei Zutreffen der im Verwaltungsstrafverfahren aufgestellten übrigen Behauptungen nicht von einer Wohnung des Beschwerdeführers in S. gesprochen werden. Eine "Wohnung" im Sinne des § 4 des Zustellgesetzes wird durch das Faktum des Bewohntwerdens begründet. Davon kann keine Rede sein, wenn nur eine bloß fallweise Benützung - wie hier geltend gemacht - vorliegt. Auf die polizeiliche Meldung als Hauptwohnsitz kommt es nicht an (vgl. zum Ganzen die bei Walter-Mayer, Zustellrecht, Seite 32f, zitierte Rechtsprechung sowie das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 1985, Zl. 85/18/0011, 0012, 0013, wonach zur Auslegung des Begriffes der Wohnung im Sinne des § 4 des Zustellgesetzes auf die Rechtsprechung zur Rechtslage vor Erlassung des Zustellgesetzes, insbesondere zu § 22 Abs. 1 AVG 1950, zurückgegriffen werden kann). Der in der Gegenschrift vorgenommene Versuch, die in Rede stehende Behauptung des Beschwerdeführers als unglaubwürdig abzuqualifizieren, ist - abgesehen davon, daß erst in der Gegenschrift nachgetragene Begründungselemente für die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof unbeachtlich sind - nicht schlüssig, weil das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe in den letzten drei Jahren nur dreimal in S. genächtigt damit nicht in Widerspruch steht, daß er sich im März und (einem Teil des Monats) April 1991 dort nicht aufgehalten habe.

Die belangte Behörde hätte angesichts dieses Vorbringens prüfen müssen, ob es insoferne zutrifft, daß der Beschwerdeführer in S. lediglich fallweise anwesend war und dort genächtigt hat. Wenn nämlich der Anschrift in S. die Qualifikation als Wohnung und damit als Abgabestelle im Zeitpunkt des Zustellversuches am 15. März 1991 gefehlt haben sollte, hätte dort auch keine Ersatzzustellung im Sinne des § 16 des Zustellgesetzes erfolgen können.

2. Für das fortzusetzende Verfahren sei angemerkt, daß durch den Entfall der Angabe des Datums der angenommenen Zustellung der Aufforderung an den Beschwerdeführer keine unzulässige Ausweitung des Tatvorwurfes bewirkt wurde. Das Datum der Zustellung ist dann kein wesentliches Sachverhaltselement einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967, wenn die Aufforderung im übrigen - etwa durch die Angabe ihres Datums - konkretisiert wurde (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. November 1989, Zl. 89/02/0004).

Der Sachverhalt bedarf in wesentlichen Punkten einer Ergänzung. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1992020250.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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