TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/16 91/05/0153

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Veröffentlicht am 16.03.1993
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Index

L85004 Straßen Oberösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/13 Sonstiges allgemeines Privatrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §59 Abs1;
AVG §74 Abs1;
AVG §74 Abs2;
EisbEG 1954 §44;
EisbEG 1954;
LStVwG OÖ 1975 §60 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Degischer, Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissär Mag. Gritsch, über die Beschwerde der A in L, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1990, Zl. BauR - 250265/34 - 1990 Ba/Pe, betreffend Vertretungskosten in einem Enteignungsverfahren (mitbeteiligte Partei: Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. Februar 1990 beantragte das Land Oberösterreich, Landesstraßenverwaltung, die Durchführung des Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverfahrens für den Ausbau der Hirschbacher-Bezirksstraße Nr. 1498 von km 0,929 bis km 0,990 im Ortsgebiet von Hellmonsödt. Mit Kundmachung vom 26. Februar 1990 wurde für dieses Projekt die Grundeinlösungs- bzw. Enteignungsverhandlung für den 27. März 1990 anberaumt. Bei dieser Verhandlung hat sich die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin gegen das vorliegende Projekt ausgesprochen, da dieses nicht im öffentlichen Interesse liege. Ihre Argumentation ging im wesentlichen dahin, daß die Verbreiterung der Hirschbacher-Bezirksstraße von derzeit 5,40 m auf 6,00 m zu keinen Verbesserungen für den Durchzugsverkehr führe, bereits auf der der Reichenauerstraße Nr. 2 gegenüberliegenden Straßenseite ein Gehsteig für Fußgänger vorhanden sei und es genügen würde, diesen Gehsteig entlang des Gasthofes Y zu verbreitern. Die Inanspruchnahme dieser Grundfläche läge auch deshalb im öffentlichen Interesse, weil bei dieser Variante weniger fremder Grund in Anspruch genommen werden müßte. Die Beschwerdeführerin sei auf die Vermietung des Hauses, das auf der zu enteignenden Grundfläche steht, angewiesen. In dieser Verhandlung begehrte sie den Ersatz der Anwaltskosten gemäß § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes.

Mit Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 30. August 1990 wurde die beantragte Straßenbaubewilligung erteilt, mit Bescheid derselben Behörde vom 8. November 1990 wurde die Beschwerdeführerin für den Ausbau der Hirschbacher-Bezirksstraße gemäß den §§ 58 bis 60 des O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 hinsichtlich ca. 80 m2 Grund enteignet. Dafür wurde eine Entschädigungssumme festgelegt.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 10. Dezember 1990 wurde der von der Beschwerdeführerin anläßlich der mündlichen Verhandlung am 27. März 1990 gestellte Antrag auf Zuerkennung der der Einschreiterin durch die rechtsfreundliche Vertretung entstandenen Kosten im Enteignungsverfahren gemäß § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sowie § 74 AVG jeweils in Verbindung mit den Bestimmungen des

O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 abgewiesen. Zur Begründung wurde im wesentlichen ausgeführt, das allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) sei von dem Grundsatz geprägt, daß niemand einen Anspruch auf Ersatz der ihm erwachsenden Kosten habe. Ausnahmen seien nach § 74 Abs. 2 AVG den Verwaltungsvorschriften vorbehalten. Mangels einer entsprechenden gesetzlichen Sonderbestimmung im

O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz habe dem Antrag auf Zuerkennung von Vertretungskosten nicht stattgegeben werden können. § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 sei nicht anzuwenden, da die Vorschriften des Eisenbahnenteignungsgesetzes gemäß § 60 Abs. 1 des O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 nur hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit, des Gegenstandes und Umfanges der Enteignung anzuwenden seien. Abgesehen davon sei der Kostenbegriff des § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes nur auf die für die behördlichen Tätigkeiten zu entrichtenden Gebühren beschränkt. Schließlich vertrete auch der Verwaltungsgerichtshof in seiner ständigen Rechtsprechung die Ansicht, daß aus § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes ein Anspruch auf Ersatz der Vertretungskosten nicht abgeleitet werden könne.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid eingebrachten Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof mit Beschluß vom 11. Juni 1991, Zl. B 28/91-3, abgelehnt, mit einem weiteren Beschluß vom 23. Juli 1991, Zl. B 28/91-5, hat dieser Gerichtshof die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten. In der ergänzten Beschwerde werden Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der Behörde und Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Frage der Kostentragung der Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens ist im § 74 AVG geregelt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Nach Abs. 2 bestimmen die Verwaltungsvorschriften, inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht. Der Kostenersatzanspruch ist so zeitgerecht zu stellen, daß der Ausspruch über die Kosten in den Bescheid aufgenommen werden kann. Die Höhe der zu ersetzenden Kosten wird von der Behörde bestimmt und kann von dieser auch in einem Bauschbetrag festgesetzt werden.

Da im gegenständlichen Fall das Kostenbegehren bereits in der Verhandlung vom 27. März 1990, somit vor Erlassung des Enteignungsbescheides gestellt wurde, war es jedenfalls rechtzeitig eingebracht. Angesichts der Formulierung des Antrages ist zweifelsfrei klar gestellt, daß nicht eine höhere Entschädigungssumme sondern die Zuerkennung der der Beschwerdeführerin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung im Enteignungsverfahren entstandenen Kosten beantragt wurde. Grundsätzlich war daher die belangte Behörde zur Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der Vertretungskosten zuständig. Gemäß § 59 Abs. 1 AVG kann, wenn der Gegenstand der Verhandlung eine Trennung nach mehreren Punkten zuläßt, über jeden dieser Punkte gesondert abgesprochen werden, wenn es zweckmäßig erscheint. Aus dieser Bestimmung kann nicht abgeleitet werden, daß über Verfahrenskosten in einem abgesonderten Bescheid nicht oder nur dann abgesprochen werden kann, wenn der in der Hauptsache ergehende Bescheid zumindest einen Hinweis auf einen nachfolgenden Bescheid über die Verfahrenskosten enthält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. November 1960, Slg. N.F. Nr. 5.432/A). Da im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides eine Entscheidung über die Frage des Ersatzes der Vertretungskosten noch nicht ergangen war, hat die belangte Behörde auch ihre Entscheidungskompetenz entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin nicht "aufgebraucht". Die behauptete Unzuständigkeit der belangten Behörde liegt somit nicht vor.

Gemäß § 60 Abs. 1 des O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975, LGBl. Nr. 22, entscheidet über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang der Enteignung die im § 59 genannte Behörde unter sinngemäßer Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954, BGBl. Nr. 71. Diese Verweisung bezieht sich auf das gesamte Eisenbahnenteignungsgesetz, das im Verfahren betreffend die Notwendigkeit, den Gegenstand und den Umfang der Enteignung anzuwenden ist. Die "sinngemäße" Anwendung des Eisenbahnenteignungsgesetzes ist so zu verstehen, daß dessen Bestimmungen nur dort nicht anzuwenden sind, wo sie dem Wesen der Regelung des O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 widersprechen, bzw. daß sie diesem entsprechend angepaßt anzuwenden sind.

Da im § 60 Abs. 1 des O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetzes 1975 keine Bestimmung des Eisenbahnenteignungsgesetzes von der sinngemäßen Anwendung ausgeschlossen ist, gilt grundsätzlich auch dessen § 44 im Enteignungsverfahren nach dem O.ö. Landes-Straßenverwaltungsgesetz 1975. Zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes 1954 hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 11. Februar 1993, Zl. 90/06/0211, abgehend von seiner bisherigen Judikatur, ausgesprochen, daß zu den Kosten des Enteignungsverfahrens auch jene der rechtsfreundlichen Vertretung zählen. Zum Umfang der Kostenersatzpflicht hat der Verwaltungsgerichtshof auf sein Erkenntnis vom 18. Oktober 1973, Zl. 279/73, verwiesen.

Die belangte Behörde hat auf dem Boden der nunmehrigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44 des Eisenbahnenteignungsgesetzes den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung von Vertretungskosten zu Unrecht abgewiesen, im Lichte des oben angeführten Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1973 zumal deshalb, als der Vertreter der Beschwerdeführerin schon in der mündlichen Verhandlung vom 27. März 1990 vertretbare Lösungsvarianten aufgezeigt hat, die hinsichtlich der Notwendigkeit der Enteignung wenigstens eines Teiles der Fläche nicht ungerechtfertigt waren und auch nicht auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung beruhten.

Zu diesem Zeitpunkt war auch die Straßenbaubewilligung noch nicht erteilt, sodaß nicht nur die Frage zu prüfen war, ob die Enteignung der für die Realisierung des Straßenbauvorhabens vorgesehenen Grundstücke im beantragten Umfang erforderlich war.

Der angefochtene Bescheid ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991050153.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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