TE Vwgh Erkenntnis 1990/5/30 90/01/0083

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.05.1990
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1968 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FlKonv Art1 AbschnA;

Betreff

N gegen Bundesminister für Inneres vom 25. Jänner 1990, Zl. 4 288.770/2-III/13/90, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Nach dem Inhalt der Beschwerdeschrift und der vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist der Beschwerdeführer tschechoslowakischer Staatsangehöriger, reiste am 4. Dezember 1989 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 5. Dezember 1989 Asyl.

Bei seiner niederschriftlichen Befragung am 19. Dezember 1989 gab der Beschwerdeführer im wesentlichen an, er sei im Jahre 1980 wegen Betrugs zu einer Haftstrafe von mehr als drei Jahren verurteilt worden, die er auch teilweise verbüßt habe. Er hätte als Restaurantgeschäftsführer Überstundenabrechnungen fingiert. Politische Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates könne er nicht angeben. Er wolle in Österreich bleiben und nach Kanada auswandern. Man habe ihn verurteilt, obwohl er unschuldig gewesen sei.

Mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. Dezember 1989 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes ist.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er im wesentlichen ausführte, die Situation in seinem Heimatland habe sich noch nicht dahingehend geändert, daß demokratische Gesetze zur Anwendung kämen. Der Beschwerdeführer könne deshalb keine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Er habe unter psychischen Druck ein Geständnis abgelegt.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab und führte in der Bescheidbegründung im wesentlichen aus, sie lege die Angaben des Beschwerdeführers ihrer Entscheidung zu Grunde. Die vom Beschwerdeführer angeführte Verurteilung wegen Betruges stelle, selbst wenn sie zu Unrecht erfolgt sei, keine Verfolgung im Sinne der Konvention dar. Daß sie auf Gründen der Konvention basiere, habe der Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Der Wunsch nach Emigration sei kein Grund für die Anerkennung als Flüchtling.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Der Beschwerdeführer erachtet sich in dem gesetzlich gewährleisteten Recht, als Flüchtling im Sinne der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt zu werden, und in seinem Recht auf Durchführung eines mängelfreien Verfahrens durch die belangte Behörde verletzt. In Ausführung der Beschwerde bringt der Beschwerdeführer vor, er sei verurteilt worden, obwohl er unschuldig sei. Jedermann habe das Recht, wenn er auf Grund von Gesetzen, welche nicht in demokratischer Form zustande gekommen seien, verurteilt worden sei, sein Strafverfahren "wiederaufnehmen zu lassen", um eben dieses Verfahren nunmehr auf Grund demokratischer Gesetze durchführen "lassen zu können". Da dies noch nicht möglich sei, sehe der Beschwerdeführer sich einer Verfolgung ausgesetzt; er gehöre zu jener bestimmten sozialen Gruppe der zu Unrecht Kriminalisierten, die ein entsprechendes Strafverfahren nach einem fair trial nicht genossen hätten. Er habe niemals der kommunistischen Partei angehört; wenn er bei dieser Partei gewesen wäre, wäre eine Verurteilung nicht erfolgt. Bei Berücksichtigung des Strafurteiles im Verfahren durch die belangte Behörde wären Gründe vorgelegen gewesen, die ihn als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes qualifiziert hätten. Weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht aufgefordert habe, das Urteil vorzulegen, habe sie das Verfahren mit einer Mangelhaftigkeit belastet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 1 Asylgesetz, BGBl. Nr. 126/1968, in der Fassung BGBl. Nr. 796/1974, ist ein Fremder Flüchtling im Sinne dieses Bundesgesetzes, wenn nach dessen Bestimmungen festgestellt wird, daß er die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, unter Bedachtnahme auf das Protokoll BGBl. Nr. 78/1974, erfüllt und kein Ausschließungsgrund nach Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention vorliegt. Daß in der Person des Beschwerdeführers die Voraussetzungen des Art. 1 Abschnitt A Z. 1 der Konvention erfüllt wären, hat weder er selbst behauptet noch sind dem angefochtenen Bescheid Umstände zu entnehmen, die in eine solche Richtung wiesen. Da die Behörde auch keine Ausschließungsgründe im Sinne des Art. 1 Abschnitt C oder F der Konvention festgestellt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof nur zu prüfen, ob sich die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers aus Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Flüchtlingskonvention ableiten läßt.

Damit eine Person als Flüchtling im Sinne der genannten Bestimmung angesehen werden kann, ist unter anderem Voraussetzung, daß sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, der Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb ihres Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Die belangte Behörde hat zutreffend erkannt, daß die gerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers wegen Betruges, mag sie zu Recht oder zu Unrecht erfolgt sein, keine Verfolgungshandlung im Sinne der Konvention darstellt. Daß die im Strafprozeß gegen den Beschwerdeführer zur Anwendung gebrachten Verfahrensgesetze allenfalls nicht "in demokratischer Form" zustandegekommen sind, ist für das vorliegende Asylverfahren rechtlich bedeutungslos. Solche Gesetze treffen alle Staatsbürger des Heimatstaates des Beschwerdeführers in gleicher Weise. In der Anwendung dieser Gesetze gegenüber dem Beschwerdeführer ist keine konkrete Verfolgungshandlung gegen ihn aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe gelegen. Eine bloß negative Einstellung gegenüber dem im Heimatstaat eines Asylwerbers herrschenden politischen System ist noch kein Grund für die Anerkennung als Konventionsflüchtling (vgl. z.B. Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 7. Mai 1986, Zl. 84/01/0275, vom 10. Februar 1988, Zl. 86/01/0252 und vom 8. November 1989, Zl. 89/01/0348).

Daß die belangte Behörde den Beschwerdeführer nicht aufgefordert hat, das Strafurteil vorzulegen, erweist sich nicht als ein wesentlicher Verfahrensmangel, der zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides hätte führen können, da es einerseits dem Beschwerdeführer freigestanden war, eine Ausfertigung des Urteils im Verfahren vorzulegen, andererseits die belangte Behörde selbst nach Vorlage dieses Urteiles zu keinem anderen Bescheid hätte kommen können.

Da bereits auf Grund des Inhaltes der Beschwerde zu erkennen war, daß die behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1990:1990010083.X00

Im RIS seit

30.05.1990

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten