TE Vwgh Erkenntnis 1992/12/18 89/17/0148

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Veröffentlicht am 18.12.1992
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Index

L37157 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Tirol;
L82007 Bauordnung Tirol;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/10 Grundrechte;

Norm

BauO Tir 1978 §16;
BauO Tir 1978 §17;
BauO Tir 1978 §19;
B-VG Art7 Abs1;
StGG Art2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der F in E, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 14. September 1988, Zl. Ib-8387/2, betreffend Erschließungsbeitrag (mitbeteiligte Partei: Gemeinde E), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 30. April 1987 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin die Baubewilligung für den Anbau eines Lagers auf der Gp. 100/14,

KG. E.

Mit Bescheid vom 29. Jänner 1988 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde der Beschwerdeführerin für das oben genannte, inzwischen begonnene Bauvorhaben gemäß § 19 der Tiroler Bauordnung (TBO), LGBl. Nr. 43/1978, und des Gemeinderatsbeschlusses vom 9. April 1981 einen Erschließungsbeitrag von S 42.576,-- vor.

Die dagegen erhobene Berufung wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde mit Berufungsvorentscheidung vom 8. März 1988 als unbegründet ab. Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag, die Berufung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vorzulegen.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde wies sodann die Berufung mit Bescheid vom 5. Mai 1988 als unbegründet ab.

Die Beschwerdeführerin erhob Vorstellung.

Mit Bescheid vom 24. Juni 1988 gab die Tiroler Landesregierung der Vorstellung Folge, hob die angefochtene Berufungsentschiedung auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand. Als die Aufhebung tragende Begründung wurde ausgeführt, die Beschwerdeführerin sei in ihren Rechten dadurch verletzt worden, daß die angefochtene Berufungsentscheidung die Zusammensetzung der Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht erkennen lasse.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Partei wies sodann die Berufung mit Bescheid vom 11. Juli 1988 (wiederum) als unbegründet ab.

Auch gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Vorstellung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellung als unbegründet ab. Zur Begründung führte sie in Erwiderung des Vorbringens der Beschwerdeführerin im wesentlichen aus, bei Interessentenbeiträgen müsse die Abgabepflicht nicht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den den einzelnen erwachsenden Vorteilen stehen. Vorteile durch die Herstellung und Erweiterung von Straßen, Plätzen, Gartenanlagen, Straßendurchbrüchen, Unter- und Überführungen und dgl. könnten auch außerhalb abgrenzbarer Benützungsverhältnisse entstehen. Für solche Vorteile würden typischerweise einmalige Beiträge geleistet. Ein Blick in die Haushaltspläne und Jahresrechnungen der mitbeteiligten Gemeinde zeige, daß die Einnahmen aus den Erschließungsbeiträgen die Kosten der Verkehrserschließung nur teilweise decken könnten. Es könne der mitbeteiligten Gemeinde nicht entgegengetreten werden, wenn sie unter Anwendung des höchstzulässigen Einheitssatzes einen Teil der Kosten der Verkehrserschließung zu decken suche. Nach der Konstruktion des Erschließungsbeitrages komme es auf die Frage der tatsächlichen Erschließungskosten für ein konkretes Grundstück überhaupt nicht an. Im übrigen schlössen auch die Vorschriften über die Höhe des Erschließungsbeitrages die Annahme aus, Aufgabe des Erschließungsbeitrages sei es, nur die jeweils aus der Herstellung der verkehrsmäßigen Verbindung eines bestimmten Bauplatzes mit den bereits vorhandenen öffentlichen Verkehrsflächen entstehenden Kosten zu decken.

Mit Beschluß vom 13. Juni 1989, B 1756/88-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren bekämpft die Beschwerdeführerin den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Sie erachtet sich in dem Recht verletzt, daß ihr keine Erschließungsbeiträge gemäß § 19 TBO auferlegt würden, welche in der TBO keine Deckung fänden, insbesonders insofern, als ihr für ihren nicht von Gemeindestraßen der mitbeteiligten Gemeinde aufgeschlossenen Bauplatz Erschließungskostenbeiträge auferlegt würden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die im Beschwerdefall wesentlichen Bestimmungen der TBO in der hier anzuwendenden Fassung vor der am 1. März 1989 in Kraft getretenen Novelle LGBl. Nr. 10/1989 und der Wiederverlautbarung, LGBl. Nr. 33/1989, lauten:

"§ 16

Erschließungspflicht

(1) Die verkehrsmäßige Erschließung der im Flächenwidmungsplan als Bauland ausgewiesenen Fläche ist Aufgabe der Gemeinde ...

(2) Die Verpflichtung nach Abs. 1 erster Satz besteht nicht für die als Aufschließungsgebiet gekennzeichneten Teile des Baulandes sowie für jene Teile des Baulandes, für deren Erschließung privatrechtliche Vereinbarungen mit der Gemeinde bestehen.

.....

§ 17

Erschließungslasten

Die Eigentümer von Bauplätzen haben die Verpflichtung, für die von der Gemeinde durchzuführende verkehrsmäßige Erschließung Leistungen zu erbringen (Erschließungslasten). Die Erschließungslasten umfassen die Grundabtretung für öffentliche Verkehrsflächen und die Leistung von Erschließungsbeiträgen.

.....

§ 19

Beiträge zu den Kosten der Verkehrserschließung

(1) Mit dem Eintritt der Rechtskraft der Baubewilligung für den Neu- oder Zubau eines Gebäudes entsteht für den Eigentümer des Bauplatzes, auf den sich die Baubewilligung bezieht, die Verpflichtung, der Gemeinde einen Beitrag zu den Kosten der Verkehrserschließung (Erschließungsbeitrag) zu leisten.

(2) Der Erschließungsbeitrag ist die Summe des Bauplatzanteiles (Abs. 3) und des Baumassenanteiles (Abs. 4).

(3) Der Bauplatzanteil ist das Produkt aus der Fläche des Bauplatzes in Quadratmetern und dem Einheitssatz nach Abs. 5.

(4) Der Baumassenanteil ist das Produkt aus der Baumasse (§ 20) des Gebäudes in Kubikmetern und dem Einheitssatz nach Abs. 5.

(5) Der Einheitssatz ist ein Prozentsatz des Erschließungskostenfaktors (Abs. 6). Dieser Einheitssatz ist von der Gemeinde für das gesamte Gemeindegebiet einheitlich für die Dauer mindestens eines Jahres festzulegen. Die Höhe des Einheitssatzes hat sich nach der Finanzlage der Gemeinde zu richten und darf 5 v.H. des Erschließungskostenfaktors nicht übersteigen.

(6) Der Erschließungskostenfaktor ist von der Landesregierung festzusetzen. Er setzt sich zusammen aus den Kosten für die Herstellung von einem Quadratmeter staubfreier Fahrbahnfläche mittlerer Befestigung in ebenem Gelände mit Oberflächenentwässerung sowie dem Preis für eine Quadratmeter Grundfläche, die nicht bebaut werden kann. Bei dieser Festsetzung ist von landeseinheitlichen Durchschnittswerten auszugehen.

(7) Der Erschließungsbeitrag ist nach Baubeginn mit Bescheid vorzuschreiben. Der Berechnung des Erschließungsbeitrages ist der im Zeitpunkt des Eintrittes der Rechtskraft der Baubewilligung geltende Einheitssatz (Abs. 5) zugrunde zu legen.

(8) Soweit auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen mit der Gemeinde (§ 16 Abs. 2) vom Eigentümer des Bauplatzes oder von einem seiner Rechtsvorgänger Aufwendungen für Anlagen zur Verkehrserschließung bereits erbracht worden sind, sind diese Aufwendungen bei der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages entsprechend zu berücksichtigen.

(9) Wird der Bauplatz vor der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages vergrößert, so ist der Erschließungsbeitrag von dem gegenüber dem Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht (Abs. 1) vergrößerten Bauplatzanteil zu berechnen. Wird der Bauplatz vor der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages verkleinert, so ist der Erschließungsbeitrag von dem gegenüber dem Zeitpunkt der Entstehung der Beitragspflicht (Abs. 1) verkleinerten Bauplatzanteil zu berechnen. Wird der Bauplatz nach der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages vergrößert, so ist ein Nachtragsbeitrag zu entrichten, der aus der Vergrößerung des Bauplatzanteiles zu ermitteln ist. Wird der Bauplatz nach der Vorschreibung des Erschließungsbeitrages verkleinert, so ist jene Grundfläche, die der Berechnung des Erschließungsbeitrages zugrunde gelegt worden war, bei einer später entstehenden Beitragspflicht nicht mehr zu berücksichtigen.

(12) Für die Ermittlung des Baumassenanteiles ist die Baumasse eines abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles von der Baumasse des Neu- bzw. Zubaues abzuziehen, wenn die Baumasse des abgebrochenen Gebäudes oder Gebäudeteiles Grundlage für die Ermittlung eines Beitrages zu den Kosten der Verkehrserschließung nach diesem Gesetz oder nach früheren Rechtsvorschriften war."

Gleich wie im Verwaltungsverfahren geht das Beschwerdevorbringen dahin, der Beschwerdeführerin seien Erschließungsbeiträge vorgeschrieben worden, obwohl ihr Bauplatz, auf den sich die Baubewilligung beziehe, nicht von einer Gemeindestraße aufgeschlossen sei, sondern von einer Landesstraße. Aus der Systematik der TBO ergebe sich, daß Erschließungslasten - und damit auch Erschließungsbeiträge - nur von jenen Bauplatzeigentümern verlangt werden könnten, deren Bauplätze auch tatsächlich verkehrsmäßig von der Gemeinde aufgeschlossen würden. Die Erschließungslasten wie sie in § 17 ff TBO geregelt seien, stellten keine Abgabe im Sinne des Finanzverfassungsgesetzes dar, weil sie den Bauwerbern nicht unter dem Gesichtspunkt der Deckung des finanziellen Aufwandes für den Gemeindehaushalt vorzuschreiben seien, sondern stellten vielmehr ein Entgelt für die Vorteile dar, die die Bauwerber aus der Erschließung des Geländes, in dem ihre Grundstücke gelegen seien, hätten.

Mit diesem Vorbringen vermag die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen:

Der in Rede stehende Erschließungsbeitrag ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe im Sinne des § 6 Z. 5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948 und einer der "Interessentenbeiträge von Grundstückseigentümern und Anrainern" im Sinne der Finanzausgleichsgesetze (im Beschwerdefall § 14 Abs. 1 Z. 14 des Finanzausgleichsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 544/1984), die nicht schon durch den Bundesgesetzgeber zur ausschließlichen Gemeindeabgaben erklärt worden sind (§ 14 Abs. 2 FAG 1985)(vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, Zl. 88/17/0223, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Mit der belangten Behörde ist der Beschwerdeführerin weiters zu erwidern, daß es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keineswegs Aufgabe des Erschließungsbeitrages ist, nur die jeweils aus der Erstellung der verkehrsmäßigen Verbindung eines bestimmten Bauplatzes mit den bereits vorhandenen öffentlichen Verkehrsflächen entstehenden Kosten zu decken, und daß es nach der Konstruktion des Erschließungsbeitrages nach § 19 TBO auf die tatsächlichen Erschließungskosten für ein konkretes Gebäude nicht ankommt (vgl. auch dazu nochmals das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1991, Zl.88/17/0223, und die weitere dort zitierte Vorjudikatur). Ebenso ist es nicht rechtserheblich, daß das gegenständliche Grundstück (unmittelbar) durch eine Straße erschlossen wird, die keine Gemeindestraße ist.

In diesem Sinne geht aber auch die Verfahrensrüge ins Leere, es seien keine Erhebungen darüber getroffen worden, daß das Grundstück der Beschwerdeführerin "tatsächlich von keiner Gemeindestraße aufgeschlossen wird".

Dahingehende Bedenken, daß die hier in Rede stehende Regelung über die Verpflichtung zur Entrichtung eines Erschließungsbeitrages sachlich nicht gerechtfertigt wäre und aus diesem Grunde dem Gleichheitsgebot widerspräche, sind vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. vor allem VfSlg. 8188/1977) beim Verwaltungsgerichtshof nicht entstanden.

Die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen liegen daher nicht vor. Die vorliegende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991, insbesondere auch auf deren Art. III Abs. 2.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1992:1989170148.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

30.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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