TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/4 92/18/0427

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Veröffentlicht am 04.02.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;
60/02 Arbeitnehmerschutz;

Norm

AAV §102 Abs3;
AAV §8 Abs1;
AAV §97 Abs2;
AAV;
ADNSchV §10;
ADNSchV §114;
ASchG 1972 §31 Abs2 litp;
AVG §37;
GewO 1859 §74a Abs2;
VStG §19;
VStG §22 Abs1;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;
VStG §6;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Zeizinger und Dr. Graf als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde des N in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 6. August 1992, Zl. MA 63-B 36/91/Str, betreffend Bestrafung wegen Übertretungen der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung-AAV, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang des Strafausspruches und des Kostenausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

I.

1. Unter dem Datum 6. August 1992 erließ der Landeshauptmann von Wien (die belangte Behörde) im Instanzenzug dem Beschwerdeführer gegenüber einen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet:

"Sie haben es als Betriebsinhaber der X-Drogerie und Arbeitgeber zu verantworten, daß die Vorschriften der Allgemeinen Arbeitnehmerschutzverordnung, BGBl. Nr.218/1983 in der geltenden Fassung, wonach Arbeitsräume, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen müssen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes vorhanden sein muß; Arbeitsräume möglichst gleichmäßig natürlich belichtet sein müssen, insoferne nicht eingehalten wurden, als am 22.11.1989 der Verkaufsraum der X-Drogerie in W, F-Straße 159, nicht über ins Freie führende Lichteintrittsflächen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betrug und eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes, verfügte.

Die vorhandenen Lichteintrittsflächen (Fenster) sind durch ein Regal, welches über die gesamte Außenwand (ausgenommen die Glastür) verläuft, unwirksam gemacht worden.

Verkaufsraum: 41 m2 Bodenfläche

Lichteintrittsfläche (Glastür) 1,55 m2

Sichtverbindung mit dem Freien (Glastüre) 1,55 m2

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt: § 8 Abs. 1 Allgemeine Arbeitnehmerschutzverordnung BGBl. Nr. 218/1983 in der geltenden Fassung in Verbindung mit § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz BGBl. Nr. 234/1972 in der geltenden Fassung.

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Gelstrafe von Schilling 15.000,--, falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von 15 Tagen, gemäß § 31 Abs. 2 lit. p Arbeitnehmerschutzgesetz.

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes (VStG) zu zahlen: S 1.500,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, d.s. 10 % der Strafe

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten) beträgt daher S 16.500,--. Außerdem sind die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen (§ 67 VStG)".

Ferner wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG ein Beitrag in der Höhe von S 1.500,-- zu den Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen kostenpflichtig aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag stellte, die Beschwerde in Ansehung des Schuldspruches als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. § 8 Abs. 1 erster Satz AAV lautet:

"Arbeitsräume müssen, soweit die Art der Arbeitsvorgänge oder die Zweckbestimmung des Raumes dem nicht entgegenstehen, ins Freie führende Lichteintrittsflächen, wie Fenster, Oberlichten oder Lichtkuppeln, besitzen, deren Summe mindestens ein Zehntel der Fußbodenfläche des Raumes betragen muß; mindestens eine etwa in Augenhöhe gelegene Sichtverbindung mit dem Freien in einer Größe von mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche des Raumes muß vorhanden sein."

Im Beschwerdefall erachtete die belangte Behörde beide in dieser Bestimmung normierten Tatbestände als verwirklicht.

2.1. Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde nicht von Amts wegen die Zweckbestimmung des Geschäftsraumes und die darin durchgeführten Arbeitsvorgänge geprüft habe. Hätte sie dies getan, wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, daß ein Verstoß des Beschwerdeführers gegen § 8 Abs. 1 AAV "überhaupt materiell gar nicht vorliegen kann".

2.2. Dieser Einwand ist auch dann nicht zielführend, wenn man mit dem Beschwerdeführer davon ausgeht, daß in dem Arbeitsraum "empfindliche Waren" gelagert seien, die vor direkter Sonneneinstrahlung geschützt werden müßten, und daß darin des weiteren auch "lichtempfindliche Entwicklungen von Fotos" vorgenommen würden. Denn es war in keiner Phase des Verwaltungsstrafverfahrens strittig, daß der in Rede stehende Raum ein Verkaufsraum ist, also seine Zweckbestimmung der Warenverkauf ist. Im Hinblick auf diese Zweckbestimmung und die damit bestimmte Art der Arbeitsvorgänge hielt die belangte Behörde das Vorhandensein von ins Freie führenden Lichteintrittsflächen und einer etwa in Augenhöhe gelegenen Sichtverbindung zu Recht für geboten. Der Hinweis, daß "bekannte Kosmetikgesellschaften" eine "exklusive Auslage" als Voraussetzung für den Abschluß eines sogenannten Depotvertrages verlangten, führt schon deshalb nicht weiter, weil die Art der Gestaltung einer Auslage nicht zur Zweckbestimmung eines Verkaufsraumes gehört.

