TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/10 93/02/0003

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Veröffentlicht am 10.05.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §16 Abs1 lita;
StVO 1960 §16 Abs2 litb;
StVO 1960 §99 Abs3 lita;
VStG §22 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Stoll und Dr. Baumann als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Strohmaier, über die Beschwerde des W in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 28. Oktober 1992, Zl. VerkR-15.387/1-1992/Kof, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit der Beschwerdeführer einer Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO schuldig erkannt und hiefür bestraft wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.420,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 31. Juli 1990 um 09.25 Uhr einen Pkw auf der Mattseer Landesstraße aus Richtung Mattsee kommend in Fahrtrichtung Mattighofen gelenkt und bei Straßenkilometer 12,4

1)

ein Fahrzeug überholt, obwohl andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden konnten (der entgegenkommende Fahrzeuglenker habe auf das Bankett ausweichen müssen, um einen Zusammenstoß zu verhindern), und

2)

verbotenerweise im Bereich einer durch ein Maisfeld unübersichtlichen Linkskurve ein Fahrzeug überholt (ein Überholen wäre in diesem Bereich nur dann zulässig gewesen, wenn die Fahrbahn durch eine Sperrlinie geteilt gewesen wäre und diese Linie vom überholenden Fahrzeug nicht überschritten worden wäre).

Der Beschwerdeführer habe hiedurch Verwaltungsübertretungen zu 1) nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO und zu 2) nach § 16 Abs. 2 lit. b StVO begangen. Es wurden Geldstrafen (Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1.) Zur Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO:

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht das sich aus der Bestimmung des § 16 Abs. 1 lit. a StVO ergebende Tatbild darin, daß der Lenker eines Fahrzeuges einen Überholvorgang ungeachtet dessen, daß andere Straßenbenützer gefährdet oder behindert werden könnten, durchführt, indem er mit dem Überholen beginnt oder den Überholvorgang nicht abbricht, solange dies noch möglich ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 29. August 1990, Zl. 90/02/0044, und vom 17. April 1991, Zl. 90/02/0171). Es entspricht auch der hg. Rechtsprechung, daß die Bestimmungen des § 16 Abs. 1 lit. a und des § 16 Abs. 2 lit. b StVO einander nicht von vornherein ausschließen. Bei der erstgenannten Bestimmung kommt es aber nicht auf den Eintritt einer Gefährdung am Ende eines unerlaubten Überholvorganges, sondern auf ein bei Beginn des Überholvorganges (bzw. was das Abbrechen eines Überholvorganges anlangt, während dieses Vorganges) erkennbares Gefährden-Können an. Ein Fahrzeuglenker kann daher durch einen Überholvorgang beide in Rede stehenden Übertretungen begehen, wenn er beispielsweise vor einer unübersichtlichen Kurve und trotz (im näheren oder weiteren Straßenverlauf) erkennbaren Gegenverkehrs (der gefährdet werden könnte) zu überholen beginnt, oder wenn er - nachdem er ohne erkennbaren Gegenverkehr, aber vor einer unübersichtlichen Kurve zu überholen begonnen hat - trotz während des Überholvorganges erkennbar werdenden Gegenverkehrs den Überholversuch nicht abbricht, obwohl dies noch möglich wäre (vgl. neuerlich das bereits zitierte Erkenntnis vom 29. August 1990).

Daß ein solcher Sachverhalt im Beschwerdefall gegeben wäre, ist aus den behördlichen Feststellungen nicht ableitbar. Feststellungen in der Richtung, daß dem Beschwerdeführer bereits zu Beginn oder während des Überholmanövers das Vorhandensein eines Gegenverkehrs und damit der Umstand, daß dieser gefährdet oder behindert werden könnte, erkennbar gewesen wäre, und er sein Fahrverhalten im Sinne der oben wiedergegebenen Judikatur nicht darauf eingestellt hätte, sind der Begründung des angefochtenen Bescheides nicht zu entnehmen. Aus der Zeugenaussage des Anzeigers, eines Gendarmeriebeamten, dem die belangte Behörde Glauben geschenkt hat, ergibt sich, daß ihm der Beschwerdeführer "genau im Knick" der unübersichtlichen Kurve auf seiner Fahrbahnseite entgegengekommen ist, und daß der erste Sichtkontakt (erst) in der Kurve erfolgte. Ebenso wie im Falle des zitierten Erkenntnisses vom 29. August 1990 hat sich die abstrakte Gefährdung anderer Straßenteilnehmer bzw. die konkrete Gefährdung des entgegenkommenden Lenkers allein aus dem Überholen auf einer unübersichtlichen Straßenstelle, wie es gemäß § 16 Abs. 2 lit. b StVO verboten ist, ergeben. Die Tat hatte somit keinen Unrechtsgehalt, der nicht schon durch die zuletzt genannte Bestimmung voll erfaßt wäre.

Soweit der Beschwerdeführer daher wegen seines Verhaltens auch der Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 1 lit. a StVO schuldig erkannt wurde, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

2.) Zur Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 2 lit. b StVO:

Der Beschwerdeführer meint, die Behörde hätte feststellen müssen, wo er das Überholmanöver begonnen habe. Entsprechende Feststellungen waren entbehrlich, weil sich der Beschwerdeführer nach dem von der belangten Behörde als erwiesen angenommenen Sachverhalt jedenfalls in der Kurve selbst mit seinem Fahrzeug auf der linken Fahrbahnhälfte befunden hat. Auch auf die Fahrgeschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuge kam es im Beschwerdefall nicht an, weil das Überholen auf unübersichtlichen Straßenstellen ohne Berücksichtigung der Geschwindigkeiten der Fahrzeuge verboten ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 1991, Zl. 89/03/0302) und es nicht fraglich war, ob die Überholstrecke im Bereich einer unübersichtlichen Straßenstelle gelegen ist (vgl. wiederum das hg. Erkenntnis vom 29. August 1990). Den von bestimmten Fahrgeschwindigkeiten ausgehenden Rechenbeispielen des Beschwerdeführers kommt daher keine Bedeutung zu.

Daß es sich beim Tatort entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers tatsächlich um eine unübersichtliche Kurve handelte, ist durch die im Akt erliegenden Lichtbilder in Verbindung mit den Angaben des Anzeigers hinreichend klargestellt; dies unabhängig vom exakten Abstand des Maisfeldes von der Fahrbahn zur Tatzeit. Einer Ergänzung des Ermittlungsverfahrens bedurfte es in diesem Zusammenhang nicht.

Schließlich erblickt der Beschwerdeführer einen Verfahrensmangel auch darin, daß seine Lebensgefährtin nicht als Zeugin zum Beweis der Unrichtigkeit der herangezogenen Tatzeit vernommen wurde. Aus dem diesbezüglichen Beweisantrag des Beschwerdeführers ergibt sich als Beweisthema lediglich, daß der Beschwerdeführer Mattighofen um ca. 09.00 Uhr Richtung Salzburg verlassen haben und um ca. 11.45 Uhr nach Mattighofen zu seiner Lebensgefährtin zurückgekehrt sein soll, um bei ihr Mittag zu essen. Daß seine Lebensgefährtin auch bezeugen könnte, er hätte sich zur Tatzeit nicht am Tatort befunden, behauptet der Beschwerdeführer nicht. In der Unterlassung dieser beantragten Beweisaufnahme ist ein im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wesentlicher Verfahrensmangel somit nicht gelegen. Was die vom Beschwerdeführer behauptete Fahrtrichtung anlangt, so ist noch zu bemerken, daß damit ein allfälliges Umkehren auf der Fahrt nach Salzburg nicht ausgeschlossen wäre.

Die vorliegende Beschwerde war demnach - soweit sie die Verwaltungsübertretung nach § 16 Abs. 2 lit. b StVO betrifft - gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993020003.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

17.06.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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