TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/23 92/17/0282

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Veröffentlicht am 23.04.1993
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Index

L34009 Abgabenordnung Wien;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GefrorenessteuerG Wr 1983 §8;
GetränkesteuerG Wr 1971 §7 Abs1;
LAO Wr 1962 §54 Abs1;
LAO Wr 1962 §7 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kirschner und die Hofräte Dr. Kramer, Dr. Puck, Dr. Gruber und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schidlof, über die Beschwerde 1.) des Dr. G, Rechtsanwalt in B, und 2.) des P in T, dieser vertreten durch den Erstbeschwerdeführer, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 30. September 1992, Zl. MD-VfR - F 21/92 und G 20/92, betreffend Haftung für Getränke- und Gefrorenessteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit zwei Haftungsbescheiden des Magistrates der Bundeshauptstadt Wien, Magistratsabteilung 4/7, jeweils vom 13. April 1992, Zlen. MA 4/7 - F 10/91 und G 8/91, wurden die Beschwerdeführer "auf Grund der §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 in Verbindung mit §§ 2 und 5 der Wiener Abgabenordnung - WAO, LGBl. für Wien Nr. 21/1962, in der derzeit geltenden Fassung" als Geschäftsführer der XY-Ges.m.b.H. (im folgenden: GmbH) für die in der Zeit vom 1. April bis 30. September 1990 entstandene Getränke- und Gefrorenessteuerschuld im Betrag von S 109.878,-- einschließlich Nebenansprüchen (Erstbeschwerdeführer) bzw. für die in der Zeit vom 1. April bis 31. Oktober 1990 entstandene Getränke- und Gefrorenessteuerschuld im Betrag von S 132.288,-- einschließlich Nebenansprüchen (Zweitbeschwerdeführer) haftbar gemacht und zur Zahlung herangezogen.

In den Begründungen dieser Bescheide heißt es übereinstimmend im wesentlichen, da über das Vermögen der GmbH der Konkurs eröffnet und die Masse völlig illiquid sei, sei der Rückstand bei ihr uneinbringlich. Die Beschwerdeführer seien im Handelsregister als Geschäftsführer der GmbH (der Erstbeschwerdeführer bis zum 4. Dezember 1990) eingetragen und daher verantwortliche Vertreter gewesen. Die schuldhafte Verletzung der ihnen als Vertreter gemäß § 54 WAO auferlegten Pflichten sei dadurch gegeben, daß sie es unterlassen hätten, für die (termingerechte) Entrichtung der Getränke- und Gefrorenessteuer zu sorgen.

Der Einwand der Beschwerdeführer, sie seien auf Grund einer Aufgabenteilung nicht mit der Getränkesteuergebarung betraut gewesen, sei nicht durch konkrete Beweismittel bestätigt worden; eine solche Aufgabenteilung ende aber in jedem Fall mit dem Ausscheiden des nach den Angaben der Beschwerdeführer für die Abgabenangelegenheiten zuständigen Geschäftsführers S per 18. Juli 1990. Spätestens ab diesem Zeitpunkt träfen auch die abgabenrechtlichen Verpflichtungen die verbleibenden Geschäftsführer, die sich sodann über die Ordnungsmäßigkeit der Tätigkeit des ausgeschiedenen Geschäftsführers Klarheit zu verschaffen hätten, um gegebenenfalls eingetretene Mängel richtigzustellen und für die Zukunft für eine ordnungsgemäße Steuergebarung Sorge zu tragen.

Der Rückstand resultiere aus den von der GmbH selbst einbekannten Steuerbeträgen einschließlich Nebenansprüchen. Dem tatsächlichen Ende der Geschäftsführertätigkeit des Erstbeschwerdeführers mit Ende Oktober 1990 sei durch Einschränkung des Haftungszeitraumes Rechnung getragen worden.

In den dagegen erhobenen Berufungen führten die Beschwerdeführer sinngemäß aus, daß ihnen in den gegenständlichen Fällen keine schuldhafte Verletzung angelastet werden könne, weil bei der GmbH eine Aufgabenteilung zwischen dem Erst- und Zweitbeschwerdeführer sowie dem weiteren Geschäftsführer S bestanden habe. Der Erstbeschwerdeführer sei danach lediglich für die Wahrung der rechtlichen Angelegenheiten und für den Kontakt zu den Medien, der Zweitbeschwerdeführer für die Produktion sowie den Vertrieb zuständig gewesen. Die Beschwerdeführer brachten weiters vor, daß sie nicht mit dem Tagesgeschäft bzw. mit den Abgabenangelegenheiten betraut gewesen seien; sie hätten sich jedoch auch bei der zuständigen Sachbearbeiterin (Frau V) erkundigt und es sei ihnen über ausdrückliches Befragen mitgeteilt worden, daß keine Steuerrückstände bestünden. Die Bearbeitung der Abgabenangelegenheiten sei durch hiezu geeignete und verläßliche Personen vorgenommen worden und es habe nach Wissen der Beschwerdeführer keine Beanstandungen gegeben. Die Beschwerdeführer hätten auch unverzüglich nach dem Ausscheiden des ehemaligen Geschäftsführers S den Steuerberater J beauftragt, sämtliche allfällige Abgabenverbindlichkeiten aufzulisten; die diesbezüglichen Erhebungen seien in der Folge durchgeführt und es sei ihnen bekanntgegeben worden, daß kein Rückstand bestehe. Hätten die Beschwerdeführer von irgendwelchen Abgabenrückständen gewußt, so wäre eine Überweisung in den genannten Haftungszeiträumen ohne weiteres möglich gewesen, weil die Zahlungsunfähigkeit erst Mitte November 1990 eingetreten sei. Zum Beweis ihres Vorbringens werde die zeugenschaftliche Einvernahme der Sachbearbeiterin und des Steuerberaters sowie die Parteieneinvernahme der Beschwerdeführer beantragt.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid änderte die Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien die erstinstanzlichen Haftungsbescheide dahin ab, daß die Haftungsbeträge auf S 115.731,-- (Erstbeschwerdeführer) und auf S 136.058,-- (Zweitbeschwerdeführer) erhöht wurden; im übrigen wurden die Berufungen unter Hinweis auf die §§ 7 Abs. 1 und 54 Abs. 1 WAO als unbegründet abgewiesen. Daß die Beschwerdeführer zu dem im § 54 Abs. 1 WAO genannten Personenkreis gehörten und die Abgabenforderungen in der angeführten Höhe gegen die genannte GmbH bestünden, stehe unbestritten fest. Weiters stehe unbestritten fest, daß die Abgabenforderung bei der GmbH uneinbringlich sei, zumal über deren Vermögen ein Konkursverfahren eröffnet worden sei. Die Pflichtverletzung der Beschwerdeführer ergebe sich aus der Mißachtung des § 7 Abs. 1 Getränkesteuergesetz für Wien 1971, wonach der Abgabepflichtige bis zum 10. Tag eines jeden Monats die Steuer für die im Vormonat abgegebenen Getränke zu entrichten habe; das Gefrorenessteuergesetz für Wien 1983 enthalte im § 8 eine gleichartige Regelung. Die Beschwerdeführer hätten Sorge tragen müssen, daß die Getränke- und Gefrorenessteuer fristgerecht entrichtet werde. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätten die Geschäftsführer nachzuweisen, daß für sie die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten für die Gesellschaft unmöglich gewesen sei, widrigenfalls angenommen werden könne, daß sie ihren diesbezüglichen Verpflichtungen schuldhafterweise nicht nachgekommen seien. Bei Bestellung mehrerer Geschäftsführer könne der einzelne Geschäftsführer diesen Entlastungsbeweis bereits durch den Nachweis erbringen, daß ihm die Besorgung der Abgabenangelegenheiten nicht oblegen sei und kein Anlaß bestanden habe, die Tätigkeit des mit der Entrichtung der Abgaben betrauten anderen Geschäftsführers wegen Zweifels an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu überprüfen. Die Beschwerdeführer hätten ein derartiges Vorbringen erstattet, in dem sie behauptet hätten, daß der Geschäftsführer S für die Abgabengebarung zuständig gewesen sei. Es könne jedoch dahingestellt bleiben, ob die schriftliche Erklärung vom 5. Oktober 1989 einen tauglichen Nachweis für diese Behauptung dargestellt habe, da auf Grund der Aktenlage feststehe, daß der Geschäftsführer S jedenfalls im Juli 1990 aus seiner Funktion ausgeschieden sei. Eine etwaige Vereinbarung über die Aufteilung der Geschäftsführeragenden sei damit gegenstandslos geworden. Die Beschwerdeführer behaupteten selbst nicht, eine neue Aufteilung beschlossen zu haben. Den erforderlichen Nachweis, daß sie an der abgabenrechtlichen Pflichtverletzung kein Verschulden getroffen habe, hätten die Beschwerdeführer nicht erbracht. Hiezu komme, daß der Zweitbeschwerdeführer seit der Zurücklegung der Geschäftsführerfunktion durch den Erstbeschwerdeführer mit 31. Oktober 1990 ab diesem Zeitpunkt alleiniger Geschäftsführer gewesen sei. Bloße Kontrollfragen ohne tatsächliche Vornahme von Kontrollmaßnahmen seien unzureichend, zumal die beiden aushaftenden Abgaben Selbstbemessungsabgaben darstellten, wobei der Gesetzgeber dem Abgabepflichtigen im Hinblick auf die jährliche Abgabenerklärung einen erheblichen Vertrauensvorschuß eingeräumt habe. Im gegenständlichen Fall wäre eine Kontrolle besonders leicht gewesen, da eine Zahlung der Getränke- und Gefrorenessteuer ab Juni 1990 überhaupt unterblieben sei. Es müßten jedoch die Mittel für deren Bezahlung vorhanden gewesen sein, weil die beiden Abgaben - wirtschaftlich betrachtet - vom Konsumenten entrichtet würden. Es bestehe nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein Hindernis für die Heranziehung zur Haftung auch für die vor der Abberufung des Geschäftsführers S fällig gewordenen Steuerrückstände, weil Geschäftsführer sich bei Übernahme ihrer Geschäftsführertätigkeit darüber unterrichten müßten, ob und in welchem Ausmaß die von ihnen nunmehr vertretene Gesellschaft bisher ihren steuerlichen Verpflichtungen nachgekommen sei. Daß die Unterlassung der Entrichtung der Getränke- und Gefrorenessteuer ursächlich für deren nunmehrige Uneinbringlichkeit sei, sei evident.

Was schließlich die Erhöhung der Haftungsbeträge anlange, sei der Abgabenbehörde erster Rechtsstufe "bei der Festsetzung der Haftungsbeträge insoferne ein Irrtum unterlaufen, als sie die bei der Steuerprüfung vom 16. Jänner 1991 vorgenommene monatsweise Aufteilung der Bemessung für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1990 nicht berücksichtigt hat, sondern den Haftungsbetrag in Form einer aliquotierten Aufteilung ermittelte". Die Haftungsbeträge setzten sich wie folgt zusammen:

Monat              Getränke-      Gefrorenes-

                   steuer         steuer

April     1990   S   7.043,--       S      0,--

Juni      1990   S  29.048,--       S  6.023,--

Juli      1990   S  13.802,--       S  5.817,--

August    1990   S  21.305,--       S  6.125,--

September 1990   S  21.541,--       S  2.758,--

                 S  92.739,--   +   S 20.723,-- = S 113.462,--

Oktober   1990   S  19.928,--

                 S 112.667,--   +   S 20.723,-- = S 133.390,--

    Unter Hinzurechnung eines Säumniszuschlages von 2 % ergebe

sich "für den Zeitraum April 1990, Juni bis September 1990 ein

Haftungsbetrag von S 115.731,-- und für den Zeitraum

April 1990, Juni bis Oktober 1990 ein Haftungsbetrag von

S 136.058,--."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdefall gleicht sowohl hinsichtlich des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes als auch hinsichtlich der strittigen Rechtsfragen dem mit dem hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, Zl. 92/17/0178, gleichfalls zwischen den genannten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens entschiedenen, die Getränkesteuerschulden anderer Gesellschaften für dieselben Zeiträume betreffenden Beschwerdefall. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (§ 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG), zumal sich auch die Beschwerdepunkte sowie die Beschwerdegründe wortwörtlich gleichen.

Dem ergänzenden Vorbringen der Beschwerdeführer, sie hätten die Abgabenbehörde nicht schlechter behandelt als die übrigen Gläubiger, steht freilich das aus § 41 VwGG ableitbare Neuerungsverbot entgegen.

Wenn die Beschwerdeführer schließlich einen weiteren wesentlichen Verfahrensmangel darin erblicken, daß die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die "seinerzeitigen" Haftungsbeträge auf S 115.731,-- (Erstbeschwerdeführer) bzw. auf S 136.058,-- (Zweitbeschwerdeführer) erhöht habe, ohne ihnen die Möglichkeit geboten zu haben, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen bzw. Ausführungen zur Höhe der Abgabenschuld bzw. der Haftungsbeträge zu erstatten, so ist hiezu zu bemerken, daß die Höhe der Abgabenschuld im derzeitigen Verfahrensstadium ohne Bedeutung ist.

Erforderlichenfalls wird auch diese Frage im fortgesetzten Verfahren mit den Beschwerdeführern zu erörtern sein.

Der angefochtene Bescheid mußte daher unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 1992, Zl. 92/17/0178, mangels ausreichender Feststellungen zur schuldhaften Pflichtverletzung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992170282.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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