3.1. Der Beschwerdeführer hält die aus der Anzeige des Arbeitsinspektorates von der belangten Behörde übernommene Angabe des Ausmaßes der Fußbodenfläche des Verkaufsraumes für unrichtig: Diese Fläche betrage nicht 41 m2, sondern - wie in einer Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 11. September 1990 dargelegt - lediglich 31,7 m2. Im übrigen sei in einem Erhebungsbericht des Arbeitsinspektorates für den

5. Aufsichtsbezirk vom 31. August 1987 das Ausmaß der "freien Fußbodenfläche" mit 33 m2 angegeben. Es genügten nicht Schätzungen des Ausmaßes, es hätte vielmehr eine "exakte technische Ausmessung der Fußbodenfläche" vorgenommen werden müssen. Insoweit sei auch das Ermittlungsverfahren "grob mangelhaft" geblieben.

3.2. Der Beschwerdeführer legt den im § 8 Abs. 1 erster Satz AAV verwendeten Begriff "Fußbodenfäche" - wie seiner vorerwähnten Stellungnahme zu ersehen ist - im Sinne von "freie, durch die Verbauung (Geschäftseinrichtung) nicht beeinträchtigte Fußbodenfläche" aus. Für eine derart einschränkende Auslegung bietet weder der Wortlaut noch der Zweck der Norm einen Anhaltspunkt. "Fußbodenfläche" im Sinne der genannten Vorschrift ist sowohl die begehbare als auch die durch Einrichtungsgegenstände verstellte, also auch die für den Zeitraum des Verstelltseins nicht begehbare Bodenfläche eines Arbeitsraumes.

Geht man so wie das Arbeitsinspektorat und ihm folgend die belangte Behörde von dem im Akt erliegenden (dem Beschwerdeführer durch Akteneinsicht bekannten) Lageplan aus, so beträgt das Ausmaß der Fußbodenfläche des besagten Verkaufsraumes 49,7 m2; daß das Arbeitsinspektorat wie auch die Behörde von dieser Fläche die durch die "Geschäftseinrichtung" beanspruchte Fläche abzogen und nur 41 m2 zugrunde legten, ist zwar unter Zugrundelegung des Vorgesagten objektiv rechtswidrig, bedeutet aber gleichwohl - da ein Fehler zu seinen Gunsten - keine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer hat zwar in seiner Stellungnahme vom 11. September 1990 die Richtigkeit des Ausmaßes von 41 m2 bestritten und das seiner Meinung nach (unter Abziehen der durch die Einrichtung des Verkaufsraumes nicht begehbaren Fläche) richtige Ausmaß mit 36,445 m2 angegeben. Er hat jedoch nicht die im genannten Lageplan eingetragenen Länge- und Breite-Maße des Verkaufsraumes in Zweifel gezogen, die eine Fußbodenfläche von 49,7 m2 ergeben. Es ist daher für den Beschwerdefall das von der Behörde zugunsten des Beschwerdeführers angenommene Ausmaß von 41 m2 zugrunde zu legen. Dies mit der Ergänzung, daß teilweise durch Konsolen verbaute Flächen im Gesamtausmaß von 4,68 m2 - die entsprechenden Angaben des Beschwerdeführers in der Stellungnahme vom 11. September 1990 wurden von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt - abzuziehen wären, da zur Bausubstanz gehörende Teile eines Raumes, die dessen Fußbodenfläche determinieren, nicht zu dieser zu rechnen sind.

