TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/11 90/06/0188

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Veröffentlicht am 11.02.1993
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Index

20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;
96/01 Bundesstraßengesetz;

Norm

AVG §74 Abs1;
AVG §74 Abs2;
AVG §74;
BStG 1971 §20 Abs1;
EisbEG 1954 §44;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte Dr. Würth, Dr. Leukauf, Dr. Giendl und Dr. Müller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde der C in X, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in I, gegen den Bescheid des BM für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 6. September 1990, Zl. 890/682/2-VI/12a-90, betreffend Vertretungskosten im Enteignungsverfahren (mP: Bund - Bundesstraßenverwaltung, vertreten durch den LH von Tirol), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit damit die Berufung der Beschwerdeführerin im Kostenpunkt abgewiesen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.540,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Landeshauptmann von Tirol enteignete mit Bescheid vom 4. Jänner 1989 in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 20. Februar 1989 auf Grund eines Antrages der mitbeteiligten Partei Grundstücke bzw. Grundstücksteile mehrerer Eigentümer für den Ausbau des Knotens X der B 171 Tiroler Straße unter gleichzeitiger Festsetzung von Entschädigungen. Die Enteignung hinsichtlich benötigter Grundstücksteile der Beschwerdeführerin wurde einer späteren Entscheidung vorbehalten. Nach Klärung weiterer Fragen, es sollten die Betriebe der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes als notwendige Existenzgrundlage durch einen Ersatzbau gesichert werden, wurden mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 20. Oktober 1989 Teile der Grundstücke der Beschwerdeführerin Nr. 1022/4 und Nr. 131/2, EZ. 757, KG X, enteignet. In der letzten von mehreren Verhandlungen des Enteignungsverfahrens wurde von der Beschwerdeführerin auch der Ersatz der Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung begehrt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 21. November 1989 als unbegründet abgewiesen. Der dagegen eingebrachten Berufung gab die belangte Behörde unter Spruchpunkt 1. des nunmehr angefochtenen Bescheides vom 6. September 1990 keine Folge. Sie begründete dies in Übereinstimmung mit früheren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes damit, daß das Gesetz einen Zuspruch von Vertretungskosten nicht vorsehe.

Gegen die Abweisung im Kostenpunkt richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und u.a. auf die neuere Judikatur des Obersten Gerichtshofes verwiesen wird, wonach zu den Kosten des gerichtlichen Entschädigungsverfahrens auch die anwaltlichen Vertretungskosten zählen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der von ihr erstatteten Gegenschrift beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen. Ein gleichlautender Antrag wurde von der mitbeteiligten Partei in ihrer Gegenschrift gestellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Nach § 74 Abs. 2 leg. cit. bestimmen die Verwaltungsvorschriften, inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht. Der Kostenersatzanspruch ist so rechtzeitig zu stellen, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann.

Im Geltungsbereich des AVG gilt also hinsichtlich der Kosten des Verwaltungsverfahrens der Grundsatz der Selbsttragung, ein Kostenersatz zwischen den Beteiligten findet nur dort statt, wo er in den Verwaltungsvorschriften geregelt ist.

§ 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71, welche Bestimmung auch im Enteignungsverfahren nach dem Bundesstraßengesetz (vgl. § 20 Abs. 1 erster Satz BStG 1971) anzuwenden ist, lautet:

"Die Kosten des Enteignungsverfahrens und der gerichtlichen Feststellung der Entschädigung sind, soweit sie nicht durch ein ungerechtfertigtes Einschreiten einer Partei hervorgerufen wurden, vom Eisenbahnunternehmen zu bestreiten."

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0211, ausführlich mit der auch hier maßgebenden Rechtsfrage auseinandergesetzt, sich im Ergebnis der nunmehr für das gerichtliche Entschädigungsverfahren vom Obersten Gerichtshof in einem verstärkten Senat vom 19. Dezember 1986,

EvBl. Nr. 60/1987, vertretenen Rechtsauffassung angeschlossen und demgemäß die Meinung vertreten, daß zu den Kosten des Enteignungsverfahrens im Sinne des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählen (vgl. unter Hinweis auf § 43 Abs. 2 VwGG die Ausführungen in dem genannten hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates).

Ausgehend von dieser Rechtslage hat die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Vertretungskosten zu Unrecht abgewiesen. Im Hinblick auf die Besonderheiten des gegenständlichen Enteignungsverfahrens (u.a. vereinbarte Naturalrestitution und Abbruch eines Gebäudes) kann nicht davon gesprochen werden, daß es sich um durch ungerechtfertigtes Einschreiten der Partei verursachte (und daher vom Enteignungswerber nicht zu bestreitende) Kosten anwaltlicher Vertretung gehandelt hat. Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.

Er war demnach gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1990060188.X00

Im RIS seit

27.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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