TE Vfgh Beschluss 1990/9/25 B677/90

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Veröffentlicht am 25.09.1990
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Index

10 Verfassungsrecht
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 (B-VG)

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Instanzenzugserschöpfung B-VG Art144 Abs1 / Gerichtsakt StPO §183 StPO §188 StVG §§120 ff

Leitsatz

Zurückweisung einer Beschwerde gegen die Einschränkung und Überwachung des Briefverkehrs eines Untersuchungshäftlings. Bei allfälligem Vorliegen einer Anordnung des Untersuchungsrichters keine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes zur Überprüfung richterlicher Entscheidungen. Bei Nichtvorliegen einer solchen Anordnung keine Durchschreitung des administrativen Instanzenzuges; Geltung des Beschwerderechts gegen Maßnahmen des Strafvollzugs gemäß §§120 ff StVG auch für Untersuchungshäftlinge. (ähnlich hinsichtlich §§120ff StVG: B v 25.09.90, B1005/90)

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

1. L S, Untersuchungshäftling im Gefangenenhaus des Landesgerichtes Linz, bekämpft mit seiner der Sache nach auf Art144 B-VG gestützten, nicht von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt unterfertigten Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof a) die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Bundespolizeidirektion Linz am 17. Jänner 1990, b) nicht näher beschriebene richterliche Akte sowie c) die Einschränkung und Überwachung seines Briefverkehrs durch Organe des Landesgerichtlichen Gefangenenhauses Linz. Er sei dadurch in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, wie im Recht auf persönliche Freiheit (Art8 StGG, Art5 MRK), im Hausrecht (Art9 StGG) und im Recht auf Schutz des Briefgeheimnisses (Art10 StGG, Art8 MRK), verletzt worden.

2.1. Nach dem Beschwerdevorbringen zu a) fanden die angefochtenen polizeilichen Amtshandlungen am 17. Jänner 1990 (im Beisein des Beschwerdeführers) statt, wie auch aus den vom Verfassungsgerichtshof beigeschafften behördlichen Niederschriften und sonstigen Aktenunterlagen hervorgeht:

Gemäß §82 Abs2 VerfGG 1953 kann eine Beschwerde nach Art144 Abs1 (Satz 2) B-VG nur innerhalb einer Frist von sechs Wochen erhoben werden. Diese Frist beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene Kenntnis von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt erlangt hat (d.i. hier der 17. Jänner 1990), sofern er aber durch diese Maßnahmen behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, mit dem Wegfall dieser Behinderung.

Vorliegend endete die Frist zur Erhebung der Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof mit Ablauf der allgemeinen Beschwerdefrist am 28. Feber 1990, denn der Beschwerdeführer behauptete gar nicht, an der zeitgerechten Ausübung seines Beschwerderechts gehindert gewesen zu sein.

Die am 28. Mai zur Post gegebene Beschwerde erweist sich daher im dargelegten Umfang als verspätet; sie war insoweit (sogleich) als unzulässig zurückzuweisen.

2.2. Weder Art144 B-VG noch eine andere Vorschrift räumt dem Verfassungsgerichtshof die Befugnis zur Überprüfung irgendwelcher Akte der Gerichtsbarkeit ein, wie sie der Beschwerdeführer unter b) anficht. Die Beschwerde war folglich auch in dieser Beziehung als unzulässig zurückzuweisen.

2.3. Doch auch soweit sich die Beschwerde zu c) gegen die Einschränkung und Überwachung des Briefverkehrs (im Gefangenenhaus) richtet, erweist sie sich - unabhängig davon, ob die einschreitenden Organe der Gefangenenhausverwaltung im richterlichen Auftrag oder aus Eigenmacht handelten - als unzulässig, wie nachfolgende Überlegungen zeigen:

Die Beschwerdeberechtigung nach Art144 B-VG setzt voraus, daß der administrative Instanzenzug, sofern ein solcher überhaupt in Betracht kommt, ausgeschöpft ist (Art144 Abs1 letzter Satz B-VG).

Gemäß §188 Abs1 StPO stehen dem Untersuchungsrichter unter anderem die Überwachung des Briefverkehrs und alle übrigen Anordnungen und Entscheidungen zu, die sich auf den Verkehr des Untersuchungshäftlings mit der Außenwelt beziehen.

Nach §183 StPO sind die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinn nach auch auf die Anhaltung in Untersuchungshaft anzuwenden, soweit in der StPO nicht etwas Besonderes bestimmt ist. Demgemäß ist auch Untersuchungshäftlingen ein Beschwerderecht (gegen Maßnahmen des Gefangenenhauspersonals) entsprechend den Vorschriften der §§120 f StVG eingeräumt.

Sollte nun die bekämpfte Anordnung (nämlich Briefe geöffnet abzugeben) auf einen Beschluß des Untersuchungsrichters iS des §188 StPO zurückzuführen sein, so wäre die - in diesem Fall einen Akt der Gerichtsbarkeit rügende - Beschwerde wegen Unzuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (s. Punkt 2.2.) als unzulässig zurückzuweisen.

Erging jedoch eine derartige gerichtliche Verfügung nicht, so genügt die Beschwerde nicht dem Erfordernis des Art144 Abs1 letzter Satz B-VG iVm §82 Abs1 VerfGG 1953, weil der Beschwerdeführer den ihm durch die §§120 f StVG eröffneten administrativen Instanzenzug zur Geltendmachung und Durchsetzung seiner Rechte nicht durchschritten hat (vgl. VfGH 19.6.1985 B310/85, VfSlg. 11.449/1987).

Auch die Beschwerde gegen die Einschränkung und Überwachung des Briefverkehrs mußte demgemäß als unzulässig zurückgewiesen werden.

3. Dieser Beschluß wurde gemäß §19 Abs3 Z2 lita und b VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt.

Schlagworte

Strafvollzug, Beschwerderecht Strafvollzug, VfGH / Instanzenzugserschöpfung, VfGH / Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1990:B677.1990

Dokumentnummer

JFT_10099075_90B00677_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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