Da somit selbst unter Berücksichtigung der von der Behörde allenfalls irrigerweise nicht in Abzug gebrachten Fläche von 4,68 m2 bei Abstellen auf die von der belangten Behörde zugunsten des Beschwerdeführers getroffene Annahme von 41 m2 eine "Fußbodenfläche" von 36,32 m2 verbliebe, und die Fläche der allein als Lichteintrittsfläche und als Sichtverbindung mit dem Freien zur Verfügung stehenden Glastüre - bei den Fenstern kann vom Vorhandensein dieser Wirkungen deshalb nicht mehr gesprochen werden, weil diese durch eine auf DAUER angelegte Einrichtung beseitigt wurden - mit 1,55 m2 unbestritten ist, würde auch in dem für den Beschwerdeführer günstigsten Fall das von § 8 Abs. 1 erster Satz AAV geforderte Ausmaß von mindestens einem Zehntel der Fußbodenfläche (erster Tatbestand) und mindestens einem Zwanzigstel der Fußbodenfläche (zweiter Tatbestand) nicht erreicht sein.

4.1. Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe es unterlassen festzustellen, wann die "bauseitigen Änderungen herbeigeführt wurden", die es verhindert hätten, daß Licht durch die früher einmal bestandenen "Freiflächen" eintrete. Der Beschwerdeführer habe in diesem Zusammenhang im Verfahren vorgebracht, daß das Geschäftslokal vor dem Inkrafttreten der Allgemeinen Dienstnehmerschutzverordnung (BGBl. Nr. 265/1951) in dieser Form bestanden habe, und daher die Übergangsbestimmung der ADNSchV Anwendung finde.

4.2. Dieser Vorwurf ist insofern unzutreffend, als sich die Erstbehörde in ihrem Straferkenntnis vom 1. August 1991 mit dieser Frage auseinandersetzte und im angefochtenen Bescheid (auch) in dieser Hinsicht auf die "zutreffenden Gründe" des Straferkenntnisses verwiesen wurde.

Der Gerichtshof ist darüber hinaus der Ansicht, daß die vom Beschwerdeführer ins Spiel gebrachte Rechtsfrage von der Behörde richtig gelöst wurde: Sie verneinte die Anwendbarkeit der Übergangsbestimmung des § 114 ADNSchV mit dem Argument, daß die hiefür wesentlichen Voraussetzungen, nämlich das Bestehen einer bereits genehmigten Betriebsanlage (nach der Gewerbeordnung 1859) oder das Bestehen eines sonstigen Betriebes, für den bereits bestimmte Anordnungen i.S. des § 74a Abs. 2 letzter Satz der Gewerbeordnung 1859 getroffen worden sind, sachverhaltsbezogen nicht erfüllt seien. Dem ist der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten. Liegt aber eine solche gewerbehördliche Genehmigung nicht vor oder wurden derartige Anordnungen nicht getroffen, so war die ADNSchV auf den in Rede stehenden Geschäftsraum anzuwenden.

Aber auch die in der Berufung des Beschwerdeführers zum Ausdruck gebrachte Meinung, es komme die Übergangsbestimmung des § 102 AAV zum Tragen, ist verfehlt. Im Grunde des § 102 Abs. 3 AAV findet auf den verfahrensgegenständlichen Arbeitsraum § 8 Abs. 1 dieser Verordnung Anwendung, weil im Zeitpunkt des Inkrafttretens derselben der besagte Raum den "in Betracht kommenden Vorschriften über den Dienstnehmerschutz" (hier: § 10 ADNSchV) nicht entsprochen hat.

5.1. Der Beschwerdeführer behauptet einen Verstoß gegen § 44a Z. 1 und 2 VStG, der darin gelegen sei, daß als Tatzeit lediglich ein bestimmter Tag (22. November 1989), nicht jedoch die genaue Uhrzeit angegeben worden sei. Letzteres wäre aber deshalb notwendig gewesen, weil der Anzeigeleger an diesem Tag das Geschäftslokal zweimal betreten habe, es daher nicht ausgeschlossen werden könne, daß er - mangels genauer Zeitangabe - für den "jeweils anderen zeitlich zu terminierenden Vorfall, sohin ohne entsprechenden Schuldvorwurf bestraft werden könnte". Da vom Beschwerdeführer nicht ausgeschlossen werden könne, daß er noch am selben Tag - provisorisch - den Zustand i.S. des § 8 Abs. 1 AAV hergestellt habe, wäre die genaue Zeitangabe umso erforderlicher gewesen.

5.2. Bei den beiden dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Taten handelt es sich jeweils um ein Dauerdelikt. Bei diesem ist nicht nur die Herbeiführung des rechtswidrigen Zustandes, sondern auch dessen Aufrechterhaltung pönalisiert; die Tat wird solange begangen, als der verpönte Zustand dauert. Die Festlegung der Tatzeit mit jenem Zeitpunkt, zu dem die Tat entdeckt wurde, ist demnach nicht rechtswidrig (s. das hg. Erkenntnis vom 18. September 1987, Zl. 86/17/0020). Als vom Spruch des von der belangten Behörde bestätigten Straferkenntnisses umfaßter Tatzeitraum ist somit der bis einschließlich 22. November 1989 wie auch der nach diesem Tag bis zur Erlassung des Straferkenntnisses gelegene Zeitraum anzusehen. Der Hinweis des Beschwerdeführers auf die von ihm möglicherweise noch am 22. November 1989 erfolgte Herstellung des dem § 8 Abs. 1 AAV entsprechenden Zustandes bringt für ihn schon deshalb nichts, weil das Ergreifen dieser Maßnahmen noch an diesem Tag von ihm lediglich "nicht ausgeschlossen werden kann".

Im übrigen hat der Beschwerdeführer nie dezidiert behauptet, den rechtmäßigen Zustand vor Erlassung des Straferkenntnisses herbeigeführt zu haben. Die einschlägigen Ausführungen in der Berufung (Seite 9) deuten vielmehr darauf hin, daß entsprechende Maßnahmen erst nach diesem Zeitpunkt gesetzt worden sind.

6.1. Der Beschwerdeführer hält es für bedeutsam, daß seine Arbeitnehmer, "also jene von § 8 Abs. 1 AAV umfaßten Betroffenen", sich ausdrücklich gegen eine Veränderung des Geschäftslokales ausgesprochen hätten.

6.2. Mit diesem Einwand wird übersehen, daß Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht zur Disposition der (betreffenden) Arbeitnehmer stehen.

7.1. Der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde hätte im Hinblick auf das seit dem Jahr 1986 anhängige Verfahren nach § 97 Abs. 2 AAV das gegenständliche Strafverfahren gemäß § 30 Abs. 2 VStG im Sinne der Verfahrensökonomie aussetzen müssen. Diese Ansicht ist verfehlt.

7.2. Nach § 30 Abs. 2 VStG ist für den Fall, daß eine Tat von den Behörden nur zu ahnden ist, wenn sie nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, und es zweifelhaft ist, ob diese Voraussetzung erfüllt ist, von der Behörde das Strafverfahren auszusetzen.

Da die im Beschwerdefall geahndeten Taten (Verstöße gegen § 8 Abs. 1 AAV) nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit anderer Verwaltungsbehörden oder der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bilden, und dies nicht zweifelhaft ist, bleibt für die Anwendung des § 30 Abs. 2 VStG kein Raum.

8.1. Der Beschwerdeführer bestreitet, daß ihn an den inkriminierten Übertretungen ein Verschulden treffe. Einerseits habe er dazu auf das seit dem Jahr 1986 anhängige "Ausnahmeregelungsverfahren" (§ 97 Abs. 2 AAV) hingewiesen, in dem er "gute Gründe dargelegt habe, diese Ausnahmeregelung zu erwirken". Anderseits habe er sofort nach Einschreiten der Behörde provisorische weitere Lichteintrittsflächen geschaffen. Schließlich bedeute es keinen unentschuldbaren Irrtum, unter Fußboden nur jenen Boden zu verstehen, der mit Füßen betreten werden könne.

8.2. Bei Ungehorsamsdelikten - um solche handelt es sich hier - wird dann, wenn der objektive Tatbestand erwiesen ist, die Schuld des Täters (in Form der Fahrlässigkeit) bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteils präsumiert (§ 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG). Das obige Vorbringen war nicht geeignet, die Schuldlosigkeit des Beschwerdeführers glaubhaft zu machen.

