TE Vwgh Erkenntnis 1993/6/23 91/15/0157

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Veröffentlicht am 23.06.1993
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Index

21/03 GesmbH-Recht;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;

Norm

BAO §80 Abs1;
BAO §9 Abs1;
GmbHG §89 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Hauer und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Karger, Dr. Steiner und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberkommissär Mag. Wochner, über die Beschwerde des T in L, vertreten durch Dr. D, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 22. Juli 1991, Zl GA 7-1214/1/90, betreffend Haftung für Umsatzsteuerschuldigkeiten und Nebenansprüchen, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war bis zur Eintragung der Löschung der K-Gesellschaft m.b.H. (im folgenden: Gesellschaft) am 27. Oktober 1988 deren Geschäftsführer bzw. Liquidator. Mit Bescheid vom 21. März 1989 nahm das Finanzamt dem Beschwerdeführer für Abgabenschuldigkeiten der Gesellschaft (Umsatzsteuer 1986 S 20.737,--, Umsatzsteuer Jänner bis Juni 1987 S 25.200,--, Verspätungszuschlag 1986 S 1.860,-- und Säumniszuschlag 1987 S 588,--) als Haftenden gemäß §§ 9, 80 BAO in Anspruch. In der Begründung des Bescheides vertrat die Behörde die Auffassung, der Beschwerdeführer habe als Geschäftsführer bzw. Liquidator Umsatzsteuerbeträge vereinnahmt und nicht an das Finanzamt abgeführt.

In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, er sei nur "angestellter Geschäftsführer" und nicht Gesellschafter der Gesellschaft gewesen. Er wendete sich gegen die Höhe und Richtigkeit der Abgaben und verwies auf ein Gesamtguthaben aus der Umsatzsteuerverrechnung für die Monate Jänner bis Juni 1987 in Höhe von S 5.256,51. In der Zeit von Juni 1987 bis März 1988 seien durch ein grobes Verschulden der Post zahlreiche für die Gesellschaft bestimmte Poststücke in Verlust geraten, darunter "sicherlich auch Mitteilungen des Finanzamtes". In den Monaten Jänner bis Juni 1987 seien aus Zeitmangel keine Honorarnoten (Rechnungen) ausgestellt worden; es sei ihm daher nicht notwendig erschienen, Umsatzsteuervoranmeldungen abzugeben. Im übrigen wurde auf die Berufung seiner Ehegattin gegen einen gleichartigen Haftungsbescheid verwiesen.

Gegen eine teilweise stattgebende Berufungsvorentscheidung stellte der Beschwerdeführer fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und führte ergänzend aus, weder er noch seine Ehegattin seien von der Bestellung zum Liquidator durch das Handelsgericht in Kenntnis gesetzt worden; sie hätten eine solche Bestellung auch nicht angenommen. Aus der Eigenschaft als Liquidator könne eine Haftung somit nicht abgeleitet werden. Soweit er für die Gesellschaft Erklärungen abgegeben habe, sei dies ausschließlich freiwillig und ohne Präjudiz oder Verpflichtung erfolgt. Der Umsatzsteuerbescheid sei an die Gesellschaft ohne den Zusatz "in Liquidation" ergangen und daher "nicht zutreffend". Darüber hinaus wendete sich der Beschwerdeführer mit neuen Argumenten gegen die Höhe der Abgaben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab. Dies nach Darlegung des Verfahrensganges und der Rechtslage im wesentlichen mit der Begründung, der Beschwerdeführer sei zunächst Geschäftsführer und sodann Liquidator der Gesellschaft gewesen. Die Gesellschaft sei mit Beschluß des Handelsgerichtes vom 22. Jänner 1987 von Amts wegen aufgelöst worden; die bisherigen Geschäftsführer seien zu Liquidatoren bestellt worden. Da der Beschwerdeführer sowohl als Geschäftsführer als auch als Liquidator zur Vertretung der Gesellschaft berufen gewesen sei, sei es unerheblich, ob und wann die Geschäftsführerstellung in eine Liquidatorenstellung umgewandelt worden sei. Selbst wenn der Beschluß des Handelsgerichtes vom 22. Jänner 1987 nicht wirksam geworden sei, sei der Beschwerdeführer mangels Niederlegung der Funktion als Geschäftsführer für die Erfüllung der abgabenrechtlichen Pflichten der GesmbH verantwortlich gewesen. Die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten seien infolge der amtswegigen Löschung der Gesellschaft am 27. Oktober 1988 im Handelsregister bei dieser uneinbringlich. Es sei Sache des Beschwerdeführers gewesen, die Gründe anzuführen, die ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegende Verpflichtung zu erfüllen, widrigenfalls nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertreters angenommen werden dürfe. Durch die bei einem Unfall am 26. September 1986 eingetretene Verletzung der linken Hand und des rechten Daumens sei der Beschwerdeführer nicht handlungsunfähig geworden. Auch die durch die Verlegung des Wohnortes des Beschwerdeführers und Standortes der Gesellschaft bewirkte Überforderung des ersteren vermöge diesen nicht zu entschuldigen, da er gegebenenfalls seine Geschäftsführerfunktion hätte zurücklegen müssen. Zur Abgabenabstattung seien nach der Aktenlage auch Mittel in Höhe von S 25.402,84 zur Verfügung gestanden. Hinsichtlich der Umsatzsteuer sei davon auszugehen, daß sie mit den Preisen für die erbrachten Lieferungen und Leistungen bezahlt werde und daher für die Abfuhr an das Finanzamt vorhanden gewesen sei. Einwendungen gegen die Abgaben seien nicht im Haftungsverfahren, sondern in dem die Abgabenfestsetzung betreffenden Berufungsverfahren geltend zu machen. Der Rechtsansicht des Beschwerdeführers, die haftungsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten hätten innerhalb einer Frist von sechs Monaten "ab Bekanntgabe der Liquidierung in der Wiener Zeitung am 15. September 1987 bekannt gegeben werden müssen", sei entgegenzuhalten, daß gemäß § 91 Abs 1 GmbHG bekannte Gläubiger auch unmittelbar aufzufordern seien. Für Steuerschulden hätten die Liquidatoren nach der herrschenden Auffassung (vgl. Reich-Rohrwig, Das östererreichische GmbH-Recht, S 717) selbständig Rückstellungen zu bilden und die erforderlichen Beträge einzubehalten. Im übrigen sei der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1986, welcher entgegen dem Berufungsvorbringen an die Gesellschaft "in Liquidation" ergangen sei, am 10. März 1988 nachweislich vom Beschwerdeführer persönlich übernommen worden. Aus diesem Grund, aber auch wegen der nicht rechtzeitigen Erfüllung der im § 104 BAO normierten Verpflichtung zur Mitteilung der Änderung der Abgabestelle sei auch der Hinweis auf Mängel bei der Nachsendung durch die Post nicht zielführend. Die Mitteilung der Änderung der Abgabestelle beim Postamt genüge der Verpflichtung nach der eben zitierten Gesetzesstelle nicht, weil sie nicht an die Abgabenbehörde (erster Instanz) gerichtet worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde; der Beschwerdeführer erachtet sich - aus dem Inhalt der Beschwerde erkennbar - in seinem Recht verletzt, nicht zur Haftung herangezogen zu werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 9 Abs 1 BAO haften die in den §§ 80 ff bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

