TE Vwgh Erkenntnis 1993/1/26 92/11/0070

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Veröffentlicht am 26.01.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §38;
KFG 1967 §66 Abs2 lite;
KFG 1967 §66 Abs3;
KFG 1967 §74 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
StVO 1960 §99 Abs1 litb;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des R in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Jänner 1992, Zl. MA 64-8/559/91, betreffend vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Jänner 1992 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppen A, B, C, E, F und G vorübergehend für die Dauer von 12 Monaten, gerechnet ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 17. November 1989, entzogen.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, daß der Beschwerdeführer wegen am 17. November 1989 begangener Übertretungen des § 99 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 rechtskräftig bestraft worden sei. Daher stehe bindend fest, daß der Beschwerdeführer diese Übertretungen begangen habe. Da es sich nicht um die erstmalige Begehung einer Übertretung im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967 gehandelt habe, sei § 73 Abs. 3 leg. cit. nicht anwendbar.

Im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorzunehmenden Wertung sei zu berücksichtigen, daß mit dem Lenken eines Kraftfahrzeuges im Zusammenhang stehende Alkoholdelikte verwerflich und gefährlich seien. Die seit der Begehung der Tat verstrichene Zeit sei zu kurz, um auf eine Änderung der schädlichen Sinnesart schließen zu können. Im Hinblick auf die beim Beschwerdeführer anzunehmende Neigung zur Begehung von Alkoholdelikten sei die von der Erstbehörde festgesetzte Zeit von 12 Monaten das Minimum des Erforderlichen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Der Beschwerdeführer hält den angefochtenen Bescheid für "nichtig", weil mit Bescheid der Erstbehörde vom 1. März 1990 das Verfahren betreffend die Entziehung der Lenkerberechtigung ausgesetzt und über die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung bisher nicht entschieden worden sei.

Die Auffassung des Beschwerdeführers ist schon deshalb verfehlt, weil selbst dann, wenn ein rechtskräftiger Aussetzungsbescheid erlassen worden wäre, dem Beschwerdeführer kein subjektives Recht auf Nichtbeendigung des Verfahrens erwachsen wäre und er demnach durch die Fortsetzung des Entziehungsverfahrens vor der Beendigung des die Vorfrage betreffenden Verfahrens nicht in seinen Rechten verletzt hätte sein können (siehe die hg. Erkenntnisse vom 30. Juni 1992, Zl. 92/11/0077, und Zl. 91/11/0177). Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, daß auch nach den Behauptungen des Beschwerdeführers kein rechtskräftiger Aussetzungsbescheid vorlag (nach der Aktenlage wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Aussetzungsbescheid mit Bescheid der belangten Behörde vom 22. Oktober 1990 Folge gegeben und der Aussetzungsbescheid aufgehoben) und daß außerdem im Zeitpunkt der Fortsetzung des Entziehungsverfahrens (durch die Erlassung des Vorstellungsbescheides vom 15. November 1991) das Verwaltungsstrafverfahren, bis zu dessen rechtskräftiger Beendigung nach dem erstinstanzlichen Aussetzungsbescheid das Verfahren ausgesetzt werden sollte, durch den Berufungsbescheid der Wiener Landesregierung vom 23. Oktober 1991 bereits rechtskräftig beendet war.

2. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte in Ansehung der Übertretungen, die dem genannten Verwaltungsstrafverfahren zugrundegelegen seien, selbst Beweise aufnehmen und Feststellungen treffen müssen.

Mit diesen Ausführungen setzt sich der Beschwerdeführer über die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinweg, nach der im Falle des Vorliegens einer rechtskräftigen Bestrafung wegen einer Übertretung nach § 99 Abs. 1 StVO 1960 die Kraftfahrbehörde daran gebunden und ihr daher eine selbständige Beurteilung der Vorfrage, ob eine solche Übertretung vorliegt, verwehrt ist (siehe unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 12. Februar 1991, Zl. 90/11/0227, und vom 11. Februar 1992, Zl. 92/11/0038). Es liegt demnach kein Verfahrensmangel vor, wenn die belangte Behörde ihre Bindung an den im Verwaltungsstrafverfahren ergangenen rechtskräftigen Bescheid beachtet und nicht neuerlich ein Ermittlungsverfahren betreffend jene Übertretungen durchgeführt hat, die bereits Gegenstand des Verwaltungsstrafverfahrens gewesen sind.

3. Der Beschwerdeführer rügt, daß sich die erstinstanzliche Behörde im Mandatsbescheid vom 27. November 1989 auch auf eine von ihm am 28. Dezember 1984 begangene Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 4 StVO 1960 gestützt habe, obwohl ihm wegen dieses Vorfalles mit Bescheid vom 7. Jänner 1985 die Lenkerberechtigung für die Dauer von 15 Monaten vorübergehend entzogen und ihm in der Folge am 11. April 1986 die Lenkerberechtigung neuerlich erteilt worden sei.

Diesen Ausführungen ist zu erwidern, daß die Kraftfahrbehörde auf diese Übertretung schon deshalb Bedacht zu nehmen hatte, weil im Rahmen der gemäß § 66 Abs. 3 KFG 1967 vorzunehmenden Wertung, die sowohl für die Annahme der Verkehrsunzuverlässigkeit als auch für die Prognose, wann mit der Wiedererlangung der Verkehrszuverlässigkeit gerechnet werden kann, maßgebend ist, auf alle strafbaren Handlungen (auch länger zurückliegende und getilgte) Bedacht zu nehmen war, die einen Schluß auf die verkehrsrelevante Sinnesart des Beschwerdeführers zulassen (siehe dazu unter anderem die hg. Erkenntnisse vom 29. Mai 1990, Zl. 89/11/0207 und Zl. 89/11/0217). Daß dem Beschwerdeführer im Jahre 1986 die Lenkerberechtigung erteilt wurde, ändert daran nichts. Selbst wenn der Beschwerdeführer am 17. November 1989 nur eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen hätte, hätte jedenfalls die am 28. Dezember 1984 begangene Übertretung dazu geführt, daß die Entziehungszeit nicht gemäß § 73 Abs. 3 KFG 1967 mit vier Wochen hätte festgesetzt werden können.

4. Soweit der Beschwerdeführer vorbringt, ihm sei im Verwaltungsverfahren vorgehalten worden, seit dem 17. November 1989 wiederholt Kraftfahrzeuge in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben, ist darauf schon deshalb nicht näher einzugehen, weil die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid nicht auf weitere derartige Vorfälle gestützt hat und dadurch, daß sie die weiteren Vorfälle nicht zum Anlaß genommen hat, die Entziehung nach § 73 Abs. 1 KFG 1967 auszusprechen und eine längere Zeit nach § 73 Abs. 2 leg. cit. festzusetzen, Rechte des Beschwerdeführers nicht verletzt wurden.

5. Für den Beschwerdeführer ist auch dadurch nichts wesentliches gewonnen, daß die beiden am 17. November 1989 begangenen Übertretungen gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 in engem zeitlichem Zusammenhang stehen (die Übertretungen wurden im zeitlichen Abstand von etwas mehr als einer halben Stunde begangen). Auszugehen ist vom Vorliegen von zwei bestimmten Tatsachen im Sinne des § 66 Abs. 2 lit. e KFG 1967, die hinsichtlich ihrer Verwerflichkeit als gleichwertig zu beurteilen sind (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 92/11/0124, mit weiterem Judikaturhinweis). Berücksichtigt man noch das im Dezember 1984 begangene Alkoholdelikt und die Tatsache, daß sich der Beschwerdeführer auch durch die von ihm erwähnte vorübergehende Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von 15 Monaten - nach dem Akteninhalt handelte es sich dabei nicht um die erste Entziehungsmaßnahme - nicht davon hat abhalten lassen, weitere Alkoholdelikte zu begehen, kann in der vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung für die Dauer von 12 Monaten (ab der vorläufigen Abnahme des Führerscheines am 17. November 1989) jedenfalls keine Rechtswidrigkeit zum Nachteil des Beschwerdeführers erkannt werden.

6. Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992110070.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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