Die Stellung eines Antrages auf Zulassung von Abweichungen von der Vorschrift des § 8 Abs. 1 AAV im Jahr 1986 vermag nicht zu bewirken, daß den Beschwerdeführer an der Aufrechterhaltung des dieser Norm nicht entsprechenden Zustandes in seinem Geschäftslokal kein Verschulden trifft. Gleiches gilt für die Behauptung, daß er den normwidrigen Zustand zu einem nach dem 22. November 1989 gelegenen, im übrigen nicht näher bezeichneten - den Berufungsausführungen zufolge offenbar erst nach Erlassung des Straferkenntnisses anzusetzenden - Zeitpunkt provisorisch beseitigt habe. Daß von einem entschuldbaren Irrtum in der vom Beschwerdeführer genannten Hinsicht keine Rede sein kann, ergibt sich u.a. aus der von ihm selbst der Erstbehörde am 1. März 1990 vorgelegten, anläßlich eines früheren Verfahrens erstatteten Stellungnahme an diese Behörde ("zu MBA 10-Ba 25.757/4/88), in der er ausdrücklich darauf hinweist, mit der Bemängelung des zu geringen Ausmaßes der Lichteintrittsflächen und der Sichtverbindung in seinem Geschäftslokal seit "etwa vier Jahren" konfroniert zu sein (vgl. überdies den Hinweis in der Anzeige des Arbeitsinspektorates vom 29. November 1989, wonach die nunmehr angezeigten Übertretungen dem Beschwerdeführer bereits mittels Inspektionsbefundes vom 22. Juli 1985 mitgeteilt und deren Behebung aufgetragen worden sei). Dem Beschwerdeführer war somit die von seinem Standpunkt abweichende Rechtsansicht der zuständigen Verwaltungsbehörden seit langem bekannt.

9. Der von der belangten Behörde unverändert aufrechterhaltene Strafausspruch des Straferkenntnisses ist dadurch gekennzeichnet, daß wegen der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen eine einzige Strafe (Geldstrafe S 15.000,--; Ersatzfreiheitsstrafe 15 Tage) verhängt wurde.

Wie die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend zum Ausdruck brachte, verstieß diese Vorgangsweise gegen das im § 22 Abs. 1 VStG verankerte Kumulationsprinzip, demzufolge für jede Übertretung eine gesonderte Strafe auszusprechen ist. Ungeachtet der damit gegebenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Strafausspruches sieht sich der Gerichtshof - für das fortzusetzende Verfahren - noch zu folgenden Bemerkungen veranlaßt:

10. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde in ihrer Begründung für die Strafbemessung hinreichend deutlich zu erkennen, daß sie im Hinblick auf das lange Bestehen des rechtswidrigen Zustandes das Ausmaß der Gefährdung der hier einschlägigen Interessen, nämlich der Gesundheit der Arbeitnehmer, als erheblich ansah. Diese Beurteilung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

Was die von der belangten Behörde geäußerte Ansicht betrifft, dem Beschwerdeführer erscheine aufgrund seines gesamten Verhaltens offenbar die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustandes "überaus wichtig", so ist diese Aussage durch den Akteninhalt gedeckt, ist diesem doch zu entnehmen, daß der Beschwerdeführer trotz bis in das Jahr 1985 zurückreichender behördlicher Beanstandungen an dem rechtswidrigen Zustand festhielt. Die Stellung eines Antrages im Grunde des § 97 Abs. 2 AAV vermochte daran nichts zu ändern, da ein solcher Antrag für sich allein den rechtswidrigen Zustand nicht zu einem rechtmäßigen werden läßt. Die von der Behörde im Zusammenhang damit angestellte Überlegung der Spezialprävention ist nicht als rechtsirrig zu erkennen.

Aus den vorstehenden Ausführungen ergibt sich in bezug auf das gemäß § 19 Abs. 2 VStG besonders zu beachtende subjektive Strafzumessungskriterium des Ausmaßes des Verschuldens, daß der Beschwerdeführer die ihm angelasteten Übertretungen vorsätzlich (zumindest in Form des dolus eventualis) begangen hat, was, da zur Begehung dieser Delikte Fahrlässigkeit ausreicht, als Erschwerungsgrund zu werten ist. Daß die Arbeitnehmer des Beschwerdeführers eine (den Vorschriften des § 8 Abs. 1 AAV entsprechende) Änderung des Zustandes "überhaupt nicht wünschen" und sich bei der vom Beschwerdeführer aufrechterhaltenen Situation "äußerst wohl und zufrieden fühlen", erlaubt keine andere Beurteilung.

11. Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte im Hinblick auf § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

12. Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid im Umfang des Strafausspruches und des - mit diesem untrennbar zusammenhängenden - Kostenausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im übrigen, d.h. hinsichtlich des Schuldspruches, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

13. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 1 Z. 1 und 2 sowie § 50 VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Die Abweisung des Stempelgebühren betreffenden Mehrbegehrens beruht darauf, daß die Vorlage der Beilagen, abgesehen von der Ausfertigung des bekämpften Bescheides, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht erforderlich war.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweislast"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff TatzeitErschwerende und mildernde Umstände Schuldform

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992180427.X00

Im RIS seit

11.07.2001

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2010
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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