TE Vwgh Erkenntnis 1989/11/8 89/02/0004

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Veröffentlicht am 08.11.1989
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Index

KFG

Norm

AVG §18 Abs4
KFG 1967 §103 Abs2
VStG §32 Abs2
VStG §44a lita
VStG §44a Z1
VwGG §13 Abs1 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Seiler und die Hofräte Dr. Pichler, Dr. Degischer, Dr. Domittner, Dr. Dorner, Dr. Stoll, Dr. Bernard, DDr. Jakusch und Dr. Sittenthaler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Honsig-Erlenburg, über die Beschwerde des MJ in W, vertreten durch Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien I, Domgasse 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 2. Dezember 1988, Zl. MA 70-10/1020/88/Str, betreffend Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 460,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe "es als Zulassungsbesitzer unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 29.2.1988, zugestellt am 10.3.1988, binnen zwei Wochen nach Zustellung bekanntzugeben, wer das in Wien 3., Marxergasse 13 um 12.50 Uhr am 25.1.1988 abgestellt gewesene Fahrzeug mit dem Kennzeichen W ..... vor 12.50 Uhr am genannten Ort zuletzt abgestellt hat". Er habe dadurch eine Übertretung nach § 103 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967) begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe (Ersatzarreststrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, mitgeteilt, daß von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen werde, und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat in einem gemäß § 13 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

1. Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt der behaupteten inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, daß Verfolgungsverjährung eingetreten sei; innerhalb der sechsmonatigen Verjährungsfrist sei keine Verfolgungshandlung gesetzt worden, die die zur Konkretisierung der Tatanlastung erforderliche Angabe, wann die schriftliche Aufforderung dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei, enthalten habe.

Diese Auffassung entspricht zwar insoferne der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, als sie im Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zl. 86/02/0127, vertreten wird. Im Erkenntnis vom 13. Juni 1986, Zl. 86/18/0028, hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch einem Beschuldigten-Ladungsbescheid, in dem das Datum der Zustellung der Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe nicht genannt war, die Eigenschaft einer vollständigen Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950 zugebilligt. In den Erkenntnissen vom 22. März 1989, Zlen. 89/18/0017 und 89/18/0121, bringt der Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Meinung zum Ausdruck, das Datum der Zustellung sei kein wesentliches Sachverhaltselement. Der Verwaltungsgerichtshof vermag die erstgenannte Rechtsprechung nicht aufrecht zu erhalten. Zwar kann das Datum der Zustellung der schriftlichen Aufforderung zur Lenkerbekanntgabe für die Tatbestandsmäßigkeit, vor allem in Ansehung einer verspäteten Bekanntgabe, von Bedeutung sein. Unter dem Gesichtspunkt der Ausführungen eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes im Erkenntnis vom 3. Oktober 1985, Slg. Nr. 11.894/A, handelt es sich aber um kein wesentliches Sachverhaltselement. In diesem Erkenntnis wurde in Ansehung der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Sinne des § 44a lit. a VStG 1950 ausgeführt, daß dieser Bestimmung dann entsprochen wird, wenn a) im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, daß er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und b) der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden. Nach diesen, aber auch nur nach diesen Gesichtspunkten ist in jedem konkreten Fall insbesondere auch zu beurteilen, ob die im Spruch eines Straferkenntnisses enthaltene Identifizierung der Tat nach Ort und Zeit genügt. Das an die Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat zu stellende Erfordernis wird nicht nur von Delikt zu Delikt, sondern auch nach den jeweils gegebenen Begleitumständen in jedem einzelnen Fall ein verschiedenes, weil an den erwähnten Rechtsschutzüberlegungen zu messendes sein.

In Ansehung einer Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 muß unverwechselbar feststehen, um welche Aufforderung, deren Nichtbefolgung den Beschuldigten zur Last gelegt wird, es sich handelt; hiezu genügt etwa das Datum der Aufforderung. Der (unwahrscheinliche) Fall, daß unter demselben Datum zwei gleichlautende Aufforderungen im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 ergehen, kann vernachlässigt werden; diesfalls läge es am Beschuldigten, im Verwaltungsstrafverfahren auf diesen Umstand hinzuweisen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher seine im Erkenntnis vom 11. Dezember 1986, Zl. 86/02/0127, vertretene Rechtsprechung nicht mehr aufrecht zu erhalten.

Dem Beschwerdeführer wurde innerhalb der Verjährungsfrist nach § 31 Abs. 2 VStG 1950 vorgeworfen, er habe es "unterlassen, der Behörde auf ihr schriftliches Verlangen vom 29.2.1988 bekanntzugeben," wer Lenker im Zusammenhang mit der zugrundeliegenden Übertretung der StVO 1960 gewesen ist (Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, vom 8. April 1988). Darin liegt eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 32 Abs. 2 VStG 1950, die den Eintritt der Verfolgungsverjährung verhinderte. Anhaltspunkte dafür, daß die Erstbehörde an den Beschwerdeführer noch weitere mit 29. Februar 1988 datierte Aufforderungen zur Bekanntgabe des Fahrzeuglenkers gerichtet habe, bestehen nicht.

Die dem Beschwerdeführer zur Last gelegte Übertretung nach § 103 Abs. 2 KFG 1967 ist somit nicht verjährt.

2. Zu der unter dem Gesichtspunkt der Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgestellten Behauptung, die Aufforderung vom 29. Februar 1988 habe "weder auf der Ausfertigung noch am Original unterschrieben worden sein" können, ist darauf hinzuweisen, daß sich auf der im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Aktenkopie eine Unterschrift befindet. Da die Aufforderung mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung hergestellt wurde, bedurfte die dem Beschwerdeführer zugestellte Ausfertigung gemäß § 18 Abs. 4 letzter Satz AVG 1950 weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung. Der vom Beschwerdeführer hervorgehobene Umstand, daß sich auf der ihm zugestellten Ausfertigung, die im Durchschreibeverfahren hergestellt worden sei, kein Abdruck dieser Unterschrift finde, hat angesichts dessen nichts zu besagen. Keinesfalls kann daraus geschlossen werden, die Aktenkopie könne nicht unterschrieben gewesen sein und die Unterschrift sei erst nachträglich angebracht worden.

Die Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 206/1989. Wien, am 8. November 1989

Schlagworte

Ausfertigung mittels EDVBeglaubigung der Kanzlei"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatbild Beschreibung (siehe auch Umfang der Konkretisierung)"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatzeitUnterschrift des Genehmigenden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1989:1989020004.X00

Im RIS seit

12.03.2020

Zuletzt aktualisiert am

12.03.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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