TE Vwgh Erkenntnis 1993/5/25 93/04/0013

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Veröffentlicht am 25.05.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §52;
GewO 1973 §356 Abs3 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;
GewO 1973 §74 Abs2 Z1;
GewO 1973 §77 Abs1 idF 1988/399;
GewO 1973 §77 Abs1;
GewO 1973 §77 Abs2;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 93/04/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerden

A) - Zl. 93/04/0013 - 1.) des HL, 2.) der ML, 3.) des RL, alle

in G, alle vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in G, und

B) - Zl. 93/04/0014 - 1.) der GL und 2.) der UL, beide in G,

beide vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten vom 9. November 1992, Zl. 314.761/8-III/3/92, betreffend Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: K in G, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in G),

Spruch

1. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde der unter Punkt B genannten Beschwerdeführer wird, soweit sie sich gegen den Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides richtet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

Der angefochtene Bescheid wird im Umfang seines Spruchpunktes I. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Im übrigen (Spruchpunkt II.) wird er wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat den unter Punkt A genannten Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.690,-- und den unter Punkt B genannten Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 11.960,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 13. August 1990 erteilte der Bürgermeister der Stadt Graz dem S als dem Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei die gewerbebehördliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb eines Gastgewerbebetriebes auf einem näher bezeichneten Standort in Graz nach Maßgabe der mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Projektsunterlagen und unter Zugrundelegung der im einzelnen angeführten Betriebsbeschreibung sowie unter Vorschreibung mehrerer Auflagen. Die Auflagen Punkt 10.) bis 12.) hatten folgenden Wortlaut:

"10.)

Die nordseitig gelegenen Fenster der Betriebsanlage sind geschlossen zu halten (während der Betriebszeit).

11.)

Die nordseitig gelegene Eingangstüre ist selbstschließend auszuführen.

12.)

Die Betriebszeiten werden mit täglich 10.00 Uhr bis 24.00 Uhr begrenzt. Die Sitzterrasse an der Ostseite der Betriebsanlage wird mit 10.00 Uhr bis 22.00 Uhr begrenzt."

Gegen diesen Bescheid erhoben neben einem weiteren Nachbarn auch die Beschwerdeführer Berufung, über die der Landeshauptmann von Steiermark den Bescheid vom 11. September 1991 mit nachfolgendem Spruch erließ:

"SPRUCH I.

Den Berufungen der Damen und Herren ... wird gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.Vm. §§ 74, 77 der GewO 1973 i.d.g.F. im Zusammenhalt mit § 27 Abs. 2 Arbeitnehmerschutzgesetz, BGBl. Nr. 234/1972 i.d.g.F. insoferne

FOLGE

gegeben, als dies nachstehend (Spruch II.) zum Ausdruck kommt,

im übrigen werden diese Berufungen als

UNBEGRÜNDET

abgewiesen; insoferne sie Vorbringen hinsichtlich der Bestimmung des § 77 Abs. 1 2. Satz leg. cit. betreffen, als

UNZULÄSSIG

zurückgewiesen.

SPRUCH II.

Der zitierte Bescheid des Magistrates Graz - Gewerbeamt

wird unter Anwendung obiger gesetzlicher Bestimmungen

ABGEÄNDERT

wie folgt:

Die Auflage Nr. 10.) des bekämpften Bescheides erhält

folgenden Wortlaut:

'10.)

Die nordseitig gelegenen Fenster der Sanitäranlage, der Küche und des Automatenraumes sind während der Betriebszeit geschlossen zu halten. Zur Gewährleistung der Frischluftzufuhr können die Fenster der Sanitäranlage in gekippter Stellung verbleiben.'

Folgende zusätzliche Auflagen sind in den zitierten Bescheid aufzunehmen:

'13.)

Die Fenster der WC-Anlage sind stets undurchsichtig zu halten.

14.)

An der Nordseite der Terrasse und in Verlängerung der nördlichen Außenwand ist eine 2,5 m hohe Lärmschutzwand auf die Länge der Terrasse zumindest während der Betriebszeit aufzustellen.

15.)

Die Musikwiedergabegeräte sind akustisch so zu verriegeln, daß keine höheren Lokalinnenpegel als 75 dB entstehen.

16.)

Aus einer Fachfirmenbescheinigung muß eindeutig ersichtlich sein, daß alle Entlüftungsanlagen gemeinsam über Dach entlüften, sowie ordnungsgemäß und sicher funktionieren.'

17.)

Ab 19.00 Uhr darf eine Befüllung der Glascontainer nicht mehr erfolgen.

Im übrigen wird der zitierte Bescheid des Magistrates Graz unter Anwendung der obigen gesetzlichen Bestimmungen

BESTÄTIGT."

Auch gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer - neben einem weiteren Nachbarn - Berufung.

