TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/11 92/06/0232

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Veröffentlicht am 11.02.1993
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §68 Abs4 Z4;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 lita idF 1983/009;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1 lita;
BauO Stmk 1968 §57 Abs1;
BauO Stmk 1968 §69 Abs3;
BauO Stmk 1968 §70a Abs1;
BauO Stmk 1968 §73;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §32 Abs3;
ROG Stmk 1974 §50a;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Onder und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Giendl, Dr. Müller und Dr. Kratschmer als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde

1. des HK und 2. der LK, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Gemeinderates der Landeshauptstadt Graz vom 10. September 1992, Zl. A 17 - K - 6.267/1990 - 7, betreffend Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Graz hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Im Zuge einer behördlichen Überprüfung vom 16. Mai 1990 auf EZ 214, KG X, wurde festgestellt, daß dieses (im Eigentum der Beschwerdeführer stehende) Grundstück als Übungsplatz (für eine von den Beschwerdeführern betriebene Fahrschule) bzw. als Abstellfläche für Fahrzeuge dient, daß es zur Gänze mit einem Asphaltbelag versehen wurde und drei Sickerschächte für Oberflächenwässer aufweist.

Mit Bescheid vom 2. Juli 1990 wurde gemäß § 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 in der Fassung LGBl. Nr. 15/89, die Nutzung der Liegenschaft als Übungsgelände für eine Fahrschule untersagt, "da die nach dem StROG zulässigen Nutzungen für ein allgemeines Wohngebiet den derzeitigen Verwendungszweck nicht abdecken". Die von den Beschwerdeführern gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 1990 als unzulässig zurückgewiesen; der zuletzt erwähnte Bescheid wurde jedoch mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. April 1991, Zl. 90/06/0199, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im fortgesetzten Verfahren holte die belangte Behörde ein lärmtechnisches und ein medizinisches Sachverständigengutachten ein, gewährte den Beschwerdeführern dazu, sowie in weiterer Folge auch zu einer Ergänzung des medizinischen Sachverständigengutachtens Parteiengehör und wies sodann mit Bescheid vom 10. September 1992 die Berufung der Beschwerdeführer als unbegründet ab. Nach einer Wiedergabe des Berufungsvorbringens und der eingeholten Sachverständigengutachten, der Stellungnahme der Beschwerdeführer, des ergänzenden medizinischen Sachverständigengutachtens und einer weiteren Stellungnahme der Beschwerdeführer führte die belangte Behörde nach Zitierung der Vorschrift des § 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 begründend aus, daß sowohl laut dem Flächenwidmungsplan 1982 als auch nach dem durch eine Bausperre-Verordnung vom 9. April 1992 inhaltlich in Kraft gesetzten Flächenwidmungsplan 1992 das gegenständliche Areal im "allgemeinen Wohngebiet" gemäß § 23 Abs. 5 lit. b des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 liege. "Allgemeine Wohngebiete" seien gemäß § 23 Abs. 5 lit. b ROG Flächen, die vornehmlich für Wohnbauten bestimmt seien, wobei auch Gebäude, die den wirtschaftlichen, sozialen, religiösen und kulturellen Bedürfnissen der Bewohner von Wohngebieten dienten (z.B. Verwaltungsgebäude, Schulgebäude, Kirchen, Krankenanstalten, Kindergärten, Garagen, Geschäfte, Gärtnereien, Gasthäuser und Betriebe aller Art, soweit sie keine den Wohncharakter des Gebietes widersprechenden Belästigungen der Bewohnerschaft verursachen), errichtet werden könnten. Die Nutzung dieses Areals als "Übungsgelände für eine Fahrschule" widerspreche dem Wohncharakter des Gebietes (dies wird unter Hinweis auf die eingeholten Sachverständigengutachten von der belangten Behörde näher begründet). Die Einwände der Beschwerdeführer seien nicht geeignet, die Richtigkeit und Schlüssigkeit der technischen und ärztlichen Gutachten in Zweifel zu ziehen. Auf gleichem fachlichen Niveau sei diesen Gutachten nicht entgegengetreten worden. Aufgrund dieser Sach- und Rechtslage habe der Berufung daher kein Erfolg beschieden sein können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet.

