TE Vwgh Erkenntnis 1993/4/28 93/02/0011

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Veröffentlicht am 28.04.1993
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

B-VG Art130 Abs2;
VStG §20;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Bernard und DDr. Jakusch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des J in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 25. November 1992, Zl. VerkR-15.355/9-1992/Pol, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Oberösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, am 19. Juni 1990 um ca.

23.40 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Pkws an einem näher genannten Ort dieses Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt zu haben und an einem Verkehrsunfall mit Personenschaden ursächlich beteiligt gewesen zu sein, wobei er es unterlassen habe, an der Feststellung des Sachverhaltes mitzuwirken, indem er die Unfallstelle zu Fuß verließ und "einen Nachtrunk" tätigte, sowie die nächste Polizei- und Gendarmeriedienststelle zu verständigen. Dadurch habe er Übertretungen nach § 5 Abs. 1, § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 2 StVO 1960 begangen. Über ihn wurden Geldstrafen in der Höhe von S 13.000,--, 3.000,-- und 2.000,-- (13, 3 und 2 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt.

In seiner an den Verwaltungsgerichtshof gerichteten Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Gerichtshof hat erwogen:

1) Die Annahme, der Beschwerdeführer habe sich im Tatzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden, stützte die belangte Behörde auf ein Gutachten ihrer ärztlichen Amtssachverständigen. Diese hatte das Ergebnis einer Atemluftuntersuchung mit einem Alkomatgerät vom 20. Juni 1990

8.23 Uhr (0,5 mg/l) und die vom Beschwerdeführer im Verwaltungsstrafverfahren aufgestellte Behauptung seiner Nachtrunkmenge von 2/4 l Weißwein verwertet. Die belangte Behörde stützte sich ferner auf das im Verwaltungsstrafverfahren abgegebene Geständnis des Beschwerdeführers, er wisse, daß er zuviel getrunken habe, und auf sein Verhalten im Verfahren zur Entziehung der Lenkerberechtigung (Abgabe eines Rechtsmittelverzichtes in Ansehung einer vorübergehenden Entziehung der Lenkerberechtigung für vier Monate) sowie auf seine Verantwortung im strafgerichtlichen Verfahren wegen des Verkehrsunfalles, schließlich auf das Fahrverhalten des Beschwerdeführers vor dem Unfall ("Schlangenlinienfahren", "Abkommen in der Kurve auf die Gegenfahrbahn"). In einer Ergänzung des Amtssachverständigengutachtens wurde ausgeführt, daß rechnerisch "eine Unterschreitung der 0,8 %o" nicht ausgeschlossen werden könne, wenn der vom Beschwerdeführer vor dem Unfall konsumierte Alkohol zur Tatzeit noch nicht zur Gänze resorbiert gewesen sein sollte; in einer weiteren Ergänzung führte die Sachverständige aus, daß der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte hohe Blutdruck nichts an ihrer Beurteilung ändere. Die belangte Behörde vertrat in diesem Zusammenhang abschließend den Standpunkt, daß auf Grund der auffälligen Fahrweise des Beschwerdeführers unmittelbar vor dem Tatzeitpunkt von einer Alkoholbeeinträchtigung ausgegangen werden müsse, selbst wenn der Grad der Alkoholisierung einen geringfügig unter dem Höchstwert liegenden Blutalkoholgehalt nach sich gezogen haben sollte.

Der Beschwerdeführer bekämpft diesbezüglich die Beweiswürdigung der belangten Behörde. Insofern ist die Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof darauf beschränkt, ob diese Beweiswürdigung schlüssig ist. Hingegen kann der Verwaltungsgerichtshof in einem Verfahren über eine Bescheidbeschwerde nicht prüfen, ob die Beweiswürdigung der belangten Behörde richtig in dem Sinn ist, ob eine den Beschwerdeführer belastende Version oder dessen Verantwortung den Tatsachen entspricht (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).

Der Verwaltungsgerichtshof kann nicht erkennen, daß die auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vorgenommene Würdigung unschlüssig wäre. Selbst wenn zur Tatzeit die vom Gesetz aufgestellte Vermutung, ein Blutalkoholgehalt von 0,8 %o lasse jedenfalls auf eine Alkoholbeeinträchtigung im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO 1960 schließen, nicht zum Tragen käme, weil zu diesem Zeitpunkt der vom Beschwerdeführer unmittelbar vor Antritt der zum Unfallort führenden Fahrt genossene Alkohol noch nicht zur Gänze resorbiert gewesen sei, konnte die belangte Behörde in unbedenklicher Weise davon ausgehen, daß jedenfalls die vom Beschwerdeführer bereits resorbierte Menge in Verbindung mit dem sogenannten Anflutungseffekt eine Alkoholbeeinträchtigung nach sich gezogen hat. Es trifft auch zu, daß sie in diesem Zusammenhang mit dem auffälligen Fahrverhalten des Beschwerdeführers argumentiert; wenn der Beschwerdeführer dieses Verhalten mit näher genannten gesundheitlichen Beeinträchtigungen begründet hat, ist es doch für die Annahme einer relevanten Alkoholbeeinträchtigung ausreichend, daß der Zustand der Fahruntüchtigkeit durch Alkohol mitverursacht wurde.

Im übrigen ist es auch zutreffend, sich bei der Beweiswürdigung in erhöhtem Maße auf Angaben des Beschuldigten unmittelbar nach der Tat zu stützen; es kann daher dahinstehen, aus welchen Gründen der Beschwerdeführer die ebenfalls auf die Annahme einer Alkoholbeeinträchtigung gestützte

- verhältnismäßig geringfügige - Entziehung der Lenkerberechtigung nicht bekämpft hat. Es kann aus diesem Grunde auch dahinstehen, ob es überhaupt einen Verfahrensmangel darstellt, daß die belangte Behörde die Ausführungen des Beschwerdeführers in seiner letzten Stellungnahme im Verwaltungsstrafverfahren vom 26. November 1992 nicht berücksichtigt hat, obwohl der angefochtene Bescheid erst am 3. Dezember 1992 zugestellt wurde (der Beschwerdeführer hat die ihm zuletzt gesetzte Frist zur Stellungnahme zum "Ergänzungsgutachten" der ärztlichen Amtssachverständigen bis 18. November 1992 nicht genützt, die in Rede stehende Stellungnahme vom 26. November 1992 langte erst nach Abfertigung des angefochtenen Bescheides bei der belangten Behörde ein, die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid davon aus, daß der Beschwerdeführer keine Äußerung erstattet hat). Der Inhalt dieser Stellungnahme läßt nämlich keinen Zweifel an der Schlüssigkeit der dem angefochtenen Bescheide zugrundeliegenden Beweiswürdigung aufkommen. Sie setzt sich lediglich mit dem Umstand auseinander, daß der Beschwerdeführer gesundheitliche Beeinträchtigungen und keinen Blutalkoholgehalt von mehr als 0,8 %o aufgewiesen habe.

Der Schuldspruch in Ansehung des § 5 Abs. 1 StVO 1960 hält daher der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.

2) Hinsichtlich der Übertretungen nach § 4 Abs. 1 lit. c und § 4 Abs. 2 StVO 1960 macht der Beschwerdeführer der Sache nach geltend, daß er bei dem vorangegangenen Verkehrsunfall Kopfverletzungen erlitten habe, die seine Zurechnungsunfähigkeit nach sich gezogen hätten. Auch zu dieser Frage hat die belangte Behörde gutächtliche Äußerungen der ärztlichen Amtssachverständigen eingeholt. Diese hatte ausgeführt, daß aus medizinischer Sicht dieser Einwand nicht nachvollzogen werden könne. Der Beschwerdeführer habe wohl bei dem Unfall einen "Schreck" davongetragen, von einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Unfallschock könne nicht gesprochen werden. Daraus und aus dem ihrer Auffassung nach geordneten und zielgerichteten Verhalten des Beschwerdeführers - er ist zu Fuß nach Hause gegangen und hat den tatbestandsmäßigen Alkoholkonsum getätigt - schloß die belangte Behörde auf die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers nach dem Unfall. Auch diese Annahme kann vom Verwaltungsgerichtshof nicht als unschlüssig qualifiziert werden. Der Versuch des Beschwerdeführers, sein Verhalten als unvernünftig und in Ansehung der Absicht, sich der Verantworung zu entziehen, als unzweckmäßig darzustellen, kann nicht dazu führen, den Beschwerdeführer von seiner Verantwortlichkeit in Ansehung der hier in Rede stehenden Verwaltungsübertretungen zu entschuldigen.

Auch der Schuldspruch in Ansehung der beiden Übertretungen nach § 4 StVO 1960 ist daher nicht als rechtswidrig zu erkennen.

3) Was schließlich die vom Beschwerdeführer bekämpfte Strafbemessung anlangt, hat die belangte Behörde zutreffend eine Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 20 VStG abgelehnt. Diese Gesetzesstelle, auf deren Anwendung ein Rechtsanspruch besteht, setzt ein Überwiegen der Milderungsgründe voraus. Davon kann aber beim Beschwerdeführer keine Rede sein, kann er doch nur einen Milderungsgrund, nämlich seine verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, ins Treffen führen. Es ist aber zu Lasten des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, daß im vorliegenden Zusammenhang insgesamt drei Verwaltungsübertretungen begangen worden sind. Der Beschwerdeführer bringt selbst mit Nachdruck vor, daß er kein Geständnis abgelegt hat, sodaß ihm auch dieser Milderungsgrund von vornherein nicht zugute kommen kann. Ferner haben die Taten im Hinblick auf den Verkehrsunfall mit Personenschaden, an welchem er ein Verschulden gar nicht in Abrede stellt, nachteilige Folgen nach sich gezogen, sodaß sogar ein Straferschwerungsgrund vorliegt. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse haben in diesem Zusammenhang außer Betracht zu bleiben, weil aus ihnen Milderungsgründe nicht abgeleitet werden könnten.

Konnte die belangte Behörde von vornherein die Anwendbarkeit des außerordentlichen Milderungsrechtes - anders als in dem vom Beschwerdeführer zitierten Fall des hg. Erkenntnisses vom 27. Mai 1992, Zl. 91/02/0158 - zutreffend verneinen, so hegt der Verwaltungsgerichtshof auch gegen die nach freiem Ermessen vorgenommene Strafbemessung keine Bedenken.

4) Die vorliegende Beschwerde erweist sich insgesamt als unbegründet. Sie war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020011.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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