Mit dem im verwaltungsbehördlichen Verfahren angefochtenen Bescheid vom 9. November 1992 wies der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten die gemeinsame Berufung der unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer insoweit, als sie sich gegen Spruchteil I. des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark richtete, im Grunde des § 63 Abs. 3 AVG, insoweit sie sich gegen Spruchteil II. dieses Bescheides richtete, im Grunde des § 77 Abs. 1 i.V.m. den §§ 356 Abs. 3 und 359 Abs. 3 GewO 1973 als unzulässig zurück (Spruchteil I.). Mit Spruchpunkt II. wurde der angefochtene Bescheid in der Weise abgeändert, daß 1.) der Betriebsbeschreibung eine andere Fassung gegeben und 2.) die Auflagenpunkte 10. und 15. behoben wurden. Zur Begründung seines Spruchpunktes I. führte der Bundesminister im wesentlichen aus, ausschließlicher Verfahrensgegenstand des Spruchteiles I. des zweitbehördlichen Bescheides sei die darin ausgesprochene Zurückweisung gewesen. Für diesen allein maßgeblichen Verfahrensgegenstand enthalte jedoch die Berufung der unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer nicht einmal eine Andeutung, worin die Unrichtigkeit der ausgesprochenen Zurückweisung gelegen sein solle. Diese Berufung leide daher diesbezüglich am Mangel eines "begründeten Berufungsantrages", weshalb sie diesbezüglich spruchgemäß zurückzuweisen gewesen sei. Hinsichtlich des ausschließlich auf § 77 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973 gestützten Berufungsvorbringens gegen Spruchteil II. des zweitbehördlichen Bescheides werde auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach diese Gesetzesstelle nicht die im § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betreffe. Es sei daher die Berufung auch diesbezüglich spruchgemäß zurückzuweisen gewesen.

Zur Begründung des Spruchpunktes II. des Bescheides führte der Bundesminister u.a. aus, zur weiteren Klärung des Sachverhaltes habe am 1. und 2. September 1992 eine mündliche Augenscheinsverhandlung stattgefunden. In deren Rahmen habe der gewerbetechnische Amtssachverständige ausgeführt, die Betriebsanlage liege auf dem an der Ecke N-Weg/X-Straße situierten Grundstück. Sie umfasse das gesamte Erdgeschoß des Hauses mit Ausnahme des Stiegenhauses sowie eine Terrasse an der Südostseite (zur X-Straße). Der Zugang führe von der Straßenecke über 13 Stufen zur Terrasse und von hier in den Gastraum an der Südwestecke. Richtung Nordwesten schließe sich daran entlang der Südwestfront der Thekenraum und ein weiterer Gastraum an. Vom letztgenannten Gastraum führe der Zugang zu den WC-Anlagen, welche sich im nördlichen Bereich an der Nordostfront befänden. Südöstlich der WC-Anlagen liege die Küche, danach folge das Stiegenhaus und schließlich an der östlichen Ecke der Nordostfront der Aufstellungsraum der Spielautomaten. Die Nordostfront liege gegenüber dem Grundstück der Beschwerdeführer. An dieser Front befänden sich ein Fenster des Aufstellungsraumes für die Spielautomaten, das Küchenfenster und drei kleinere WC-Fenster. Sämtliche Fenster seien doppelt verglast, mit Drehkippbeschlägen versehen und besäßen Kunststoffensterläden. Diese bestünden aus einem Rahmen mit einer Füllung von schräg nach unten weisenden Jalousielamellen. Der Aufstellungsraum für die Spielautomaten, der Gastraum beim Eingang sowie der dahinterliegende Thekenraum stünden in offener Verbindung miteinander. Der Gastraum hinter dem Thekenraum sei von letzterem durch eine Schiebetür abtrennbar und besitze einen Ausgang an der Nordwestfront. Dieser Ausgang sei zur Zeit der Besichtigung versperrt und mit einem Blumentopf verstellt gewesen. Auf der Terrasse sollten laut Einreichunterlagen drei Tische mit insgesamt neun Sesseln aufgestellt werden. Am 1. und 2. September 1992 seien jedoch vier Tische mit insgesamt 19 Sesseln vorhanden gewesen. An der Nordostseite der Terrasse sei in Verlängerung der Nordostfront des Hauses ein hölzerner Sichtschutz mit einer Breite von 1,85 m und einer maximalen Höhe von 2 m aufgestellt gewesen, wobei zwischen dem Boden der Terrasse und der Unterkante dieser Holzwand ein ca. 25 cm breiter Spalt bestanden habe. Die Belüftung der Gasträume erfolge durch zwei umschaltbare Ventilatoren, die im Bereich der Südwestfront im Winkel zwischen dem eingangsseitigen Gastraum und dem Thekenraum angebracht seien. Die Entlüftung der Gasträume erfolge über ein holzverkleidetes Kanalsystem im Bereich der Decke im eingangsseitigen Gastraum, im Thekenraum und im dahinterliegenden Gastraum. Der Lüftungskanal verlaufe teilweise durch die Küche und den WC-Vorraum. Im WC-Vorraum münde er in einen gemauerten Rauchfang, in welchem die Abluft über Dach des einstöckigen Hauses abgeleitet werde. Der zugehörige Abluftventilator sei auf dem Dachboden situiert. Zur Entlüftung der WC-Anlage seien jeweils für das Herren- und das Damen-WC getrennt Entlüftungen vorhanden, deren Ventilatoren mit dem Licht der jeweiligen Sitzzelle gekoppelt seien. Die Abluft werde an der Nordostfront Richtung Grundstück der Beschwerdeführer ausgeblasen. In der Küche sei oberhalb des Gasherdes eine Dunstabzugshaube mit eingebautem Fettfilter installiert. Der weitere Verlauf der Küchenentlüftung sei nicht genau ersichtlich gewesen. Nach Angabe der mitbeteiligten Partei münde sie in einen über Dach führenden gemauerten Kamin. Zusätzlich zum in der Dunstabzugshaube eingebauten Ventilator sei für die Küchenabluft im Erdgeschoß ein weiterer, von der Küche aus schaltbarer Ventilator vorhanden. Nach Darstellung der in der Betriebsanlage verwendeten Maschinen und Geräte und der Erklärung der mitbeteiligten Partei, die Lautstärke der Musikanlage auf 65 dB (Leq) zu begrenzen, habe der gewerbetechnische Amtssachverständige weiter ausgeführt, das Grundstück der Beschwerdeführer grenze im Nordosten unmittelbar an die Betriebsliegenschaft. Auf diesem Grundstück befände sich ein einstöckiges Haus, das vom Gebäude, in welchem sich die Betriebsanlage befinde, mindestens ca. 9 m entfernt sei. Entlang der gemeinsamen Grenze sei beidseitig des Zaunes eine Thujenhecke vorhanden. Durch die auf der Terrasse aufgestellte Holzwand und diese Hecke sei eine Einsicht in das Nachbargrundstück von der Terrasse aus nur schwer und nur in geringem Umfang möglich. Von den Fenstern der Betriebsanlage an der Nordostfront sei der Einblick in den Garten ebenfalls nur erschwert möglich und nur eine direkte Blickverbindung zu den Fenstern des ersten Stockes des Wohnhauses der Beschwerdeführer gegeben. Im Zuge der Verhandlung hätten Schallpegelmessungen, und zwar am 1. September 1992 in der Zeit zwischen 21.19 Uhr bis 21.29 Uhr sowie in der Zeit von 22.25 Uhr bis 22.35 Uhr und am 2. September in der Zeit von 10.24 Uhr bis 10.35 Uhr stattgefunden. Meßort sei das Kinderzimmer im Haus der Beschwerdeführer bei geöffnetem Fenster und einem Abstand des Mikrophons von 1,50 m vom Fenster gewesen. Bei der ersten Messung zwischen 21.19 Uhr bis 21.29 Uhr sei der Umgebungsgeräuschpegel durch an- und abschwellende Verkehrsgeräusche (Kfz-Verkehr) auf den Umgebungsstraßen geprägt gewesen. Die Spitzen der Verkehrsgeräusche seien zwischen 48 und 53 dB gelegen. Einmal sei ein Flugzeug in niedriger Höhe vorbeigeflogen (62 dB), einmal sei in der Umgebung eine Autotüre zugeschlagen worden (59 dB), und einmal sei aus der Umgebung ein lautes Rufen zu messen gewesen (55 dB). Der Grundgeräuschpegel sei während der Verkehrspausen bei 30 bis 31 dB gelegen. Der energieäquivalente Dauerschallpegel habe 44,8 dB betragen.

In der Folge sei unter Aufsicht des Verhandlungsleiters in der Betriebsanlage die WC-Entlüftungsanlage sowie die WC-Spülung betrieben worden. Dies sei am Meßort weder hörbar noch meßbar gewesen. Während dieser Vorgänge seien die Fenster der WC-Anlage gekippt gewesen und es hätten einmal kurzzeitig Gespräche aus diesem Bereich mit 38 bis 40 dB gemessen werden können. Sodann sei in der Küche Schnitzelklopfen simuliert worden, wobei einmal das Küchenfenster geöffnet (50 bis 56 dB) und eimal geschlossen (45 bis 50 dB) gewesen sei. Bei geöffnetem Fenster sei eine einmalige Spitze von 62 dB meßbar gewesen.

Vom Betrieb des nach Angabe der mitbeteiligten Partei lautesten Spielautomaten sowie von einer simulierten Unterhaltung von Gästen in normaler Lautstärke auf der Terrasse sei am Meßort nichts zu hören oder zu messen gewesen. Auch vom Betrieb der Musikanlage im Thekenraum und im hinteren Gastraum sei am Meßort nichts zu hören und nichts zu messen gewesen. Im Aufstellungsraum der Musikanlage habe dabei der Leq 63,2 dB und die Spitzen 64 bis 67, vereinzelt 71 bis 74 DB betragen.

In der Zeit von 22.25 Uhr bis 22.35 Uhr sei der Umgebungsgeräuschpegel wieder durch auf- und abschwellende Verkehrsgeräusche geprägt gewesen, wobei Spitzen zwischen 46 und 58 dB gemessen worden seien. In den deutlich längeren Verkehrspausen sei der Grundgeräuschpegel zwischen 30 und 31 dB gelegen. Der Leq habe 42,6 dB betragen.

Am 2. September 1992 seien an- und abschwellende Verkehrsgeräusche mit Spitzen von 45 bis 54 dB, das zweimalige Schließen der Haustüre des Hauses der Betriebsanlage (Selbstschließer) mit 62 und 64 dB und der Grundgeräuschpegel in vereinzelten Verkehrspausen mit 32 bis 33 dB gemessen worden. Der Leq habe 46,2 dB betragen.

Auf diesem Befund aufbauend habe der gewerbetechnische Amtssachverständige sein Gutachten abgegeben, indem er ausgeführt habe, von der gegenständlichen Betriebsanlage könnten Lärm- und Geruchsemissionen ausgehen. Als Lärmquellen kämen die Lüftungsanlage, die Küchentätigkeit, die Musikanlage sowie die Unterhaltung der Gäste im Gastraum bzw. auf der Terrasse und die Spielautomaten in Betracht. Die Lüftungsanlagen seien gemäß zweitinstanzlicher Vorschreibung so einzurichten, daß die Entlüftung über Dach zu führen sei. Auf Grund dessen seien keine direkt dem Nachbarn zugewandten Lüftungsöffnungen möglich. Die Entlüftungsventilatoren seien alle im Hausinneren aufgestellt, sodaß auch der von diesen ausgehende Lärm durch die Außenwände des Gebäudes bzw. durch das Dach abgeschirmt werde. Aus der Küche sei erfahrungsgemäß das Klappern mit Tellern, Hantieren mit Töpfen sowie das Vorbereiten von Speisen wie z.B. Schnitzelklopfen besonders zu hören. Der Betrieb der Musikanlage in den Gasträumen werde durch die Wände innerhalb des Gebäudes und die nordöstliche Außenwand dermaßen abgeschirmt, daß bei geschlossenem Fenster des Aufstellungsraumes der Spielautomaten im Kinderzimmer des Hauses der Beschwerdeführer Musik weder hörbar noch meßbar gewesen sei. Während der Messungen sowohl am 1. als auch am 2. September 1992 seien in den Gasträumen mehrere Personen als Gäste anwesend gewesen. Von diesen Gästen herrührender Lärm sei im Kinderzimmer des Hauses der Beschwerdeführer weder hörbar noch meßbar gewesen. Auch während der Verkehrspausen sei kein Gästelärm hörbar gewesen, was bedeute, daß die Unterhaltung von Gästen, sofern sie nicht in laut schreiender Form erfolge, keinen Beitrag zur Anhebung des Grundgeräuschpegels leiste. Der Betrieb des Spielautomaten sei mit impulshaltigen Geräuschen sowie mit Disko-Musik verbunden. Auch diese Schallemissionen seien im Kinderzimmer des Hauses der Beschwerdeführer auch bei Verkehrspausen nicht hörbar oder meßbar gewesen, wobei die Fenster des Aufstellungsraumes geschlossen gewesen seien. Auch durch den Betrieb des Kühlautomaten ergebe sich somit keine Anhebung des Grundgeräuschpegels. Als Emittenten von Gerüchen könnten die diversen Entlüftungsanlagen sowie allfällige geöffnete Fenster der Betriebsanlage auftreten. Gemäß den Vorschreibungen des zweitinstanzlichen Bescheides sei jedoch die Abluft über Dach des einstöckigen Hauses abzuführen, wodurch ein Austritt der Abluft in die freie und ungehinderte Luftströmung der Umgebung sichergestellt sei. Dadurch komme es zu einer raschen Verdünnung, sodaß auch im Falle einer Luftströmung direkt Richtung Grundstück der Beschwerdeführer eine ausreichende Verdünnung erreicht werde. Da die Ausmündung oberhalb des Dachfirstes zu liegen kommen werde, sei zu erwarten, daß die ausgestoßene Abluft in dieser Höhe vertragen werde und sich nicht in Wirbelschichten auf das Nachbargrundstück herabsenke. Auch aus diesen Gründen seien Geruchsimmissionen herrührend von den Abluftanlagen der gegenständlichen Betriebsanlage bei den Nachbarn nur bei äußerst ungünstigen Wetterbedingungen, wie z.B. Inversionswetterlagen, und auch dann nur in verdünnter Form zu erwarten. Diese könnten sich in diesem Fall als zeitweilig und gering wahrnehmbare Küchengerüche äußern.

Da in den Auflagen des zweitinstanzlichen Bescheides die Möglichkeit bestehe, die WC-Fenster in gekippter Form offenzuhalten, und da die WC-Entlüftung nicht zwangsläufig während der gesamten Öffnungszeit laufe, könne ein Austreten von WC-Gerüchen nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden. Diese WC-Gerüche könnten jedoch auf Grund der zunehmenden Entfernung von der Quelle (WC-Fenster) noch bestenfalls im Garten des Grundstückes der Beschwerdeführer unmittelbar an der Grundgrenze leicht wahrgenommen werden. Eine diesbezügliche Geruchsimmission im Inneren des Hauses der Beschwerdeführer könne jedoch auf Grund der Entfernung und der statischen Entlüftung durch den Fensterspalt der WC ausgeschlossen werden.

Auf diese Ausführungen des gewerbetechnischen Sachverständigen aufbauend habe der medizinische Sachverständige u.a. ausgeführt, die Betriebsanlage sei auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer im wesentlichen ohne akustisch signifikanten Eindruck, sehe man vom Geräusch des Schnitzelklopfens (vor allem bei geöffnetem Küchenfenster) ab. Bei geschlossenem Küchenfenster sei dieses Geräusch zwar mehr oder weniger feststellbar, jedoch hinsichtlich seiner Intensität etwa im Bereich der sonstigen Umgebungsgeräusche liegend. Auf Grund der Ergebnisse des Augenscheines könne somit nicht davon gesprochen werden, daß durch die Lärmimmissionen der gegenständlichen Betriebsanlage auf der Liegenschaft der Beschwerdeführer eine signifikante Veränderung bzw. Beeinflussung der ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation erfolge. Eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens bzw. der Gesundheit (letztere auch auf Grund der geringen Geräuschintensität) sei daher nicht zu erwarten. Das Gleiche gelte für die nur zeitweilig und nur gering wahrnehmbaren Küchengerüche. Hingegen würden WC-Gerüche im allgemeinen als unangenehm empfunden. Eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens durch solche Gerüche sei daher durchaus denkbar. Auf diese Äußerung des medizinischen Amtssachverständigen hin habe die mitbeteiligte Partei ihr Vorhaben dahingehend abgeändert, daß während der gesamten Betriebszeit der Betriebsanlage die Fenster geschlossen gehalten werden sollten. Die Entlüftung der WC-Anlagen solle über Dach entsprechend dem Auflagenpunkt 16.) des zweitbehördlichen Bescheides erfolgen.

Auf eine Frage des Verhandlungsleiters habe der gewerbetechnische Amtssachverständige noch dargelegt, für den Garten auf dem Grundstück der Beschwerdeführer im Bereich zwischen dem auf diesem Grundstück stehenden Haus und dem Haus der Betriebsanlage könne bezüglich der von der Betriebsanlage ausgehenden Geräusche, die im Zuge der Augenscheinsverhandlung gemessen wurden, von folgender Überlegung ausgegangen werden:

Auf Grund der Erfahrung der zahlreichen Messungen sei ein bestimmtes Geräusch, welches in einem Raum gemessen werde, um ca. 5 dB niedriger als außerhalb vor diesem Raum. Im gegenständlichen Fall komme weiters noch die Verminderung der Entfernung zur Schallquelle auf ca. die Hälfte zum Tragen, wodurch sich ein Zuschlag von ca 3 dB ergebe. Insgesamt könne daher angenommen werden, daß die im Raum gemessenen Geräusche im Gartenbereich zwischen den beiden Häusern um ca. 8 dB höher lägen. Bezüglich des Grundgeräuschpegels sei nur ein Zuschlag von 5 dB anzubringen, der sich durch die Abschirmung im Raum gegenüber einer Außenmessung ergebe. Eine entfernungsmäßige Veränderung des Grundgeräuschpegels trete nicht auf, da dieser durch weit entfernte Geräusche verursacht werde und daher in der Umgebung der Betriebsanlage und der Nachbarn gleich bleibe. Bezüglich der Verkehrsgeräusche könne eine genaue Eruierung nicht angegeben werden, da hier eine bewegte Lärmquelle vorliege und darüber hinaus auch noch unkalkulierbare Reflexionen an den Wänden der Nachbarhäuser auftreten könnten. Die Erhöhung werde sicherlich mehr als 5 dB ausmachen, das genaue Ausmaß könne jedoch nicht angegeben werden.

Nach Darstellung des Inhaltes der Bezug habenden Gesetzesstellen führte der Bundesminister sodann weiter aus, bei projektgemäß geschlossen gehaltenen Fenstern habe der medizinische Amtssachverständige als einziges einen signifikanten akustischen Eindruck hinterlassendes Geräusch das Schnitzelklopfen aus der Küche bezeichnet. Im Zuge dieses Geräusches - andere Geräusche seien, wie sich aus dem gewerbetechnischen Befund ergebe, jeweils weder hörbar noch meßbar - sei der medizinische Amtssachverständige zu dem Ergebnis gekommen, daß hiedurch eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens, oder eine Gefährdung der Gesundheit nicht zu erwarten sei. Diese Beurteilung sei für den Bundesminister schlüssig und nachvollziehbar. Zwar beziehe sich diese Aussage nur auf den Immissionspunkt des Kinderzimmers des Hauses der Beschwerdeführer, doch ergebe sich unter Beachtung der Aussagen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen zur Geräuschsituation im Garten der Liegenschaft der Beschwerdeführer, daß sich die Lärmsituation dort für die Nachbarn um maximal 3 dB ungünstiger gestalte als im am ungünstigsten gelegenen Raum des Hauses. Angesichts des Umstandes aber, daß im Haus andere Störgeräusche als jene des Schnitzelklopfens auch während der Verkehrspausen nicht hätten gemessen werden können, diese Geräusche daher auch keinen Beitrag zur Anhebung des (im Kinderzimmer mit 30 bis 31 dB gemessenen) Grundgeräuschpegels leisteten, somit - entsprechend den Gesetzen der Akustik - im Kinderzimmer keine höhere Immission als 20/21 dB verursacht hätten, liege auch deren Immissionswert bezogen auf den Garten mit 28/29 dB weit unter dem Grundgeräuschpegel (35/36 dB bzw. den dem Umgebungslärm zuzuordnenden Verkehrsgeräuschen ÄLeq jedenfalls mehr als 47,6 dBö). Diese Geräusche würden - "die Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Augenscheinsverhandlung vom 1. und 2. September 1992 vorausgesetzt" - daher im Garten während einzelner Verkehrspausen vielleicht gerade noch hörbar sein. Derart geringfügige Immissionen erachte der Bundesminister aber einem gesunden, normal empfindenden Menschen und unter Beachtung des Umstandes, daß der Garten einem gesunden, normal empfindenden Menschen während der besonders schützenswerten Nachtstunden (22.00 Uhr bis 06.00 Uhr) nicht zum regelmäßigen Aufenthalt diene, jedenfalls als zumutbar. Darüber hinaus sei jedoch festzuhalten, daß zum Zeitpunkt der Augenscheinsverhandlung die durch Auflage vorgeschriebene Lärmschutzwand auf der Terrasse noch nicht errichtet gewesen sei. Nach Erfüllung dieses Auflagenpunktes erwarte der Bundesminister, daß auch im Garten keine auch nur geringfügigen Lärmimmissionen mehr auftreten würden (mit Ausnahme des Schnitzelklopfgeräusches). Was das Schnitzelklopfgeräusch im Garten anlange, so habe der medizinische Amtssachverständige in seiner auf das Kinderzimmer des Hauses der Beschwerdeführer abgestellten Beurteilung sich auf die - durch dieses Geräusch nicht bewirkte - signifikante Veränderung bzw. Beeinflussung der ortsüblichen Umgebungsgeräuschsituation bezogen. Entsprechend den diesbezüglichen Ausführungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen werde die Differenz zwischen Störgeräusch- und Umgebungsgeräuschsituation im Garten jedenfalls weniger als 3 dB betragen. Diese geringfügige Differenz erachte der Bundesminister jedenfalls als nicht so schwerwiegend, daß die obige, für das Kinderzimmer des Hauses der Beschwerdeführer abgegebene medizinische Beurteilung nicht auch auf die im Garten gegebene Situation angewandt werden könne. Zu beachten sei dabei auch die Häufigkeit des gegenständlichen Störgeräusches sowie die Eignung des Gartens, relevanter Immissionsbezugspunkt zu sein. Zusammenfassend habe daher das vom Bundesminister durchgeführte Ermittlungsverfahren keine Anhaltspunkte einer unzumutbaren Belästigung der Nachbarn durch Lärm ergeben. Auflagenpunkt 15.), welcher mit dem angefochtenen Bescheid ergänzend vorgeschrieben worden sei, habe daher entfallen können, zumal das Vorhaben in seiner nunmehrigen Gestalt selbst einen entsprechenden Bestandteil aufweise (Begrenzung der Lautstärke der in der Betriebsanlage befindlichen Musikanlage auf 65 dB ÄLeqö). Auch durch eine Geruchsbelästigung könne, wie sich aus den Aussagen der Sachverständigen ergebe, eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens bzw. der Gesundheit nicht eintreten.

Gegen diesen Bescheid richten sich die vorliegenden Beschwerden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor. Sie und die mitbeteiligte Partei erstatteten Gegenschriften mit den Anträgen, die Beschwerden kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und darüber erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die unter Punkt A) genannten Beschwerdeführer in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht verletzt, durch eine zu genehmigende Betriebsanlage durch Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 sowie durch sonstige Immissionen auf Nutzung der dem Konsenswerber benachbarten Liegenschaft (nicht) beeinträchtigt zu werden. Weiters verletze der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Zurückweisung der Berufung die Beschwerdeführer in ihrem verfahrensrechtlich gewährleisteten Recht, daß über sämtliche Einwendungen ordnungsgemäß abgesprochen werde.

Die unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer erachten sich in ihren Rechten verletzt, daß die in Rede stehende Betriebsanlage nicht bewilligt werde und daß sie als Nachbarn durch diese Betriebsanlage weder durch Geruch noch durch Lärm belästigt würden.

Über die so bezeichneten Beschwerdepunkte hinaus ergibt sich aus dem Vorbringen der unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer auch, daß sie sich in dem Recht auf meritorische Erledigung ihrer Berufung verletzt erachten.

Die zuerst genannten Beschwerdeführer machen in ihrer Beschwerde zunächst geltend, die in Rede stehenden Grundstücke lägen im "reinen Wohngebiet". Ein Gastgewerbebetrieb sei im reinen Wohngebiet aber nicht als zulässige Betriebstype im Sinne des § 23 ROG anzusehen. Aber auch wenn es sich um eine zulässige Betriebstype handelte, so bedürfte es dennoch einer rechtskräftigen Widmungsänderungsbewilligung hinsichtlich eines solchen Verwendungszweckes. Den Beschwerdeführern stünde auch ein subjektives Recht zu, daß auf dieses reine Wohngebiet keine Emissionen ergingen, welche aus Betrieben herrührten, welche widmungswidrig auf Nachbarliegenschaften errichtet worden seien. Im übrigen habe es die belangte Behörde unterlassen, ausreichende Feststellungen über die Verkehrsfrequenz sowie über die üblichen Verkehrspausen zu treffen. Aus den von der belangten Behörde vorgenommenen Messungen, die nur innerhalb eines begrenzten Zeitraumes der jeweiligen Tage stattgefunden hätten, könnten keine Feststellungen darüber getroffen werden, inwieweit sich die Verkehrsfrequenz tatsächlich während der betreffenden Uhrzeiten (Stoßzeiten) verringere bzw. verändere. Das ärztliche Gutachten ermangle jeglicher medizinisch fachlicher Begründung. Es müsse auch bemängelt werden, daß eine Messung der gesamten Immissionen während eines normalen Betriebstages nicht vorgenommen worden sei. Denn die erste Meßreihe sei an einem Dienstag abend vorgenommen worden. Am Dienstag herrsche in diesem Lokal aber Ruhetag, sodaß die typische Gesamteinwirkung sämtlicher Geräuschquellen keiner Messung habe zugänglich gemacht werden können. Erfahrungsgemäß sei es bei Gastwirtschaften so, daß der Hauptbetrieb bei solchen Unternehmen in den Abendstunden stattfinde. Auch die zweite Meßserie, welche an einem Mittwoch vormittag stattgefunden habe, sei daher nicht in der Lage gewesen, relevante Verfahrensergebnisse für eine konkrete rechtliche Beurteilung hinsichtlich der Beeinträchtigung durch die Immissionen zu gewährleisten. Im Befund sei auch beispielsweise nicht festgehalten worden, daß der Zugang direkt vor dem Wohnfenster der Beschwerdeführer als einziger Verbindungsteil zwischen Küche und Gastraum diene, weiters zum Zwecke der Lagerung ausgelegt sei und daher Lieferanten diesen Eingang für sämtliche Zufahrten benützten. Die Zufahrten auf diesem Weg, welche zur Ent- und Beladung von Fahrzeugen dienten, seien auch keinesfalls dem Fahrzeugverkehr auf der Straße zuzurechnen, sodaß auch diesbezüglich relevante Messungen auf Grund des unrichtigen Befundes nicht vorgenommen worden seien. Schließlich habe sich die belangte Behörde nicht mit dem Einwand der Beschwerdeführer auseinandergesetzt, gegenüber ihren Wohnräumen befinde sich eine nach allen Richtungen ausleuchtende Lampe, deren störende Einwirkungen auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer Einfluß nehme. Diesbezüglich wäre eine bestimmte Auflage vorzuschreiben gewesen.

Die unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer tragen in ihrer Beschwerde vor, die Behauptung der belangten Behörde, sie hätten sich in ihrer Berufung gegen den zweitbehördlichen Bescheid zum ausschließlichen Verfahrensgegenstand der Zurückweisung nicht geäußert, sei unrichtig, wenn nicht sogar aktenwidrig. Spruchteil I. des Bescheides des Landeshauptmannes von Steiermark enthalte sowohl die Abweisung als auch die Zurückweisung der Berufung. Die belangte Behörde habe daher die Zurückweisung der Berufung aus dem Grunde des § 63 Abs. 3 AVG zu Unrecht ausgesprochen. Die Rechtsansicht der belangten Behörde, es stünde ihnen keine Parteistellung zu, sei deshalb nicht richtig, weil sie bei der ersten Augenscheinsverhandlung mit Schreiben vom 19. März 1990 ihre subjektiven öffentlichen Nachbarrechte nach § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1973 geltend gemacht hätten. Sie hätten sich nicht nur mit der Widmung nach dem Raumordnungsgesetz befaßt, sondern darüber hinaus ihren Schutz vor Immissionen durch Lärm und Geruch urgiert. Auf Grund ihrer Parteistellung seien sie entgegen der Auffassung der Behörden auch legitimiert, die Einhaltung von Vorschriften zu begehren, die zwar nicht zu jenen über subjektiv-öffentliche Nachbarrechte zählten, aber solche seien, die die Behörde von Amts wegen bei Prüfung der Genehmigungsfähigkeit einer Betriebsanlage zu beachten habe. Sie hätten daher einen Rechtsanspruch auf Einhaltung auch der Vorschrift des § 74 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1973. Ferner seien die Lärmmessungen und das medizinische Sachverständigengutachten mangelhaft. Unzulässig sei die Vorgangsweise, den im Garten der Liegenschaft auftretenden Lärm nicht zu messen sondern lediglich zu schätzen. Verfehlt sei auch die Vorgangsweise der belangten Behörde, ohne ein diesbezügliches medizinisches Sachverständigengutachten auch für diesen Bereich eine Beurteilung vorzunehmen. Die verschiedenen medizinischen Sachverständigen hätten einander widersprochen und nicht beachtet, daß der gemessene Lärm jedenfalls die für ein Wohngebiet genannten Richtwerte an Schallbelastung eindeutig überschreite. Schließlich habe die Lärmmessung an einem Tag stattgefunden, an dem das Gasthaus Ruhetag habe.

I.

Gemäß § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, dürfen die Begriffsmerkmale eines begründeten Berufungsantrages nicht formalistisch ausgelegt werden, es genügt vielmehr, wenn die Berufung erkennen läßt, was die Partei anstrebt und womit sie ihren Standpunkt vertreten zu können glaubt. Für die Beurteilung, ob ein Berufungsantrag begründet ist, ist nicht wesentlich, daß die Begründung stichhältig ist (vgl. die in Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 4. Auflage, S. 491 ff, abgedruckte hg. Judikatur).

Im vorliegenden Fall haben nun die zu B) genannten Beschwerdeführer in ihrer Berufung gegen den zweitbehördlichen Bescheid ausdrücklich sowohl den Spruchpunkt I. als auch den Spruchpunkt II. des zweitbehördlichen Bescheides angefochten und zu beiden Spruchpunkten getrennt dargelegt, warum sie den angefochtenen für rechtswidrig halten. Daß, wie die belangte Behörde meint, diese Ausführungen am Thema vorbeigehen, vermag entsprechend der soeben dargelegten Rechtslage an der Erfüllung des Erfordernisses eines begründeten Berufungsantrages nichts zu ändern.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid hinsichtlich seines Spruchpunktes I. mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit, weshalb er in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

II.

Wie sich aus der eingangs gegebenen Sachverhaltsdarstellung ergibt, wurde mit Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides die Berufung der unter Punkt B) genannten Beschwerdeführer gegen den zweitbehördlichen Bescheid zur Gänze zurückgewiesen, während mit Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides die Berufungen der übrigen Berufungswerber erledigt wurden. Es können daher die im Punkt B) genannten Beschwerdeführer durch die im Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides getroffene Entscheidung - da darin über ihre Berufung nicht entschieden wurde - in einem subjektiv-öffentlichen Recht nicht verletzt werden. Diesbezüglich mangelt es ihnen daher infolge des Fehlens des im Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG für die Zulässigkeit einer Beschwerde genannten Erfordernisses der Rechtsverletzungsmöglichkeit an der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde. Soweit sich ihre Beschwerde gegen den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides richtet, mußte sie daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückgewiesen werden.

III.

Nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind

1.) das Leben oder die Gesundheit unter anderem der Nachbarn oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden, ...

2.) die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...

Im Grunde des § 77 Abs. 1 leg. cit. ist die Betriebsanlage zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die Betriebsanlage darf nicht für einen Standort genehmigt werden, in dem das Errichten oder Betreiben der Betriebsanlage zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Genehmigungsantrag durch Rechtsvorschriften verboten ist.

Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 2 zumutbar sind, ist nach § 77 Abs. 2 GewO 1973 danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung seit der Gewerberechtsnovelle 1988 dargelegt hat, betrifft das im § 77 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1973 genannte Standortverbot nicht die im § 74 Abs. 2 im Zusammenhalt mit § 356 Abs. 3 GewO 1973 normierten subjektiven öffentlich-rechtlichen Nachbarrechte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 1989, Zl. 89/04/0047). Soweit die unter Punkt A) genannten Beschwerdeführer in ihrer Beschwerde eine in einer unrichtigen Anwendung der Bestimmung des § 77 Abs. 2 zweiter Satz GewO 1973 gelegene Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend machen, ist daher, da sie hiedurch jedenfalls nicht in einem subjektiven öffentlichen Recht verletzt wurden, darauf nicht weiter einzugehen.

Im übrigen erweist sich diese Beschwerde aber aus nachstehenden Erwägungen als berechtigt:

Der gewerbetechnische Amtssachverständige führte in seinem Gutachten ausdrücklich aus, aus der Küche sei "erfahrungsgemäß das Klappern mit Tellern, Hantieren mit Töpfen sowie das Vorbereiten von Speisen, wie zum Beispiel Schnitzelklopfen, besonders zu hören". Da zum Meßzeitpunkt offenbar die Küche der gegenständlichen Betriebsanlage nicht in Betrieb war, wurde in der Folge sodann "das Schnitzelklopfen als besonders geräuschintensive Küchenarbeit simuliert". Obwohl also nur eine von einer Vielzahl von aus der Küche entstammenden Geräuscharten gemessen wurde, ging der medizinische Amtssachverständige in der Folge davon aus, daß aus der Küche nur das Geräusch des Schnitzelklopfens auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirke, und auch die belangte Behörde stellte (Seite 24 des angefochtenen Bescheides) ausdrücklich fest, "andere Geräusche waren, wie sich aus dem obzitierten gewerbetechnischen Befund ergibt, jeweils weder hörbar noch meßbar". Dieser Mangel ist umso gravierender, als es im gesamten Verfahren unterlassen wurde, die in Betracht kommenden Geräusche nicht nur zu quantifizieren, sondern auch nach ihrer Klangcharakteristik zu qualifizieren. Ohne eine solche Qualifizierung ist für den Verwaltungsgerichtshof aber die Aussage des medizinischen Amtssachverständigen, das aus der Betriebsliegenschaft auf die Liegenschaft der Beschwerdeführer einwirkende Geräusch sei, da es "hinsichtlich seiner Intensität etwa im Bereich der sonstigen Umgebungsgeräusche liege", nicht geeignet, eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens bzw. der Gesundheit hervorzurufen, nicht nachprüfbar.

Als weiterer gravierender Mangel des Ermittlungsverfahrens erweist sich die Vorgangsweise der belangten Behörde, die aus der Betriebsliegenschaft auf den Gartenbereich der Beschwerdeführer einwirkenden Lärmimmissionen nicht zu messen, sondern lediglich zu schätzen, obwohl einer Messung nach Lage der Verwaltungsakten kein Hindernis entgegen stand (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1986, Zl. 85/04/0128). Abgesehen davon überschritt die belangte Behörde ihre Befugnisse, wenn sie unter Anwendung "entsprechender Gesetze der Akustik" über die vom gewerbetechnischen Amtssachverständigen gegebenen Werte hinaus Berechnungen über die Auswirkungen der von der Betriebsanlage ausgehenden Lärmimmissionen im Garten der Liegenschaft der Beschwerdeführer anstellte, obwohl ihr nach Lage der Verwaltungsakten ein entsprechendes Fachwissen nicht zur Verfügung stand. Gleiches gilt für ihre Aussage, die vom medizinischen Amtssachverständigen für die Situation im Kinderzimmer abgegebene medizinische Beurteilung könne auch auf die im Garten gegebene Situation angewendet werden.

Es kann im gegebenen Zusammenhang dahingestellt bleiben, ob im Zeitpunkt der Lärmmessungen in der Betriebsanlage Ruhetag oder Betrieb herrschte. Denn die belangte Behörde hätte sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer auseinandersetzen müssen, daß in einer Gastwirtschaft, insbesondere in einem Bierlokal, um das es sich bei der gegenständlichen Betriebsanlage handelt, nicht erwartet werden kann, daß die Unterhaltung der Gäste nur "in normaler Lautstärke" stattfinden werde. Gleiches gilt für die mit dem Standpunkt der Beschwerdeführer ebenfalls in Widerspruch stehende Annahme, daß aus den Fenstern der WC-Anlagen lediglich die Geräusche einer Unterhaltung dringen.

Schließlich erscheint dem Verwaltungsgerichtshof das medizinische Sachverständigengutachten auch insofern auf mangelhafter Grundlage zu fußen, als dieser Sachverständige zwar, wie bereits oben ausgeführt, seine Schlußfolgerung, eine Beeinträchtigung des Wohlbefindens bzw. der Gesundheit sei durch die von der Betriebsliegenschaft ausgehenden Lärmimmissionen nicht zu erwarten (wobei entgegen der ausdrücklichen Anordnung des § 77 Abs. 2 GewO 1973 nicht zwischen den Auswirkungen auf Kinder und auf Erwachsene differenziert wird), auf die Feststellung gründete, die von der Betriebsliegenschaft ausgehenden Lärmimmissionen lägen hinsichtlich ihrer Intensität etwa im Bereich der sonstigen Umgebungsgeräusche, es aber an Feststellungen darüber fehlt, in welcher Häufigkeit und mit welchen Pausen diese Umgebungsgeräusche tatsächlich auftreten, sodaß nicht beurteilt werden kann, inwieweit die von der Betriebsliegenschaft ausgehenden Störgeräusche in den Umgebungsgeräuschen untergehen oder zu diesen hinzutreten.

Schon aus den dargelegten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid hinsichtlich seines Spruchpunktes II. als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, wobei nicht ausgeschlossen werden kann, daß die belangte Behörde bei Vermeidung der aufgezeigten Verfahrensmängel zu einem anderen Bescheid gekommen wäre. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte zufolge § 39 Abs. 2 Z. 3 VwGG abgesehen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft nicht erforderlichen Stempelgebührenaufwand.

Schlagworte

Anforderung an ein Gutachten Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten Überprüfung durch VwGH Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Beweismittel Sachverständigenbeweis Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Verfahrensmangel Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Techniker Gewerbetechniker

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040013.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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