TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/25 92/10/0419

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Veröffentlicht am 25.01.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
HygieneV Zuckerwaren aus Automaten 1988 §1 Abs2;
LMG 1975 §21;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §74 Abs4 Z1;
VStG §19 Abs2;
VStG §21 Abs1;
VStG §29a;
VStG §43 Abs1;

Beachte

Serie (erledigt im gleichen Sinn):92/10/0415 E 25. Jänner 1993 92/10/0416 E 25. Jänner 1993 92/10/0421 E 25. Jänner 1993 92/10/0418 E 25. Jänner 1993 92/10/0420 E 25. Jänner 1993 92/10/0417 E 25. Jänner 1993

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Waldner und Dr. Novak als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 17. August 1992, Zl. 3/12-61745/27-1991, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes 1975, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren auf Ersatz des Schriftsatzaufwandes wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg (belangte Behörde) wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe zu verantworten, daß am 7. August 1990 um 13.00 Uhr der in M gegenüber der Raika M neben dem Bushaltestellenhäuschen an einer Aluminiumsäule der C & D-Verkehrsbetriebe in einer Höhe von ca. 70 cm über dem Boden installierte Zuckerwarenautomat der Firma Z in S, direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt gewesen sei. Entgegen der Bestimmung des § 1 Abs. 2 erster Satz der Verordnung über die Hygiene bei Zuckerwaren aus Automaten, BGBl. Nr. 127/1988 (in der Folge: Verordnung), sei bei der gegenständlichen Anbringungsart nicht vorgesorgt gewesen, daß der Zuckerwarenautomat nicht direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer habe durch dieses Verhalten gegen § 74 Abs. 4 Z. 1 des Lebensmittelgesetzes 1975 (in der Folge: LMG 1975) in Verbindung mit § 1 Abs. 1 (richtig: Abs. 2) der Verordnung verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 74 Abs. 4 LMG 1975 eine Geldstrafe in der Höhe von S 500,-- (Ersatzfreiheitsstrafe in Dauer von 30 Stunden) verhängt werde.

Nach der Begründung habe der Beschwerdeführer in seiner Berufung gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft S die Auffassung vertreten, daß das Straferkenntnis von einer unzuständigen Behörde erlassen worden sei. Ferner seien Tatort und Tatzeitpunkt nicht ausreichend präzisiert. Der Beschwerdeführer habe auch in Abrede gestellt, daß der Zuckerwarenautomat einer direkten Sonnenbestrahlung ausgesetzt gewesen sei. Auf Grund der Beschaffenheit der enthaltenen Ware könne eine Sonneneinstrahlung diese auch nicht hygienisch nachteilig beeinträchtigen. Die Behauptungen des die Erhebungen durchführenden Organes seien nicht erwiesen. Der Beschwerdeführer habe keine Gelegenheit erhalten, dazu eine Stellungnahme abzugeben. Da die betreffende Verordnung verfassungs- und gesetzwidrig sei, fehle es auch an der Grundlage für ein ordentliches Verfahren. Die verhängte Geldstrafe sei bei weitem überhöht, es hätte durchaus mit einer Ermahnung das Auslangen gefunden werden können.

Demgegenüber vertrat die belangte Behörde im wesentlichen die Auffassung, daß durch die Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 29a VStG an die Wohnsitzbehörde des Beschwerdeführers (Bezirkshauptmannschaft S) den Grundsätzen der Prozeßökonomie entsprochen worden sei. Ob nach der Übertragung tatsächlich die erwartete Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens habe erzielt werden können, sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Übertragung nicht relevant. Tatzeit und Tatort seien bereits im Straferkenntnis (gleichlautend mit der Strafverfügung) mit "7. August 1990, 13.00 Uhr, in M, gegenüber der Raiffeisenkasse neben dem Bushaltestellenhäuschen an einer Aluminiumsäule ca. 70 cm über dem Boden" in ausreichendem Maße bestimmt worden. Das Lebensmittelaufsichtsorgan der Bezirkshauptmannschaft E habe in der von ihm am 9. August 1990 verfaßten Anzeige festgestellt, daß der Zuckerwarenautomat direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt gewesen sei. Bei einer niederschriftlichen Einvernahme am 8. März 1991 habe er diese Angabe wiederholt und darauf hingewiesen, daß in jeder Anzeige der genaue Zeitpunkt angegeben worden sei. Die Tage der lebensmittelpolizeilichen Revision seien sonnenklare Tage gewesen. Die direkte Sonnenbestrahlung sei nach seinen Angaben derart erfolgt, daß auf der Vorderseite der Automaten kein Metallgehäuse, sondern eine durchsichtige Kunststoffverglasung vorhanden gewesen sei.

