TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/16 92/08/0177

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Veröffentlicht am 16.03.1993
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §90;
AlVG 1977 §36 Abs2;
AVG §37;
AVG §39 Abs2;
NotstandshilfeV §2 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/08/0179

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Liska und die Hofräte Dr. Knell, Dr. Müller, Dr. Novak und Dr. Händschke als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schwächter, über die Beschwerden des B in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Landesarbeitsamtes Wien vom 8. April 1992, jeweils Zl. IVb/7022/7100 B, 920/3716 11 02 41, betreffend Berichtigung des Arbeitslosengeldes und betreffend Höhe der Notstandshilfe ab 7. Februar 1989, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Arbeit und Soziales) Aufwendungen in der Höhe von S 5.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren hinsichtlich des Vorlageaufwandes im Beschwerdeakt Zl. 92/08/0179 wird abgewiesen.

Begründung

1. Mit einem an die belangte Behörde gerichteten und von dieser an das Arbeitsamt Versicherungsdienste weitergeleiteten Schreiben vom 18. September 1989 (beim Arbeitsamt eingelangt am 28. September 1989) stellte der Beschwerdeführer einen "Berichtigungsantrag", worin er ausführte, daß er während seiner Beschäftigung bei einem näher genannten Dienstgeber (nach der Aktenlage handelt es sich um die Beschäftigung vom 5. August 1980 bis 30. November 1980) infolge eines Autounfalles auf einer Dienstfahrt Leistungen ausbezahlt bekommen habe, die dazu führten, daß sein Einkommen bei diesem Dienstgeber zuletzt "jedenfalls auch über der Höchstgrenze" gelegen sei. Er ersuche daher um Berichtigung des Arbeitslosengeldes (nach der Aktenlage für den Zeitraum vom 14. Mai bis 5. August 1983); dieser Sachverhalt sei ihm jetzt erst in Erinnerung gelangt, weil "die Sache" schon so lange zurückliege.

In einem Schreiben des Arbeitsamtes vom 19. Dezember 1989 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, daß die Neuberechnung des Arbeitslosengeldes (ergänze: mit Verständigung) vom 14. Mai 1983 nicht allein wegen dieses Dienstverhältnisses erfolgt sei, sondern daß auch andere Anwartschaften eingerechnet worden seien. Das nach Meinung des Beschwerdeführers höhere Einkommen, welches er bei dem genannten Dienstgeber erhalten hätte, sei für die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht maßgeblich gewesen, da die vom Beschwerdeführer angegebene Entlohnung bereits "über der Höchstbemessungsgrundlage" gelegen gewesen sei und er (ohnehin) die höchste Lohnklasse zuerkannt bekommen habe.

Mit Bescheid vom gleichen Tag wurde dem Antrag des Beschwerdeführers mit der Begründung keine Folge gegeben, daß seit dem 14. Mai 1983 bis 18. September 1989 mehr als fünf Jahre vergangen seien und eine Nachzahlung daher gemäß § 25 Abs. 5 AlVG unzulässig sei.

Mit Schreiben vom 5. Jänner 1990 erhob der Beschwerdeführer Berufung, die er damit begründete, daß es ungeachtet des Umstandes, daß sich das "Arbeitslosen- bzw. Notstandshilfegeld auch in der Höhe nicht verändern sollte ... noch weitere Auswirkungen für Pension und Krankenkasse" gäbe. Er verweise darauf, daß keine Verfristung eingetreten sei, weil "die Verfahren innerhalb offener Fristen eingebracht wurden" und er "für die jahrelange Bearbeitung" der verschiedenen Behörden nichts "dafür" könne. "Sofort" habe er "auch dem Arbeitsamt erklärt, daß die ausgestellte Arbeits- und Lohnbestätigung falsch" sei, weshalb "alle Fristen gewahrt" seien.

Mit Bescheid vom 21. September 1990 hat die belangte Behörde durch ihren gemäß § 56 Abs. 3 AlVG zuständigen Unterausschuß des Verwaltungsausschusses die Berufung des Beschwerdeführers abgewiesen. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der - aufgrund der Anlaßfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1991, G 295/90 und Folgezahlen, mit welchem § 56 Abs. 3 AlVG 1977 als verfassungswidrig aufgehoben wurde - den damals angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 8. Oktober 1991, Zl. 91/08/0013, wegen Unzuständigkeit des genannten Kollegialorganes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufgehoben hat. Mit dem nunmehr für den Leiter der belangten Behörde ausgefertigten Bescheid vom 8. April 1992 wurde die Berufung des Beschwerdeführers neuerlich abgewiesen. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 92/08/0177 protokollierte Beschwerde.

2. Mit Schreiben an das Arbeitsamt vom 25. Juli 1989 wendete sich der Beschwerdeführer dagegen, daß das "NH-Taggeld für zwei Monate reduziert" worden sei, "vermutlich" weil seine Ehefrau im Wochenhilfebezug stehe. Es sei jedoch aktenkundig, daß der Beschwerdeführer mit seiner Ehegattin keinen gemeinsamen Wohnsitz führe. Er stelle daher einen Berichtigungsantrag und erhebe "eventualiter Berufung".

Mit Bescheid vom 29. August 1989 stellte daraufhin das Arbeitsamt gemäß §§ 1 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 1, 3, 4 und 5 der Nostandshilfeverordnung BGBl. Nr. 352/1973, in der geltenden Fassung fest, daß dem Beschwerdeführer die Nostandshilfe ab 7. Februar 1989 in einem näher bezeichneten Ausmaß gebühre. Nach Zitierung der angewendeten Verordnungsbestimmungen legte das Arbeitsamt in der Begründung seines Bescheides in detaillierten Berechnungen näher dar, daß und in welchem Ausmaß das Wochengeld bzw. Familiengeld der Ehegattin des Beschwerdeführers unter Berücksichtigung der Freigrenzen und der bestehenden Sorgepflichten auf die dem Beschwerdeführer gebührende Notstandshilfe in den jeweiligen Zeiträumen anzurechnen sei.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung: Es sei amtsbekannt, daß er mit seiner Ehegattin einen getrennten Haushalt führe und sich im Gartenhaus in T aufhalten müsse. Die Wochenhilfe sei von der Gebietskrankenkasse gepfändet und daher nicht ausbezahlt worden. Außerdem erhalte er keinen "FB-Zuschlag" für das Kind Georg. Ohne eigenes Verschulden habe er Verbindlichkeiten von rund S 1,8 Mio. für sein "Arbeiterwohnhaus" in T und das Arbeitsamt behaupte "gegen die bestehenden Gesetze" diese Zahlungen seien nicht anrechenbar. Die "behaupteten Zeiten des anrechenbaren Einkommens" seien "völlig unrichtig", ebenso wie auch die tatsächlich ausbezahlten Beträge der Wiener Gebietskrankenkasse an seine Ehegattin nicht stimmen würden. Die hohen Belastungen seien als "notwendige Wohnausgaben" zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer beantragte, den "Fehlbescheid" aufzuheben und die "Nachzahlung samt Zinsen laut Bankbelegen (14 %) ab der Zahlungsverzögerung" nachzuzahlen.

In einer Niederschrift vom 6. November 1989 gab der Beschwerdeführer folgendes an:

"Meine Gattin und Kinder sind zwar in Wien Z .. gemeldet, wohnen aber T. Wir führen getrennte Haushalte; ich zahle keinen Unterhalt f. meine Kinder (lediglich d. Familienzuschlag f. Walter von 579,-- gebe ich meiner Gattin). Scheidung ist derzeit nicht beabsichtigt, da ich mir im Augenblick keine Scheidung leisten kann".

Nach einem Aktenvermerk vom 19. Februar 1990 seien laut Auskunft im "Meldeamt X (zuständig für T)" weder der Beschwerdeführer noch seine Ehegattin polizeilich gemeldet. In einem weiteren Schreiben an die belangte Behörde vom 26. Februar 1990 bezog sich der Beschwerdeführer auf ein Telefongespräch mit dem zuständigen Sachbearbeiter und führte aus, daß er "seit ca. 1 Jahr" von seiner Ehegattin getrennt lebe und einen eigenen Haushalt führe. Hinsichtlich seiner "Rückzahlungsverpflichtungen" verwies der Beschwerdeführer auf angeschlossene Belege, aus denen sich ergebe, daß er keine Alimente an die Ehegattin zahlen könne. Der neue Antrag seiner Ehegattin auf Notstandshilfe sei in Baden eingebracht worden.

Am 27. April 1990 gab die Ehegattin des Beschwerdeführers niederschriftlich vernommen an, daß sie mit dem Beschwerdeführer keinen gemeinsamen Haushalt führe. Sie bestreite ihren und den Unterhalt der Kinder aus eigenen Mitteln. Sie koche und wasche nicht für den Beschwerdeführer und erhalte von ihm auch keinen Unterhalt. Nur die Familienbeihilfe werde ihr "persönlich übergeben". Der Beschwerdeführer besuche zwei- bis dreimal die Kinder und bleibe den ganzen Tag. Sie wolle die Wohnung in Wien nicht verlieren, weshalb sie sich von Wien nicht abmelde. Über die "Besitzverhältnisse" (gemeint offenbar: betreffend die Wiener Wohnung) wisse sie nicht Bescheid. Seit ihr Kind in T in die Schule gehe, halte sie sich "überwiegend" in T auf. Aus den "o.a. Gründen" habe sie keine Ummeldung durchgeführt und am 10. Mai 1989 beim Wiener Arbeitsamt einen Antrag auf "KUG" (gemeint: Karenzurlaubsgeld) gestellt und angegeben, daß sich der Beschwerdeführer in T aufhalte. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer in der Wiener Wohnung bzw. bei "seiner Bekannten", deren Namen und Adresse sie nicht kenne.

Einem vom Arbeitsamt Baden eingeholten Erhebungsbericht vom 27. April 1990 zufolge besuche das Kind M, geboren am 15. September 1980, die dritte Klasse der Volksschule in T. Er sei am 16. November 1987 in die erste Klasse eingetreten und habe vorher die Volksschule "S" besucht. Laut Auskunft des Meldeamtes X seien die Ehegattin des Beschwerdeführers und die Kinder M und G seit 23. Februar 1990 in T gemeldet. Vorher habe es keine Anmeldung, auch nicht als Zweitwohnsitz gegeben. Der Beschwerdeführer sei nie in T gemeldet gewesen. Die Ehegattin des Beschwerdeführers sei am 25. April 1990 um 7.30 Uhr an der Adresse in T nicht angetroffen worden. Es sei jemand anwesend gewesen, jedoch sei nicht geöffnet worden. Nach einer Auskunft der Nachbarn hielten sich der Beschwerdeführer und seine Ehegattin ständig an der Adresse T auf.

Die Ehegattin des Beschwerdeführers lehnte es mit Schreiben vom 22. Juni 1990 ab, einer Zeugenladung der belangten Behörde für den 4. Juli 1990 nachzukommen, weil ihr wegen ihres Kleinkindes und aus Kostengründen eine Reise nach Wien nicht möglich sei. Sie schlage vor, ihr die Fragen schriftlich zu übermitteln.

Mit Bescheid vom 21. September 1990 hat die belangte Behörde durch den gemäß § 56 Abs. 3 AlVG zuständigen Unterausschuß des zuständigen Verwaltungsausschusses der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge gegeben und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Der Beschwerdeführer erhob Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, der - wieder aufgrund der Anlaßfallwirkung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Juni 1991, G 295/90 und Folgezahlen, mit welchem § 56 Abs. 3 AlVG 1977 als verfassungswidrig aufgehoben wurde - den damals angefochtenen Bescheid mit Erkenntnis vom 20. Februar 1992, Zl. 92/08/0029, wegen Unzuständigkeit des genannten Kollegialorganes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufgehoben hat.

Mit dem nunmehr für den Leiter der belangten Behörde ausgefertigten Bescheid vom 8. April 1992 wurde der Berufung des Beschwerdeführers neuerlich keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid bestätigt. Nach Zitierung der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzes- und Verordnungsbestimmungen sowie einer Wiedergabe der Ermittlungsergebnisse führt die belangte Behörde begründend aus, sie sei in freier Beweiswürdigung zur Auffassung gekommen, daß die widersprüchlichen Aussagen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft seien und daß auch aufgrund der aufrechten Ehe ein gemeinsamer Haushalt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Ehegattin im relevanten Zeitraum anzunehmen und das Einkommen der Ehegattin auf die Notstandshilfe des Beschwerdeführers in dem vom Arbeitsamt dargelegten Ausmaß anzurechnen sei. Gegen diesen Bescheid richtet sich die zu Zl. 92/08/0179 protokollierte Beschwerde.

3. Der Beschwerdeführer beantragt in seinen Beschwerden, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und Gegenschriften erstattet, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

4. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

4.1. Zum Berichtigungsantrag:

Gemäß § 25 Abs. 5 AlVG in der Fassung des Art. I Z. 10 lit. b der AlVG-Novelle LGBl. Nr. 615/1987 (in Kraft getreten am 1. Jänner 1988) ist eine Verpflichtung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen oder eine Verfügung zur Nachzahlung für Zeiträume unzulässig, die länger als fünf Jahre, gerechnet ab Kenntnis des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Arbeitsamt, zurückliegen. Der Zeitraum verlängert sich um Zeiten, in denen ein gerichtliches oder behördliches Verfahren anhängig war, das die Frage des Anspruches unmittelbar oder mittelbar betroffen hat.

Es kann im Beschwerdefall offen bleiben, in welcher Weise die Bestimmung des § 25 Abs. 5 AlVG auch auf Leistungszeiträume vor ihrem Inkrafttreten anzuwenden ist (d.h. wann ein am 1. Jänner 1988 allenfalls noch aufrechter Anspruch auf Berichtigung von Arbeitslosengeld für frühere Zeiträume nach dieser Bestimmung - die der Sache nach eine Verjährung vorsieht - erlischt), weil sich die Beschwerde schon aus anderen Gründen als unberechtigt erweist:

Das (gemäß § 20 Abs. 1 AlVG aus dem Grundbetrag und den Familienzuschlägen bestehende) Arbeitslosengeld, das dem Beschwerdeführer für die Zeit vom 14. Mai bis 18. September 1983 in der Höhe von S 8.504,-- monatlich zuerkannt wurde, beruhte auf der höchsten Lohnklasse (Lohnklasse 67) nach der Verordnung des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 21. Jänner 1983, BGBl. Nr. 55/1983, worauf der Beschwerdeführer schon mit Schreiben des Arbeitsamtes vom 19. Dezember 1989 aufmerksam gemacht wurde. In seiner Berufung räumte der Beschwerdeführer ausdrücklich ein, daß er "ungeachtet des Umstandes, daß sich das Arbeitslosengeld auch in der Höhe nicht verändern sollte" mit seinem Rechtsmittel die Klärung von Fragen anstrebe, die in anderem Zusammenhang von Bedeutung seien. In seiner Beschwerde rügt der Beschwerdeführer zwar, daß das "Arbeitsamt" es unterlassen habe, die "erforderlichen Erhebungen durchzuführen", behauptet aber ebensowenig, daß die Durchführung solcher Erhebungen über zusätzliche Bezüge des Beschwerdeführers während seines Beschäftigungsverhältnisses vom 5. August bis 30. November 1980 zu einer Erhöhung seines Arbeitslosengeldes im Zeitraum vom 14. Mai 1983 bis 5. August 1983 hätte führen können. Eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers wird daher in der zu Zl. 92/08/0177 protokollierten Beschwerde weder dargetan, noch ist sie dem Verwaltungsgerichtshof erkennbar.

4.2. Zur Anrechnung des Einkommens der Ehegattin auf die Nostandshilfe ab 7. Februar 1989.

Gemäß § 36 Abs. 2 AlVG sind bei der Beurteilung der Notlage (als Voraussetzung für die Gewährung von Notstandshilfe gemäß § 33 Abs. 2 lit. c AlVG) die gesamten wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen selbst, sowie der mit dem Arbeitslosen im gemeinsamen Haushalt lebenden Ehegattin zu berücksichtigen. Näheres regeln die gemäß § 36 Abs. 1 AlVG zu erlassenden Richtlinien (Notstandshilfeverordnung) nach Maßgabe der in § 36 Abs. 3 und 4 AlVG für die Ausgestaltung dieser Verordnung näher umschriebenen Grundsätze. § 2 Abs. 2 der Nostandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, wiederholt im wesentlichen den Gesetzestext des § 36 Abs. 2 zweiter Satz AlVG.

Der Beschwerdeführer bekämpft in seiner zu Zl. 92/08/0179 protokollierten Beschwerde nicht mehr das Ausmaß der Anrechnung des Einkommens seiner Ehegattin (Wochengeld und Karenzurlaubsgeld), sondern ausschließlich die Annahme des gemeinsamen Haushaltes und damit die Anrechnungspflicht dem Grunde nach.

Dazu wird in der Beschwerde vorgebracht, daß "zwei übereinstimmende Aussagen darüber" vorlägen (gemeint ist die des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin), daß der Beschwerdeführer von seiner Ehegattin "getrennt lebe", weshalb keine Rede von widersprüchlichen Aussagen sein könne. Der Umstand, daß sich die Ehegattin des Beschwerdeführers zwecks Wahrung der Mietrechte an der Wiener Wohnung in T nicht angemeldet habe, rechtfertige allein noch nicht die Annahme der Unglaubwürdigkeit der Behauptungen des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin.

Damit bekämpft der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht, daß der in der Begründung des Bescheides niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, daß - sofern in den besonderen Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist - die Würdigung der Beweise keinen anderen, insbesondere keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt aber eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung nicht aus, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist und ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie unter anderem den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut entsprechen (vgl. die Erkenntnisse vom 24. Mai 1974, Slg. Nr. 6819/A, u.v.a.). Unter Beachtung der nämlichen Grundsätze hat der Verwaltungsgerichtshof auch zu prüfen, ob die Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung alle in Betracht kommenden Umstände vollständig berücksichtigt hat (vgl. das Erkenntnis vom 17. November 1992, Zl. 92/08/0071 mit weiteren Hinweisen).

Einer solchen Schlüssigkeitsprüfung hält die Begründung des angefochtenen Bescheides auch unter dem Blickwinkel des Beschwerdevorbringens stand:

Gemäß § 90 ABGB sind die Ehegatten einander zur umfassenden ehelichen Lebensgemeinschaft, sowie (u.a.) auch zum gemeinsamen Wohnen verpflichtet.

Von diesem (typischen) Bild einer aufrechten Ehe darf die Behörde auch im Verwaltungsverfahren nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz grundsätzlich ausgehen, solange nicht die Parteien eine davon abweichende Lebensführung behaupten und die erforderlichen Beweismittel benennen oder beibringen. Anders würde nämlich bei Fragen aus dem persönlichen Lebensbereich, wie jener nach der gemeinsamen oder getrennten Haushaltsführung von Ehegatten, die Behörde gar nicht in der Lage sein, von sich aus eine zweckentsprechende Ermittlungstätigkeit zu entfalten (zur Mitwirkungspflicht in solchen Fragen vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1992, Zl. 92/08/0019). Die Behörde ist daher berechtigt, vom Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes dann weiterhin auszugehen, wenn sie die gegenteiligen Behauptungen der Partei unter Berücksichtigung der Ermittlungsergebnisse für unglaubwürdig erachtet und die von der Behörde dazu in der Begründung des Bescheides angestellten Überlegungen einer Schlüssigkeitsprüfung standhalten.

Im Beschwerdefall hat der Beschwerdeführer in seiner Berufung behauptet, er führe einen getrennten Haushalt und ER müsse sich im "Gartenhaus" in T aufhalten. Seine Gattin sei nur zwecks Erhaltung der Mietrechte in Wien (an der Adresse des Beschwerdeführers) gemeldet. Seit das (ältere) Kind in T zur Schule gehe, halte sich die Ehegattin überwiegend in T auf, wo der Beschwerdeführer sie "zwei- bis dreimal in der Woche" besuche und "den ganzen Tag bleibe". Am 6. Mai 1989 gab der Beschwerdeführer an, ER wohne in WIEN, die Ehegattin in T. Die Ehegattin des Beschwerdeführers gab am 27. April 1990 zwar das gleiche an, räumte aber ein, bei ihrem Antrag auf Karenzurlaubsgeld - im Gegenteil - behauptet zu haben, daß sich DER BESCHWERDEFÜHRER in T aufhalte (und SIE offenbar in Wien wohne) und hat dies (ebenso wie ihre polizeiliche Meldung an der Wiener Adresse) auf "o.a." Gründe gestützt, nämlich darauf, sie wolle die Wohnung in Wien nicht verlieren.

Wenn die belangte Behörde diese Angaben des Beschwerdeführers (und seiner Ehegattin) als widersprüchlich und daher unglaubwürdig erachtete, so ist dies nicht unschlüssig, legen es der Beschwerdeführer und seine Ehegattin (wie ihren verwirrenden und - nach Bedarf - jeweils wechselnden Angaben in verschiedenen Verfahren zeigen) doch offenbar eher darauf an, ihre persönlichen Lebensumstände (die sie aus den eingangs erwähnten Gründen zweifelsfrei darzulegen hätten) zu verdunkeln, als sie zu erhellen.

Mit dem Vorbringen, die belangte Behörde hätte sich durch Befragung seiner "Bekannten", mit der er eine Lebensgemeinschaft führe, bzw. im Rahmen eines Lokalaugenscheines davon überzeugen können, daß seine Ehegattin mit Kindern in T einen eigenen Haushalt führe, behauptet der Beschwerdeführer eine unzureichende Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde. Dies allerdings zu Unrecht:

Hinsichtlich der unterbliebenen Einvernahme der "Bekannten" des Beschwerdeführers geht seine Rüge deshalb ins Leere, weil er im Verwaltungsverfahren weder behauptet hat, mit einer "Bekannten" in Lebensgemeinschaft zu wohnen (sodaß dieses Vorbringen gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren verstößt), noch den Namen oder die Anschrift dieser "Bekannten" der Behörde bekanntgegeben, geschweige denn ihre Einvernahme beantragt hat. Letzteres gilt auch für den "Lokalaugenschein"; diesbezüglich vermag der Verwaltungsgerichtshof auch nicht zu erkennen, welche Aufschlüsse daraus über die (von der belangten Behörde nicht in Zweifel gezogene) Haushaltsführung der Ehegattin des Beschwerdeführers in T hinaus für die Frage der gemeinsamen oder getrennten Haushaltsführung im Jahre 1989 hätten gewonnen werden können.

4.3. Schließlich macht der Beschwerdeführer in beiden Beschwerden geltend, der zuständige Verwaltungsausschuß der belangten Behörde sei zur Entscheidung über die Berufung nach Aufhebung des § 56 Abs. 3 AlVG durch den Verfassungsgerichtshof nicht zuständig gewesen. Dieses Vorbringen ist insofern unverständlich, als schon aus dem Spruch und der Fertigungsklausel der angefochtenen Bescheide ersichtlich ist, daß der Leiter der belangten Behörde, nicht aber ein Verwaltungsausschuß über die Berufungen des Beschwerdeführers (im zweiten Rechtsgang) entschieden hat.

5. Die Beschwerden waren sohin gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Der Vorlageaufwand der belangten Behörde konnte nur einmal zuerkannt werden, weil die Verwaltungsakten nur einmal (und zwar zum Beschwerdeakt Zl. 92/08/0177) vorgelegt wurden.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992080177.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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