TE Vwgh Erkenntnis 1993/2/24 92/02/0309

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.02.1993
beobachten
merken

Index

22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs3;
AVG §66 Abs4;
ZPO §467 Z1;

Beachte

Abgegangen hievon mit verstärktem Senat (demonstrative Auflistung): 94/05/0370 E VS 30. Mai 1996 VwSlg 14475 A/1996; (RIS: abwh)

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des B in W, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 13. August 1992, Zl. MA 64-10/42/92/Str, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom 9. Jänner 1992 wurde der Beschwerdeführer einer am 13. November 1991 begangenen Übertretung des Kraftfahrgesetzes 1967 schuldig erkannt und hiefür bestraft. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung "An das Amt der Wiener Landesregierung" und stellte den "Berufungsantrag, das Amt der Wiener Landesregierung wolle meiner Berufung ... Folge geben". Eingebracht wurde diese Berufung bei der Erstbehörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 13. August 1992 wies der Landeshauptmann von Wien diese Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG mit der Begründung als unzulässig zurück, der Beschwerdeführer habe trotz richtiger und vollständiger Rechtsmittelbelehrung der Erstbehörde ausdrücklich die Entscheidung des Amtes der Wiener Landesregierung begehrt, obwohl im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für eine Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien gegeben gewesen seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 6 Abs. 1 AVG hat die Behörde ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen; langen bei ihr Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig ist, so hat sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu verweisen.

Diese Gesetzesstelle läßt den den Verwaltungsverfahrensgesetzen immanenten Grundsatz erkennen, es soll einer Partei aus einer Unkenntnis der Behördenorganisation und der Zuständigkeitsnormen kein Rechtsnachteil entstehen. Es ist Sache der Behörde, dafür zu sorgen, daß ein Parteienanbringen unabhängig von der darin etwa erfolgten Bezeichnung der angerufenen Behörde an die zu seiner Erledigung zuständige Behörde gelangt. Daß dies uneingeschränkt auch für das Berufungsverfahren gilt, ergibt sich aus § 63 Abs. 3 AVG, wonach die Berufung zwar den Bescheid, gegen den sie sich richtet, zu bezeichnen und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten hat, nicht aber - anders als im § 467 Z. 1 ZPO - die zur Entscheidung über die Berufung angerufene Behörde zu benennen hat.

Die Zurückweisung einer Berufung - ebenso wie eines sonstigen Parteienanbringens - wegen Unzuständigkeit der zur Entscheidung angerufenen Behörde wird somit nur dann in Betracht kommen, wenn die Partei auf der Erledigung ihrer Berufung (ihres sonstigen Anbringens) durch die angerufene, aber objektiv unzuständige Behörde beharrt (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, Anm. 2 zu § 6 AVG; Ringhofer, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, I. Bd., Anm. 3 zu § 6 AVG).

Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer seine in Rede stehende Berufung an das "Amt der Wiener Landesregierung", also keinesfalls an eine Behörde, sondern lediglich an den Hilfsapparat mehrerer () Behörden richtete, enthält der übrige Inhalt der Berufung nicht den geringsten Hinweis darauf, daß der Beschwerdeführer in bewußter Abweichung von der Regel des § 51 Abs. 1 VStG die Entscheidung einer vom Unabhängigen Verwaltungssenat Wien verschiedenen Behörde herbeiführen wollte.

Dadurch, daß die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers, anstatt sie an die zuständige Behörde zurückzuleiten, wegen Unzuständigkeit zurückwies, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Instanzenzug Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein Wahrnehmung der Zuständigkeit von Amts wegen Zurückweisung wegen Unzuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992020309.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten