TE Vwgh Erkenntnis 1993/3/31 92/01/1039

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Veröffentlicht am 31.03.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 92/01/1040

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden 1. des BI in W, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in W, 2. der VI in W,

3. des XI in W, geb. 1980, und 4. des RI in W, geb. 1981, die Dritt- und Viertbeschwerdeführer vertreten durch die Zweitbeschwerdeführerin als Mutter, diese vertreten durch Dr. J, Rechtsanwalt in W, gegen die Bescheide des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1992, Zl. 4.331.335/1-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von je S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit den im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheiden des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1992 wurde ausgesprochen, daß Österreich den Beschwerdeführern - einem Ehepaar und ihren Kindern albanischer Staatsangehörigkeit, die am 23. September 1991 in das Bundesgebiet eingereist sind - kein Asyl gewähre.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, in Ansehung des jeweils sie betreffenden Bescheides vom Erstbeschwerdeführer (zur hg. Zl. 92/01/1039) und von den Zweit- bis Viertbeschwerdeführern (zur hg. Zl. 92/01/1040) erhobenen Beschwerden. Der Verwaltungsgerichtshof hat wegen des sachlichen Zusammenhanges die Verbindung dieser Beschwerden zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung beschlossen und darüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Begründung der angefochtenen Bescheide enthält zwar verschiedene allgemeine Rechtssätze, und es wurde jeweils abschließend von der belangten Behörde zum Ausdruck gebracht, daß eine die Beschwerdeführer betreffende Verfolgungsgefahr auch "durch die vergangenen Ereignisse" nicht habe bescheinigt werden können, weshalb ihre Flüchtlingseigenschaft zu verneinen gewesen und ihnen kein Asyl zu gewähren sei. Sie hat sich aber mit den (von ihr gar nicht wiedergegebenen) Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Fluchtgründe im Verwaltungsverfahren nicht auseinandergesetzt. Sie hat sich vielmehr damit begnügt, im Rahmen der von ihr zu treffenden Prognose bezüglich des Bestehens einer Verfolgungsgefahr für die Beschwerdeführer auf die in ihrem Heimatland geänderten politischen Verhältnisse seit ihrer Ausreise hinzuweisen. Sie hat diesbezüglich ausgeführt, daß sich alles, was die Beschwerdeführer im Asylverfahren vorzubringen vermocht hätten, auf die Situation in ihrem Heimatland zur Zeit des stalinistischen Regimes und vor allem während der Umbruchszeit 1991/92 bezogen habe. In der Zwischenzeit habe sich jedoch die Lage in Albanien in geradezu spektakulärer und dramatischer Weise geändert. Die derzeit auch effektiv in Kraft stehende Verfassung vom 29. April 1992 gewähre die liberalen Grundrechte wie Glaubens-, Presse- und Versammlungsfreiheit, das Streikrecht, Freizügigkeit und Privateigentum und sichere deren Beachtung durch Institutionen der gewaltenteilenden parlamentarisch-pluralistischen Demokratie. Es seien im Laufe des Jahres 1991 sämtliche politischen Hälftlinge freigelassen worden und keine Fälle staatlicher Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sonstigen sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung mehr bekannt geworden. Nicht geleugnet werden könne die triste wirtschaftliche Lage, ebensowenig die hohe Kriminalitätsrate im Heimatland der Beschwerdeführer; nur stellten diese sicherlich bedauerlichen Mißstände keine "Verfolgung" durch staatliche Organe im Sinne des § 1 Asylgesetz 1991 dar.

Die Beschwerdeführer bestreiten konkret die Änderung der politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland. Ihr Beschwerdevorbringen verstößt nicht gegen das Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, wurde doch den Beschwerdeführern, wie sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten ergibt, im Verwaltungsverfahren keine Gelegenheit gegeben, zu dem von der belangten Behörde herangezogenen Sachverhalt Stellung zu nehmen. Die von ihr für die Ablehnung der Asylanträge maßgebende Argumentation, insbesondere hinsichtlich der geänderten Verfassungsrechtslage, aber auch der Freilassung politischer Gefangener, schließt die Richtigkeit der Behauptung der Beschwerdeführer, es bestehe auf Grund der faktischen politischen Verhältnisse in ihrem Heimatland für sie weiterhin eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der Konventionsgründe, nicht aus (vgl. unter anderem das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Jänner 1993,

Zlen. 92/01/0761, 0762).

Da somit der Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde jeweils zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, waren die angefochtenen Bescheide gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992011039.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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