Nach § 80 Abs 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, daß die Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Soweit die Beschwerde die Vertretereigenschaft des Beschwerdeführers während der Liquidation mit dem Hinweis, er hätte von seiner Bestellung als Liquidator keine Kenntnis gehabt, in Frage stellt, ist auf den ersten Satz des § 89 Abs 2 GmbHG zu verweisen, wonach die Geschäftsführer einer GmbH als Liquidatoren eintreten, wenn nicht durch den Gesellschaftsvertrag oder einen Beschluß der Gesellschafter eine oder mehrere andere Personen dazu bestellt werden. Die bisherigen Geschäftsführer sind vorbehaltlich einer solchen Ausnahme sogenannte "geborene Liquidatoren" (vgl Reich-Rohrwig, GmbH-Recht, S 698) und als solche Vertreter der Gesellschaft in Liquidation im Sinne des § 80 Abs 1 BAO.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer selbst niemals behauptet, durch den Gesellschaftsvertrag oder durch einen Beschluß der Gesellschafter sei eine oder seien mehrere andere Person(en) als die bisherigen Geschäftsführer zu Liquidatoren bestellt worden. Mangels einer solchen Ausnahme trifft ihn aber als "geborenen Liquidator" unter den im § 9 Abs 1 BAO umschriebenen Voraussetzungen auch eine abgabenrechtliche Haftung für die in der Liquidationsphase der Gesellschaft fällig gewordenen, aber nicht entrichteten Abgabenschulden.

Das Beschwerdevorbringen, die Gesellschaft sei bereits seit 1986 zahlungsunfähig gewesen, es hätte die durch den im Jahre 1988 zugestellten Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1986 "entstandene Abgabenschuldigkeit" mangels verwertbaren Vermögens nicht beglichen werden können, und daraus, daß "keine Zahlungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Umsatzsteuervorauszahlung eingegangen" seien, gehe die Mittellosigkeit der Gesellschaft zum damaligen Zeitpunkt hervor, unterliegt als erstmaliges Sachvorbringen im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dem dort geltenden Neuerungsverbot. Auch eine Verletzung von Verfahrensvorschriften ist der belangten Behörde in diesem Zusammenhang nicht anzulasten, weil nicht die Abgabenbehörde das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen hat, sondern der zur Haftung herangezogene Vertreter das Fehlen ausreichender Mittel. Außerdem hat er darzutun, daß er die Abgabenforderungen bei der Verfügung über die vorhandenen Mittel nicht benachteiligt (vgl. hiezu beispielsweise das hg Erkenntnis vom 21. Mai 1992, Zl 91/17/0046).

Es war schließlich auch nicht rechtswidrig, daß die belangte Behörde bei den von ihr festgestellten Unfallfolgen dem Beschwerdeführer keine schuldausschließende Handlungsunfähigkeit zugebilligt hat.

Da sohin der angefochtene Bescheid frei von der ihm angelasteten Rechtswidrigkeit ist, mußte die Beschwerde gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abgewiesen werden.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl Nr 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1991150157.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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