TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/24 91/12/0286

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Veröffentlicht am 24.03.1993
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
AWG 1990 §35 Abs2;
VwGG §41 Abs1;
VwGG §42 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Herberth, Dr. Germ, Dr. Höß und Dr. Händschke im Beisein der Schriftführerin Mag. Stöckelle, über die Beschwerde der R GmbH in T, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Umwelt, Jugend und Familie vom 25. Oktober 1991, Zl. 08 3542/733-V/4/91, betreffend Exportbewilligung von Abfällen gemäß § 35 AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von S 11.390,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Juni 1991, bei der belangten Behörde eingelangt am 13. Juni 1991, beantragte die beschwerdeführende Partei die Erteilung einer Ausfuhrbewilligung für Abfälle, unter anderem auch für solche mit der Schlüsselnummer 54927 (Ölverunreinigte Putzlappen) gemäß ÖNORM 2100 in die BRD zur I Abfallentsorgungs GesmbH in S, gemäß § 35 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. Nr. 325/1990. Diesem Antrag war die schriftliche Zustimmungserklärung des zuständigen Umweltministers des Importstaates (Bundesland Mecklenburg-Vorpommern), die Bestätigung des zwischen der beschwerdeführenden Partei und der I Abfallentsorgung GesmbH in S abgeschlossenen Vertrages über eine umweltgerechte Entsorgung sowie eine Bankgarantie der Österreichischen Länderbank vom 26. Juni 1991 angeschlossen.

Mit Teilbescheid vom 12. September 1991 bewilligte die belangte Behörde die Ausfuhr von Abfällen der Schlüsselnummern 54926, 54928 der ÖNORM S 2101 sowie der Schlüsselnummer 54930 der ÖNORM 2100 unter Setzung im einzelnen ausgeführter Bedingungen und Auflagen. Dieser Teilbescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies hingegen die belangte Behörde den Antrag auf Erteilung einer Ausfuhrbewilligung für Abfälle der Schlüsselnummer 54927 (ölverunreinigte Putzlappen) der ÖNORM 2100 unter Hinweis auf § 35 Abs. 2 Z. 8 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) ab. Als Begründung wird von der belangten Behörde ausgeführt:

"Mit Schreiben vom 3. Juni 1991 hat die R GesmbH beim Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie um Erteilung einer Ausfuhrbewilligung unter anderem für die im Spruch genannten Abfälle angesucht.

Dem Antrag lag für jede Abfallart eine Einfuhrbewilligung der Bundesministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern vom 30. Mai 1991 bei. Aus dieser Einfuhrbewilligung ist das Bestehen eines Vertrages zwischen der Antragstellerin und der I Abfallentsorgungs GesmbH ersichtlich.

Zur Klärung der Frage, ob die gegenständlichen Abfälle im Inland entsorgt werden können, bzw. ob die gegenständlichen Abfälle oberirdisch ablagerbar sind, wurde die Antragstellerin unter Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG 1991 mit Schreiben vom 19. Juli 1991 ersucht, dem Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie binnen drei Wochen eine Eluatanalyse eines befugten Ziviltechnikers hinsichtlich der zu exportierenden Abfälle vorzulegen, die eine Reihe von Parametern entsprechend der TA-Abfall enthalten sollte.

Mit Schreiben vom 29. Juli 1991 hat die Antragstellerin die im Labor der R GesmbH erstellten Analysen vorgelegt. Aus der Analyse gegenständlicher ölverunreinigter Putzlappen ist laut Stellungnahme des abfalltechnischen Amtsssachverständigen ersichtlich, daß diese einen Kohlenwasserstoffanteil von 8,7 Masse % aufweisen.

Die Deponierung altölgetränkter Textilien mit einem derart hohen Kohlenwasserstoffanteil ist nicht als umweltgerechte Behandlung zu betrachten.

Vielmehr wäre nach Auffassung des Sachverständigen die ordnungsgemäße Verbrennung derartiger Abfälle in dem Stand der Technik entsprechenden Sonderabfallverbrennungsanlagen als umweltgerechte Entsorgung zu betrachten.

Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie hat erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG ist die Bewilligung zur Ausfuhr von Abfällen zu erteilen, wenn unter anderem eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle im Einfuhrstaat gesichert erscheint.

§ 35 Abs. 2 Z. 8 AWG stellt die innerstaatliche Umsetzung des Art. IV Z. 2 lit. e der Basler Konvention über die Kontrolle des grenzüberschreitenden Verkehrs mit gefährlichen Abfällen dar. Zweck der Basler Konvention ist es, sicherzustellen, daß Exporte von gefährlichen Abfällen nur mehr zulässig sein sollen, wenn deren umweltgerechte Behandlung garantiert ist. Bei der Auslegung des § 35 Abs. 2 Z. 8 AWG ist daher von einem hohen Schutzniveau auszugehen.

Abfälle sind nur mehr weitgehend reaktionsarm und möglichst konditioniert und geordnet auf einer Deponie abzulagern.

Gegenständliche Abfälle erfüllen diese Voraussetzung nicht; sie weisen einen Kohlenwasserstoffanteil von 8,7 % Masseprozent auf und sind, um dem Erfordernis einer umweltgerechten Behandlung zu entsprechen, einer Verbrennung in Sonderabfallverbrennungsanlagen, die dem Stand der Technik entsprechen, zuzuführen.

Demgemäß war der Antrag für eine Ausfuhrbewilligung von 3000 Tonnen Abfällen der Schlüsselnummer 54927 abzuweisen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, die Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend macht.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt und legte die Verwaltungsakten vor.

Beide Parteien erstatteten darüberhinaus unaufgefordert weitere Schriftsätze.

Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG unter Abstandnahme von der beantragten Verhandlung in nicht öffentlicher Sitzung erwogen:

Gemäß § 35 Abs. 1 bedarf die Ausfuhr, ausgenommen die Ausfuhr im Zwischenauslandsverkehr im Sinne der zollgesetzlichen Vorschriften, von Abfällen oder Altölen im Sinne dieses Bundesgesetzes der Bewillung des Bundesministers für Umwelt, Jugend und Familie.

Gemäß § 35 Abs. leg. cit. ist die Bewilligung zu erteilen, wenn

"1. keine entsprechenden Behandlungskapazitäten für Abfälle oder Altöle im Sinne dieses Bundesgesetzes im Inland bestehen oder die Abfälle oder Altöle im Sinne dieses Bundesgesetzes als Rohstoffe zur Verwertung und Aufbereitung im Ausland benötigt werden, oder wenn zur Vermeidung von längeren Transportwegen bei gleichwertigem Entsorgungsstandard im In- und Ausland eine Behandlung im Inland nicht zweckmäßig erscheint;

2. eine Erklärung des Einfuhrstaates vorliegt, daß gegen die Einfuhr kein Einwand besteht;

3. eine Bestätigung des Einfuhrstaates vorliegt, daß ein Vertrag zwischen dem Exporteur und dem Behandler, in der die umweltgerchte Behandlung der Abfälle oder Altöle festgelegt ist, abgeschlossen wurde;

4. eine Erklärung der Durchfuhrstaaten vorliegt, daß gegen die Durchfuhr kein Einwand besteht bzw. die Durchfuhrstaaten binnen sechzig Tagen nach Verständigung keine Erklärung abgegeben haben;

5. völkervertragsrechtliche Verpflichtungen nicht entgegen stehen;

6. der Antragsteller das Ausreisezollamt, das Einreisezollamt des Einfuhrstaates und, im Falle einer Durchfuhr, die Einreise- und Ausreisezollämter der Durchfuhrstaaten bekannt gibt;

7. der Bewilligungswerber eine ausreichende Versicherung oder Bankgarantie für die Ausfuhr von Abfällen oder Altölen im Sinne dieses Bundesgesetzes in einer Höhe nachweist, die voraussichtlich die Kosten einer umweltgerechten Behandlung umfaßt, und

8. eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle oder Altöle im Einfuhrstaat gesichert erscheint."

Die Genehmigungspflicht der Abfallausfuhr besteht seit dem Inkrafttreten dieser Bestimmung mit 1. Jänner 1991 (siehe Art. VII Abs. 1 leg. cit.) für alle Abfälle schlechthin. Die unter Ziffern 1. bis 8. genannten Voraussetzungen zur Erteilung einer Exportbewilligung haben kumulativ vorzuliegen.

Die belangte Behörde stützte sich bei Abweisung des von der beschwerdeführenden Partei gestellten Antrages auf Erteilung der Exportbewilligung allein auf die Z. 8 leg. cit. in der Annahme, eine umweltgerechte Behandlung der Abfälle im Einfuhrstaat erscheine nicht gesichert. Inwieweit die belangte Behörde vom Vorliegen der gesetzlich normierten Voraussetzungen der Z. 1 bis 7 leg. cit. ausgehen durfte, kann hier dahingestellt bleiben, weil sich die nachprüfende Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes aussschließlich auf die in Beschwerde gezogenen Punkte der angefochtenen Entscheidung beziehen kann (vgl. auch hg. Erkenntnis vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11525/A). Durch den Beschwerdepunkt wird der Prozeßgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Bescheides gebunden ist (vgl. das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 1984, Slg. Nr. 11525/A, sowie vom 10. April 1985, Zl. 85/09/0049, und andere).

Hinsichtlich der Annahme, die umweltgerechte Behandlung der Abfälle im Ausland sei nicht ausreichend gesichert, wirft die beschwerdeführende Partei der belangten Behörde Begründungsmängel vor, weil die Gründe, die die belangte Behörde zu diesem Ergebnis geführt hätten - im Konkreten:

weshalb bei einem Kohlenwasserstoffanteil von 8,7 Masseprozent die geplante Deponierung nicht umweltgerecht erscheine - dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen sei und der bloße Hinweis auf einen abfalltechnischen Amtssachverständigen für eine Begründung nicht ausreiche. Es sei eine Überprüfung des von der Behörde angenommenen konkreten Sachverhaltes auch mangels jeglicher diesbezüglicher Feststellungen unmöglich.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen. Demnach muß die Behörde in der Bescheidbegründung in einer eindeutigen, die Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichenden und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugänglichen Weise dartun, welcher für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebende Sachverhalt der Entscheidung zugrunde gelegt wurde, aus welchen Erwägungen die belangte Behörde zur Ansicht gelangte, daß gerade dieser Sachverhalt vorliege und aus welchen Gründen sie die Subsumtion dieses Sachverhaltes unter einem bestimmten Tatbestand dafür zutreffend erachtete (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1985, Zl. 84/08/0047). Zur lückenlosen Begründung gehört daher nicht nur die Feststellung des Sachverhaltes, sondern auch die Anführung der Beweismittel im einzelnen, auf die die Feststellungen gegründet werden. Ein Begründungsmangel liegt daher insbesondere vor, wenn er eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides hindert, insbesondere wenn dadurch die Partei des Verwaltungsverfahrens über die von der Behörde angestellten Erwägungen nicht unterrichtet und an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches gehindert worden ist (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 20. März 1984, Zl. 83/04/0248). Mit dem bloßen Hinweis auf die von der beschwerdeführenden Partei selbst vorgelegten Analyse und einer "Stellungnahme des abfalltechnischen Amtsachverständigen" kommt die belangte Behörde dieser Verpflichtung nicht in ausreichendem Maße nach, zumal auch andere im Verwaltungsakt zitierte bzw. vorhandene Ermittlungsergebnisse weder in der Sachverhaltsdarstellung noch in den Erwägungen zur Beweiswürdigung ihren Niederschlag gefunden haben. Die innerhalb der belangten Behörde im Einsichtsverkehr hergestellten oder eingeholten Ermittlungsergebnisse sowie die zur "Umweltgerechtheit" der Entsorgung angestellten Erwägungen blieben gänzlich unkonkretisiert, sodaß es der beschwerdeführenden Partei unmöglich war, dieselben nachzuvollziehen. Auch die Mitteilung der belangten Behörde vom 12. September 1991 über die beabsichtigte Abweisung des Antrages gemäß § 45 Abs. 3 AVG enthielt keine sachverhaltsbezogene Begründung, die die beschwerdeführende Partei - ebenso sachverhaltsbezogen - hätte bestreiten können. Unter diesem Aspekt ist der beschwerdeführenden Partei auch keine Verletzung ihrer Mitwirkungspflicht vorzuwerfen.

Sofern eine Begründungslücke - wie im vorliegenden Fall - die Nachprüfung des Bescheides auf seine inhaltliche Gesetzmäßigkeit hindert, hat die belangte Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1990, Zl. 85/08/0202).

Daraus folgt aber, daß die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet hat, wehalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelAngenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel)

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991120286.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

29.04.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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