Nach Auffassung der belangten Behörde stelle die Verordnung auf die Hintanhaltung einer abstrakten hygienisch nachteiligen Beeinflussung der im Automaten enthaltenen Produkte ab. Ob diese bei einer direkten Sonnenbestrahlung des Zuckerwarenautomaten tatsächlich beeinträchtigt worden seien oder auf Grund der behaupteten Qualität nicht beeinträchtigt werden könnten, sei kein Tatbestandsmerkmal. Nach dem Verwaltungsakt sei der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers von der Stellungnahme des Aufsichtsorganes verständigt worden. Er habe sich jedoch darauf beschränkt, die vom Lebensmittelaufsichtsorgan getroffenen Feststellungen lediglich anzuzweifeln bzw. als unrichtig abzutun.

Die verhängte Geldstrafe sei keineswegs überhöht; sie liege bei einem Strafrahmen von S 50.000,-- eindeutig an der Untergrenze. Aus der Anzeige des Aufsichtsorganes sei auch zu ersehen, daß der gegenständliche Sachverhalt keinen Einzelfall darstelle, sondern drei weitere Zuckerwarenautomaten gleichermaßen sorglos gesetzwidrig installiert worden seien. Das Verschulden des Beschwerdeführers könne daher nicht als geringfügig bewertet werden, weshalb von der Möglichkeit zur Ermahnung gemäß § 21 Abs. 1 VStG nicht habe Gebrauch gemacht werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in einem als Gegenschrift bezeichneten Schriftsatz die "Begründung des angefochtenen Bescheides zum Inhalt dieser Gegenschrift gemacht".

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 11 Abs. 1 VwGG gebildeten Strafsenat erwogen:

Gemäß § 21 Abs. 1 LMG 1975 idF. BGBl. Nr. 45/1991 hat der Bundesminister für Gesundheit, Sport und Konsumentenschutz unter Bedachtnahme auf den jeweiligen Stand der Wissenschaft und der Technologie zur Sicherung der Grundsätze der Hygiene im Verkehr mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen nach Anhörung des Ständigen Hygieneausschusses der Codexkommission durch Verordnung nähere Vorschriften

a) über die Beschaffenheit von Lebensmitteln, Verzehrprodukten und Zusatzstoffen in hygienischer Hinsicht und die Erfordernisse zur Erzielung einer solchen Beschaffenheit;

...

c) über die Beschaffenheit von Betriebsmitteln, Räumen, Verkaufsständen, Verkaufsplätzen und Märkten sowie deren Reinigung;

d) über die Art der Reinigung und der Vorsorge gegen Gerüche, Verunreinigungen, Ungeziefer, Schädlinge und Verderb

... zu erlassen.

Auf Grund dieser Bestimmung wurde die bereits genannte Verordnung vom 10. Februar 1988 über die Hygiene bei Zuckerwaren aus Automaten erlassen. Gemäß § 1 Abs. 2 der Verordnung sind Zuckerwarenautomaten so aufzustellen oder anzubringen, daß sie nicht direkter Sonnenbestrahlung ausgesetzt sind.

Gemäß § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG 1975 macht sich, sofern die Tat nicht nach den §§ 56 bis 64 oder nach anderen Bestimmungen einer strengeren Stafe unterliegt, einer Verwaltungsübertretung schuldig und ist wie nach Abs. 1 zu bestrafen, wer unter anderem den Bestimmungen einer auf Grund des § 21 erlassenen Verordnung zuwiderhandelt.

§ 74 Abs. 1 sieht eine Geldstrafe bis zu S 50.000,-- vor.

Der Beschwerdeführer behauptet zunächst, die Voraussetzungen für eine Übertragung des Strafverfahrens durch die Bezirkshauptmannschaft E auf die Bezirkshauptmannschaft S nach § 29a VStG seien nicht gegeben gewesen, da für eine raschere und ordnungsgemäße "Mitteilung" (gemeint wohl: Durchführung des Verfahrens) nur die "anzeigende Behörde" in der Lage gewesen wäre.

Wenn hiedurch das Verfahren wesentlich vereinfacht oder beschleunigt wird, kann die zuständige Behörde gemäß § 29a VStG die Durchführung des Strafverfahrens oder des Strafvollzuges unter anderem auf die Behörde übertragen, in deren Sprengel der Beschuldigte seinen Wohnsitz oder Aufenthalt hat.

Die Frage, ob die Voraussetzungen des § 29a VStG zutreffen, bestimmt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt des Vorgehens der Behörde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 23. September 1987, Zl. 87/03/0119). Demgemäß richtet sich die Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer auf § 29a VStG gestützten Übertragung des Verwaltungsstrafverfahrens nicht danach, ob im nach Übertragung durchgeführten Verfahren tatsächlich eine wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung erzielt wurde, sondern danach, ob die übertragende Behörde im Zeitpunkt ihres Vorgehens nach der angeführten Gesetzesstelle begründet der Auffassung sein konnte, durch die Übertragung des Verfahrens an eine andere Behörde werde der angeführte Erfolg eintreten (vgl. das Erkenntnis vom 28. Februar 1989, Zl. 88/07/0115). In diesem Zusammenhang hat der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung vertreten, daß die grundsätzlich nur der Wohnsitzbehörde eingeräumte Möglichkeit des Vorgehens nach § 43 Abs. 1 VStG eine erheblich Erleichterung und Beschleunigung des Verfahrens erwarten lasse (vgl. etwa das Erkenntnis vom 29. Jänner 1992, Zlen. 91/03/0272, 0273). Wenn daher die belangte Behörde die Auffassung vertrat, daß die gegenständliche Anordnung nach § 29a VStG den Grundsätzen der Prozeßökonomie entsprochen habe, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Der Beschwerdeführer vertritt ferner die Auffassung, die Verordnung enthalte keine strafrechtlich relevanten Normen. Eine strafrechtliche Regelung enthalte nur die Bestimmung des § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG 1975. Für einen Vorwurf nach der Verordnung seien daher auch die notwendigen Bestimmungen im Rahmen des Lebensmittelgesetzes anzuführen.

Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. In der oben wiedergegebenen Fassung des Spruches des angefochtenen Bescheides wurde sowohl § 1 Abs. 2 der Verordnung als auch § 74 Abs. 4 Z. 1 LMG 1975 zitiert und wiedergegeben. Daß die belangte Behörde bei einem weiteren Zitat statt § 1 Abs. 2 der Verordnung § 1 "Abs. 1" anführte, ist als bloßer Schreibfehler zu werten, durch den der Beschwerdeführer in keinen Rechten verletzt wurde.

Da nur der angefochtene Bescheid Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist, erübrigt sich, auf das Vorbringen einzugehen, wonach noch die Behörde erster Instanz dem Beschwerdeführer die Bestimmung des § 3 Abs. 1 der Verordnung zur Last gelegt habe. Dieser Vorwurf ist im angefochtenen Bescheid nicht mehr enthalten.

Wenn der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde bekämpft, ist er darauf zu verweisen, daß diese nur insofern der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle zugänglich ist, als es sich um die Beurteilung handelt, ob der Denkvorgang der Beweiswürdigung schlüssig ist, das heißt mit den Denkgesetzen im Einklang steht, und ob der Sachverhalt, der im Denkvorgang gewürdigt wurde, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden ist (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 8. März 1985, Zl. 85/18/0190 u.a.).

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist nicht erkennbar, weshalb

-

wie der Beschwerdeführer behauptet - Tatort und Tatzeitpunkt und die verpönte direkte Sonneneinstrahlung nicht eindeutig klargestellt seien. Der dem Beschwerdeführer vorgeworfene Verstoß gegen die Verordnung wurde in der Anzeige des Lebensmittelaufsichtsorganes vom 9. August 1990 eindeutig umschrieben und anläßlich der niederschriftlichen Einvernahme am 8. März 1991 vom Anzeigeleger ausdrücklich bestätigt. Der vom Beschwerdeführer vermißte objektive Nachweis seitens einer Wetterdienststelle war daher weder erforderlich noch zur weiteren Aufklärung des Sachverhaltes geeignet, da es nicht auf die aktuelle Wetterlage, sondern auf die Situierung des Automaten ankommt.

Daß die im Automaten befindliche Ware in irgendeiner Form tatsächlich hygienisch nachteilig beeinträchtigt wurde, ist nach den wiedergegebenen Bestimmungen der Verordnung nicht erforderlich.

Für den Verwaltungsgerichtshof ist auch nicht ersichtlich, daß die vorliegende Verordnung - wie der Beschwerdeführer meint - "offensichtlich einseitig" ist und somit gegen den Gleichheitsgrundsatz verstößt.

Was die verhängte Geldstrafe anlangt, so hat die belangte Behörde darauf verwiesen, daß die gegenständliche Übertretung keinen Einzelfall darstelle, sondern weitere Zuckerwarenautomaten gesetzwidrig installiert worden seien. Wenn sie daher das Verschulden des Beschwerdeführers nicht als geringfügig wertete und von der Ermächtigung einer Ermahnung gemäß § 21 Abs. 1 VStG keinen Gebrauch gemacht hat, so kann dies nicht als rechtswidrig erkannt werden. Setzt die Behörde die Strafe ohnehin im unteren Bereich des Strafrahmens an, so ist auch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Vorwurf des Beschwerdeführers, die Behörde habe sich mit seinen Rechtfertigungen nicht auseinandergesetzt, nicht berechtigt, weil nicht zu erkennen ist, zu welchem anderen Ergebnis die Behörde bei Berücksichtigung der ins Treffen geführten Umstände hätte kommen können (vgl. z.B. das Erkenntis vom 10. November 1988, Zl. 88/08/0041). Dies gilt auch, wenn

-

wie im vorliegenden Fall - die Behörde die Strafe im unteren Bereich des Strafrahmens festsetzt und der Beschwerdeführer lediglich das Fehlen von Feststellungen rügt, ohne näher auszuführen, was sich bei Vermeidung des Begründungsmangels ergeben hätte.

Auf Grund dieser Erwägungen erweist sich die Beschwerde zur Gänze als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Für die lediglich auf die Begründung des angefochtenen Bescheides verweisende Gegenschrift der belangten Behörde konnte kein Schriftsatzaufwand zugesprochen werden.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher Verfahrensmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992100419.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

23.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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