TE Vwgh Erkenntnis 1993/9/16 92/01/0844

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Veröffentlicht am 16.09.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftsführers Mag. Lammer, über die Beschwerde des E in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. August 1992, Zl. 4.246.912/7-III/13/89, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid des im Devolutionswege gemäß § 73 AVG zuständig gewordenen Bundesministers für Inneres wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers - eines bulgarischen Staatsangehörigen, der am 9. Juli 1988 in das Bundesgebiet eingereist war - gemäß § 3 AsylG 1991 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid habe der Beschwerdeführer bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 16. Dezember 1988 angegeben, daß er Angehöriger der mazedonischen Minderheit in Bulgarien sei. In der Zeit von 1976 bis 1981 sei er Mitglied einer mazedonischen Untergrundorganisation gewesen. Wegen seines Protests gegen die Diskriminierung der mazedonischen Minderheit und wegen der Tatsache, daß es seiner Mutter (wegen ihrer Beziehungen zum Militär) gelungen sei, ihn vom Militärdienst zu befreien, habe er während seiner Schulzeit eine Auseinandersetzung mit einem Militärstaatsanwalt gehabt, die ihm eine zehnmonatige bedingte Freiheitsstrafe eingebracht habe.

1981 sei der Beschwerdeführer - aufgrund einer Information des bulgarischen Sicherheitsdienstes - wegen seiner Untergrundtätigkeit im Gebäude des bulgarischen Sicherheitsdienstes angehalten, und infolge einer konstruierten Anklage wegen Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu zwei Jahren unbedingter Freiheitsstrafe verurteilt worden. Während der Verhandlung in Sofia sei er wegen seiner ethnischen Herkunft durch den Richter beschimpft worden und deswegen aufgebracht, gegen Anwesende handgreiflich geworden. Daraufhin sei er von Justizbeamten niedergeschlagen und für 45 Tage in eine psychiatrische Anstalt eingewiesen worden. Im Zuge des Verfahrens sei er zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden, die er vom 30. April 1981 bis 30. Mai 1984 verbüßt habe. Wegen seines Widerstandes habe er weder sein Studium fortsetzen noch Arbeit finden können. Er sei auch des öfteren von der Miliz vorgeladen worden.

Im Jahr 1985 sei es dem Beschwerdeführer dann gelungen, sein Studium in einem Dentalinstitut für ein Semester fortzusetzen. Dabei habe er eine Schweizer Staatsbürgerin kennengelernt, die er habe heiraten wollen. Weil ihre Aufenthaltsgenehmigung für Bulgarien nicht verlängert worden sei, habe sie das Land verlassen müssen. Aus diesem Grund habe der Beschwerdeführer um das Ausscheiden aus dem bulgarischen Staatsverband angesucht. Daraufhin sei sein Telefon abgehört worden, und man habe ihn wegen Verleumdung des Staates zu zwei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Diese Strafe habe er in der Zeit vom 18. März 1986 bis 30. November 1987 verbüßt. Im Anschluß daran habe er versucht, die nötigen Papiere für eine Ausreise in die Schweiz zu bekommen; am 1. März 1988 sei es ihm gelungen, einen Reisepaß zu erhalten, mit dem er am 22. April 1988 nach Jugoslawien ausgereist sei, wo er sich dann beim UNHCR gemeldet habe. In Jugoslawien habe der bulgarische Geheimdienst zweimal versucht, ihn zu ermorden. Auch habe er an seinem Auto einen Peilsender entdeckt. Daraufhin sei er nach Österreich eingereist.

Der Beschwerdeführer habe als Beweis für seine Angaben Kopien der Anklageschrift, datiert mit 23. Dezember 1986, des Urteils (26. Jänner 1987) und der Haftbestätigung vom 30. November 1987 samt Übersetzung vorgelegt, die mit Schreiben vom 12. Oktober 1989 dem Bundesminister für Justiz zur Stellungnahme übermittelt worden seien. Das ersuchte Ministerium habe dahingehend Stellung genommen, daß der fraglichen Verurteilung aus dem Jahre 1987 u.a. auch als Körperverletzung strafbare Handlungen zugrundelägen.

Am 31. März 1989 sei der Vater des Beschwerdeführers zu den Asylgründen seines Sohnes als Zeuge befragt worden. Dabei habe dieser angegeben, daß über seinen Sohn die zehnmonatige bedingte Gefängnisstrafe wegen "Rowdytums" verhängt worden sei; dies wegen eines Streits mit einem Militärstaatsanwalt wegen Benützung einer Garage. Auch das zweite Mal sei der Beschwerdeführer wegen "Rowdytums" verurteilt worden, weil er die Türe seiner Freundin eingetreten, und während der anschließenden Gerichtsverhandlung mit der Staatsanwältin Streit gehabt habe. Dies sei auch der Anlaß gewesen, warum man ihn in eine psychiatrische Anstalt habe einweisen lassen. Sein Sohn sei zuletzt 1985 wegen regimekritischer Äußerungen und "Rowdytums" zu zwei Jahren unbedingter Haft verurteilt worden.

Am 10. Dezember 1992 habe der Beschwerdeführer - auf Vorhalt der politischen Veränderungen in seinem Heimatland, in einer schriftlichen Stellungnahme ausgeführt, daß sich die politische Lage in Bulgarien nur nach außenhin geändert habe, die jetzigen Machthaber aber ehemalige Kommunisten und allesamt Bulgaren seien, die sich nicht für die Rechte der mazedonischen Minderheit einsetzten. Als Angehöriger dieser Minderheit habe er bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit schwerer Verfolgung zu rechnen, wie es ein Brandanschlag auf sein Haus in Bulgarien (am 7. Jänner 1992) zeige. Ein weiterer Beweis für die Unterdrückung der Mazedonier in seinem Heimatland sei auch die Ablehnung der Registrierung der mazedonischen Organisation "Ilinden", deren Interessen er vertrete.

Gemäß § 3 Asylgesetz 1991 hat die Asylbehörde einem Asylantrag mit Bescheid stattzugeben, wenn nach diesem Bundesgesetz glaubhaft ist, daß der Asylwerber Flüchtling und die Gewährung von Asyl nicht gemäß § 2 Abs. 2 und 3 Asylgesetz 1991 ausgeschlossen ist. Gemäß § 1 Z. 1 leg. cit. ist - sofern der Asylwerber nicht staatenlos ist - Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage ist oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Legt man die oben zitierten Angaben des Beschwerdeführers als von der Verwaltungsbehörde getroffene Feststellungen den rechtlichen Erwägungen zugrunde, so reichten diese für eine Asylgewährung gemäß § 3 in Verbindung mit § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 nicht aus.

Die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Auseinandersetzung mit einem Militärstaatsanwalt während seiner Schulzeit und die darauf folgende bedingte Verurteilung stellen sich als persönliches Motiv dar, das in keinem Zusammenhang mit politischer Tätigkeit und politischer Meinung stand, die es rechtfertigen würde, die wegen dieser Tat erlittene Bestrafung als Verfolgung wegen politischer Gesinnung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 anzusehen (vgl. das Erkenntnis vom 17. Juni 1992, 92/01/0086).

Auch die gerichtlichen Verurteilungen wegen "Rowdytums" stellen nach den unbedenklichen und vom Beschwerdeführer nicht konkret bekämpften Feststellungen der belangten Behörde keine Verfolgungshandlungen im Sinne des § 1 Z. 1 AsylG 1991 dar. Der Beschwerdeführer hat sich dazu selbst auf die Aussagen seines Vaters im Verwaltungsverfahren berufen; dagegen hat er die offenbar auf diese Aussagen gestützten Feststellungen im angefochtenen Bescheid hinsichtlich der Verurteilungen wegen "Rowdytums" nicht ausreichend konkret bekämpft. Daß die im Strafprozeß gegen den Asylwerber zur Anwendung gebrachten Gesetze nicht in demokratischer Form zustande gekommen seien, ist für das Asylverfahren bedeutungslos. Solche Gesetze treffen alle Staatsbürger des Heimatlandes des Asylwerbers in gleicher Weise. In der Anwendung dieser Gesetze gegenüber dem Asylwerber ist keine konkrete Verfolgungshandlung gegen ihn aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gelegen (vgl. das Erkenntnis vom 30. Mai 1990, 90/01/0083). Auch aus seinem Hinweis auf die allgemeine Lage einer ethnischen Minderheit in seinem Heimatland kann nicht auf konkret gegen seine Person gerichtete Verfolgungshandlung geschlossen werden (vgl. das Erkenntnis vom 25. November 1992, 92/01/0903).

Es trifft zwar zu, daß - wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung erkannt hat (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 20. Jänner 1993, 90/01/0761, 762 u.v.a) - die geänderte Verfassungsrechtslage seit 1991 allein die Richtigkeit seiner Behauptung, es bestehe aufgrund der faktischen politischen Verhältnisse in seinem Heimatland für ihn weiterhin eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung wegen seiner politischen Gesinnung, noch nicht ausschließt. Es haben sich aber aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers keinerlei Anhaltspunkte dafür ergeben, daß ihm aus politischen Gründen auch in Zukunft konkrete Maßnahmen (nicht nur Unbillen und Provokationen, die auch Angehörige anderer Minderheiten zu erdulden haben) gedroht hätten. Ebensowenig kommt die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Brandstiftung an seinem Haus als Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in Betracht, da der vorgetragene Sachverhalt keinen Anhaltspunkt dafür bietet, daß es sich um eine den staatlichen Behörden zurechenbare Maßnahme gehandelt habe (vgl. Erkenntnis vom 30. November 1992, 92/01/0486).

Da sich sohin - ausgehend vom Vorbringen des Beschwerdeführers - erweist, daß kein Sachverhalt erkennbar ist, der den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers in seiner Heimat wegen einer ihm dort drohenden Verfolgung aus Konventionsgründen objektiv betrachtet als unerträglich erscheinen ließe, war auf die weiteren, in der Beschwerde vorgebrachten Begründungs- und Feststellungsmängel nicht näher einzugehen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010844.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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