Soweit in der Gegenschrift die Auffassung vertreten wird, daß "die zweite Beschwerdeführerin, nämlich die "Auto- und Motorradfahrschule O" nicht Bescheidadressat gewesen und daher nach Auffassung der belangten Behörde nicht beschwerdeberechtigt" sei, scheint ein Mißverständnis vorzuliegen: Nicht die genannte "Auto- und Motorradfahrschule O" tritt als Beschwerdeführer auf, sondern ausschließlich die beiden - im Spruch dieses Erkenntnisses genannten - Beschwerdeführer; diese werden im Beschwerderubrum nur als Inhaber dieser Fahrschule bezeichnet. Daß neben dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin noch eine dritte beschwerdeführende Partei auftreten sollte (von der die belangte Behörde die Beschwerdelegitimation bezweifelt) kann hingegen der vorliegenden Beschwerde nicht entnommen werden.

In der Sache selbst hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

§ 50a des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974, LGBl. Nr. 127 in der Fassung LGBl. Nr. 15/1989, lautet:

"Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

Wird ein Grundstück ständig oder wiederholt anders als in der im Flächenwidmungsplan festgesetzten Art genutzt, so hat die Gemeinde durch Bescheid das Unterlassen dieser Nutzung vorzuschreiben."

Die zunächst zu untersuchende Frage ist, ob ein Unterlassungsauftrag nach dieser Gesetzesstelle auch erteilt werden kann, wenn es sich um die Benützung einer Anlage handelt, die nach den Bestimmungen der Steiermärkischen Bauordnung bewilligungspflichtig ist:

Dagegen sprechen nicht nur die Gesetzesmaterialien zur Bauordnungsnovelle 1988 (vgl. deren Wiedergabe bei Hauer, Steiermärkisches Baurecht, 397), wonach diese Bestimmung auf ständig oder wiederholte nutzungswidrige Maßnahmen, gegen die mangels sonstiger Rechtsgrundlagen nicht vorgegangen werden kann, abzielt, sondern auch die Überlegung, daß im Falle des Vorliegens einer rechtkräftigen Baubewilligung einer dieser Bewilligung entsprechende (bewilligte) Benützung gemäß § 50a ROG untersagt werden könnte, wenn sich zufolge einer späteren Änderung des Flächenwidmungsplanes ein Widerspruch dieser Nutzung zum Flächenwidmungsplan ergibt. Im Ergebnis liefe diese Bestimmung auf eine (mögliche) Durchbrechung der Rechtskraft erteilter baubehördlicher Bewilligungen im Falle von nachträglichen Änderungen des Flächenwidmungsplanes hinaus. Dies würde nicht nur eine unerträgliche Rechtsunsicherheit für den Inhaber einer rechtskräftigen Baubewilligung bedeuten, sondern auch verfassungsrechtlich bedenklich sein. § 50a ROG ist daher nach seiner erkennbaren Zweckbestimmung - im Einklang mit den Gesetzesmaterialien - einschränkend auszulegen und daher in jenen Fällen nicht anzuwenden, in denen es sich um eine z.B. nach den baurechtlichen Bestimmungen bewilligungspflichtige (wenn auch nicht bewilligte) Flächennutzung handelt; diese ist nämlich - unabhängig von dem nach § 50a ROG maßgebenden Widerspruch zum Flächenwidmungsplan - schon nach baurechtlichen Bestimmungen unzulässig, wenn sie ohne Bewilligung erfolgt. Liegt hingegen eine (wenn auch der Flächenwidmung widersprechende) rechtskräftige Bewilligung vor, so ist § 50a ROG nicht anzuwenden; eine solche Bewilligung müßte vielmehr (gegebenenfalls) zuerst gemäß § 32 Abs. 3 iVm § 68 Abs. 4 Z. 4 BVG für nichtig erklärt werden; hinsichtlich konsensloser Flächennutzungen steht dann gemäß § 70a Abs. 1 der Steiermärkischen Bauordnung 1968, LGBl. Nr. 149 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 14/1989, das Instrument des Beseitigungsauftrages, sowie - gegebenenfalls - die Verhängung von Verwaltungsstrafen gemäß § 73 BO zu Gebote, wobei in erster Linie der Tatbestand der Bauführung ohne Baubewilligung in Betracht kommt (hingegen ist das Benützen eines Bauwerkes ohne Benützungsbewilligung erst ab Vorliegen einer rechtskräftigen Baubewilligung strafbar; vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1983, Zl. 83/06/0103, BauSlg. Nr. 105); § 50a ROG zielt hingegen auf jene Fälle ab, in denen - ohne Dazwischentreten einer behördlichen Bewilligung - der Flächenwidmungsplan unmittelbar Grundlage einer Nutzung ist.

Die Verhängung eines Benützungsverbotes gemäß § 50a ROG käme somit im Beschwerdefall nur dann in Betracht, wenn eine Baubewilligungspflicht hinsichtlich der Errichtung eines Verkehrsübungsplatzes nicht gegeben wäre; eine solche Bewilligungspflicht ist jedoch aus folgenden Gründen zu bejahen:

Gemäß § 57 Abs. 1 lit. a BO bedarf u.a. der Neubau von Gebäuden, Bauwerken und Anlagen (§ 25 Abs. 3 ROG) einer Baubewilligung. Unter einer baulichen Anlage wird in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine solche Anlage verstanden, zu deren Herstellung ein wesentliches Maß bautechnischer Kenntnisse erforderlich ist, die mit dem Boden in eine gewisse Verbindung gebracht wird und wegen dieser Beschaffenheit geeignet ist, die öffentlichen Interessen zu berühren; dieser Begriff liegt auch § 57 BO zugrunde (vgl. Hauer, aaO, Seite 144, mwH). Im Erkenntnis vom 2. Juli 1985, Zl. 85/05/0010, hat der Verwaltungsgerichtshof (bei ähnlicher Rechtslage für den Geltungsbereich der Wiener Bauordnung) ausgesprochen, daß die Herstellung eines Verkehrsübungsplatzes diesen Kriterien entspricht. Der Verwaltungsgerichtshof hält daran auch für den Geltungsbereich der Steiermärkischen Bauordnung fest: Die Herstellung eines Verkehrsübungsplatzes ist daher eine baubewilligungspflichtige Maßnahme gemäß § 57 Abs. 1 lit. a BO.

Es erweist sich daher die Erlassung eines Benützungsverbotes gemäß § 50a ROG aus den dargelegten Gründen im Beschwerdefall schon deshalb als unzulässig. Es wäre vielmehr Sache der zuständigen Behörden, allenfalls die erforderlichen baupolizeilichen Aufträge zu erlassen bzw. Sache der Beschwerdeführer, die Erteilung der erforderlichen Widmungs- und Baubewilligungen zu beantragen.

Im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte hat der Verwaltungsgerichtshof nach der Anordnung des § 41 Abs. 1 VwGG alle für die Entscheidung der Frage, ob das betreffende subjektive Recht der Beschwerdeführer verletzt worden ist oder nicht, maßgebenden Gründe zu beachten. Er hat daher eine für die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit im Rahmen der Beschwerdepunkte maßgebende inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auch dann aufzugreifen, wenn sie - wie hier - vom Beschwerdeführer weder ausdrücklich, noch nach dem Inhalt der Beschwerde geltend gemacht wurde (vgl. u.a. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11528/A). Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne daß es einer Erörterung des zu den von der belangten Behörde eingeholten Gutachten erstatteten umfangreichen Beschwerdevorbringens bedarf.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Planung Widmung BauRallg3Bewilligungspflicht Bauwerk BauRallg4Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992060232.X00

Im RIS seit

03.05.2001

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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