TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/17 92/01/0835

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Veröffentlicht am 17.02.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Großmann und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. K, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1992, Zl. 4.304.859/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.450,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem Bescheid des (im Devolutionsweg gemäß § 73 Abs. 2 AVG zuständig gewordenen) Bundesministers für Inneres vom 22. Juni 1992 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers - eines jugoslawischen Staatsangehörigen, der am 19. Oktober 1990 in das Bundesgebiet eingereist ist - vom 22. Oktober 1990 gemäß § 3 Asylgesetz 1991 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner ersten Befragung im Asylverfahren am 5. November 1990 hinsichtlich seiner Fluchtgründe angegeben, der albanischen Minderheit in Jugoslawien anzugehören. Er sei seit Jänner 1990 Mitglied der demokratischen Bewegung und der Gewerkschaft in seinem Heimatort und habe seit November 1988 regelmäßig an verschiedenen Demonstrationen teilgenommen. Er sei ausgeforscht, mehrmals festgenommen und verhört worden. Dabei sei er auch "geprügelt" worden, wovon auch seine Narbe auf der rechten Augenbraue stamme. Er habe aber nie zugegeben, an den Demonstrationen teilgenommen zu haben. Demonstriert habe er für die Demokratie, für eine eigene Teilrepublik Kosovo, gegen den Ausnahmezustand im Kosovo, gegen die dortige Unterdrückung durch die serbische Miliz sowie für die Einhaltung der Menschenrechte. Am 3. September 1990 sei er von seinem Arbeitgeber entlassen worden, weil er an einem Generalstreik teilgenommen habe. Im Kosovo würden alle Angehörigen der albanischen Volksgruppe am Arbeitsplatz durch Serben ersetzt. Bis zu seiner Flucht habe er mit allen seinen Kräften dagegen, was er bereits angeführt habe, gekämpft. Als er gesehen habe, "daß alles keinen Sinn hat und ich keine Möglichkeiten mehr habe", sei er geflüchtet.

Die belangte Behörde hat die Auffassung vertreten, daß es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, eine Verfolgung seiner Person durch die Behörden seines Heimatstaates glaubhaft zu machen. Ihr ist wohl im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. unter anderem die Erkenntnisse vom 23. September 1992, Zl. 92/01/0102, und vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585, 0586) darin beizupflichten, daß aus der Tatsache der vorübergehenden Festnahme des Beschwerdeführers und seiner Vernehmung auf Grund der Teilnahme an verbotenen Demonstrationen noch nicht auf eine Verfolgungsmotivation der staatlichen Behörden seines Heimatlandes geschlossen werden kann. Dies trifft allerdings hinsichtlich des vom Beschwerdeführer vorgebrachten weiteren Umstandes, daß er "dabei auch geprügelt" worden sei und auch eine (laut Niederschrift vom 5. November 1990 noch sichtbare) Verletzung erlitten habe, nicht ohne weiteres zu. Die belangte Behörde hat dieses Vorbringen lediglich mit der Begründung - gegen die sich auch der Beschwerdeführer wendet - abgetan, daß die von ihm behaupteten Mißhandlungen Übergriffe einzelner Organe darstellten, welche nicht den staatlichen Behörden zugerechnet werden könnten und daher die Asylgewährung nicht zu rechtfertigen vermögen, ohne daß aber daraus hervorgeht, auf welcher Sachverhaltsgrundlage diese Ansicht beruht (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1992, Zl. 92/01/0235). Sie hat eine Auseinandersetzung mit der weiteren Frage, ob die vom Beschwerdeführer behaupteten (von ihr gar nicht in Abrede gestellten) Mißhandlungen eine Situation geschaffen haben, daß die Furcht des Beschwerdeführers, der demnach den staatlichen Behörden seines Heimatlandes wegen seiner politischen Gesinnung bereits bekannt war, aus diesem Grunde verfolgt zu werden, wohlbegründet und dadurch aus objektiver Sicht ein weiterer Verbleib in seinem Heimatland für ihn unerträglich gewesen sei, unterlassen. Um diese Beurteilung vornehmen zu können, wäre sie im Hinblick darauf, daß die Angaben des Beschwerdeführers einen deutlichen Hinweis auf einen Sachverhalt enthielten, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (in Übereinstimmung mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) in Betracht kam, gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 zu weiteren Ermittlungen verpflichtet gewesen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. November 1992,

Zlen. 92/01/0800-0803). Sie hätte daher in geeigneter Weise auf die Konkretisierung der Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere auch in der Richtung, wann diese Mißhandlungen stattgefunden haben, weil es maßgeblich darauf ankommt, ob sie noch in zeitlichem Zusammenhang zu seiner Ausreise aus seinem Heimatland gestanden sind (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993, Zl. 92/01/0725, mit weiteren Judikaturhinweisen), hinzuwirken gehabt.

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Beschwerde nur in zweifacher Ausfertigung einzubringen und ihr nur eine einzige Kopie des angefochtenen Bescheides beizulegen war, weshalb die hiefür zu entrichtenden Stempelgebühren lediglich S 330,-- betragen, und weil es für die Verzeichnung der Kosten nicht eines zusätzlichen Schriftsatzes (mit den darauf entfallenden Stempelgebühren) bedurft hätte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010835.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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