TE Vwgh Erkenntnis 1993/7/8 93/18/0144

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.07.1993
beobachten
merken

Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

FrG 1993 §18 Abs2 Z1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §20 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §12 Abs2;
SGG §12 Abs3 Z3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Sauberer, Dr. Graf und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Klebel, über die Beschwerde des G in W, vertreten durch Dr. N, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 12. März 1993, Zl. SD 119/93, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 12. März 1993 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen kroatischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1 Fremdengesetz (FrG) ein mit 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 22 Abs. 1 FrG wurde der Eintritt der Durchsetzbarkeit auf drei Monate hinausgeschoben.

In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 5. November 1992 wegen des Verbrechens nach § 12 Abs. 1, Abs. 2 erster und zweiter Fall und Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz, teils vollendet, teils versucht im Sinne des § 15 StGB, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt worden. Im Hinblick darauf, daß sich der Beschwerdeführer mit seinen Eltern bereits seit 1975 in Österreich aufhalte, stelle die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zwar einen schwerwiegenden Eingriff in sein Privat- und Familienleben dar, doch sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes im Interesse der Gesundheit anderer, zum Schutz der inneren Sicherheit und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten. Im Hinblick darauf, daß der Beschwerdeführer das Verbrechen als Mitglied einer Bande und gewerbsmäßig begangen habe und die Tat auch die Qualifikation nach § 12 Abs. 3 Z. 3 Suchtgiftgesetz (sogenannte "Übermenge") erfülle, und die bei Suchtgiftdelikten bestehende Wiederholungsgefahr sowie die Notwendigkeit einer wirksamen Bekämpfung der Drogenkriminalität wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung.

Gegen diesen Bescheid - und zwar erkennbar nur gegen die Erlassung des Aufenthaltsverbotes und nicht gegen den über Antrag des Beschwerdeführers im beantragten und gesetzlich zulässigen Höchstmaß gewährten Durchsetzungsaufschub - richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

1. Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des FrG lauten:

"Aufenthaltsverbot

§ 18. (1) Gegen einen Fremden ist ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, daß sein Aufenthalt

1.

die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder

2.

anderen im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft.

(2) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder

1. von einem inländischen Gericht zu einer Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist; einer solchen Verurteilung ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht dann gleichzuhalten, wenn sie den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht; ...

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 19. Würde durch eine Ausweisung gemäß § 17 Abs. 1 oder ein Aufenthaltsverbot in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist ein solcher Entzug der Aufenthaltsberechtigung nur zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten genannten Ziele dringend geboten ist.

Unzulässigkeit eines Aufenthaltsverbotes

§ 20. (1) Ein Aufenthaltsverbot darf nicht erlassen werden, wenn seine Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden und seiner Familie schwerer wiegen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von seiner Erlassung. Bei dieser Abwägung ist auf folgende Umstände Bedacht zu nehmen:

1.

die Dauer des Aufenthaltes und das Ausmaß der Integration des Fremden oder seiner Familienangehörigen;

2.

die Intensität der familiären oder sonstigen Bindungen.

(2) Ein Aufenthaltsverbot darf außerdem nicht erlassen werden, wenn dem Femden vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes die Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985, BGBl. Nr. 311, verliehen hätte werden können, es sei denn, das Aufenthaltsverbot wäre auf § 18 Abs. 2 Z. 1 zu gründen, weil der Fremde wegen einer mit mehr als fünf Jahren Freiheitsstrafe bedrohten strafbaren Handlung verurteilt worden ist."

2. Die Auffassung der belangten Behörde, daß der Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 1 FrG erfüllt, die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme gerechtfertigt und das Aufenthaltsverbot im Grunde des § 19 leg. cit. zulässig sei, wird vom Beschwerdeführer nicht bekämpft und begegnet auch seitens des Gerichtshofes keinen Bedenken.

3.1. Der Beschwerdeführer meint, seine Interessen am weiteren Aufenthalt in Österreich seien höher zu veranschlagen als die öffentlichen Interessen an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes. Er begründet dies mit seinem Aufenthalt in Österreich seit 1975, seiner Beschäftigung im Bundesgebiet und dem Fehlen von Vorstrafen. Das dem zitierten Strafurteil zugrundeliegenden Verhalten stelle ein einmaliges Fehlverhalten dar, zu dem er sich durch Freunde eines Nachbarn habe bewegen lassen. Er sei daher nur im Sinne des § 15 StGB als Beteiliger (nicht als Mittäter) verurteilt worden.

3.2. Dem zuletzt genannten Vorbringen ist zu erwidern, daß eine Verurteilung des Beschwerdeführers bloß "als Beteiligter" nicht erfolgt ist. Diese hätte im übrigen dem § 12 StGB widersprochen, nach welcher Bestimmung nicht nur der unmittelbare Täter die strafbare Handlung begeht, sondern auch jeder, der einen anderen dazu bestimmt, sie auszuführen, oder der sonst zu ihrer Ausführung beiträgt.

Die vom Beschwerdeführer genannte Bestimmung des § 15 StGB regelt die Strafbarkeit des Versuches. Diese Gesetzesstelle wurde im Spruch des (in den Verwaltungsakten erliegenden) Strafurteiles deshalb zitiert, weil das vom Beschwerdeführer begangene Verbrechen, und zwar nur soweit es die Tathandlung vom 11. Juli 1992 betrifft, infolge des Einschreitens von Sicherheitsorganen über das Versuchsstadium nicht hinausgegangen ist. Hinsichtlich des Begehungszeitraumes von Mitte Juni bis 11. Juli 1992 hat das Gericht die Vollendung des Verbrechens angenommen.

3.3. Entgegen der vom Beschwerdeführer geäußerten Ansicht handelt es sich bei dem ihm zur Last liegenden strafbaren Verhalten nicht um ein "einmaliges Fehlverhalten", hat er doch das Verbrechen über einen Zeitraum von mehreren Wochen hindurch gewerbsmäßig und als Mitglied einer Bande begangen. Im Hinblick auf die Schwere dieses Verhaltens fällt das Fehlen von Vorstrafen nicht entscheidend ins Gewicht.

3.4. Auf Grund des langjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und seiner Eltern in Österreich sowie seiner Beschäftigung im Bundesgebiet ist die belangte Behörde von einem hohen Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers in Österreich und damit von geringen Bindungen an seine Heimat ausgegangen.

Wenn sie dennoch im Rahmen der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung dem dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz entscheidende Bedeutung beigemessen hat, kann ihr im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach im Hinblick auf die Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht rechtswidrig ist (siehe das Erkenntnis vom 3. Mai 1993, Zl. 93/18/0202, mit weiteren Judikaturhinweisen), nicht mit Erfolg entgegengetreten werden. Es bestehen somit auch gegen das Ergebnis der gemäß § 20 Abs. 1 FrG vorgenommenen Interessenabwägung keine Bedenken.

4. Aus den dargelegten Gründen war die vorliegende Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993180144.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten