TE Vwgh Beschluss 1993/9/28 93/11/0149

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Veröffentlicht am 28.09.1993
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
44 Zivildienst;

Norm

B-VG Art133 Z1;
B-VG Art144 Abs1;
VwGG §34 Abs1;
ZDG 1986 §2 Abs1 idF 1991/675;
ZDG 1986 §5 Abs4 idF 1991/675;
ZDG 1986 §5 Abs5 idF 1991/675;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Baumgartner und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, in der Beschwerdesache des G in S, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 16. Dezember 1992, Zl. 157 507/3-IV/10/92, betreffend Erklärung nach § 2 Abs. 1 Zivildienstgesetz, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer brachte am 8. Oktober 1992 beim Militärkommando Salzburg eine Erklärung nach § 2 Abs. 1 des Zivildienstgesetzes 1986 - ZDG, BGBl. Nr. 679, idF der Novelle BGBl. Nr. 675/1991, (im folgenden: ZDG), ein, wonach er die Wehrpflicht aus Gewissensgründen nicht erfüllen könne und daher Zivildienst leisten wolle.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 1992 stellte der Bundesminister für Inneres fest, daß diese Erklärung nicht rechtswirksam werden könne. Der Spruch des Bescheides lautet:

"Gemäß § 5 Abs. 4 und 5 Z 6 ZDG, BGBl. Nr. 675/91, wird festgestellt: Ihre Erklärung vom 09. "(richtig: 08.)" 10.1992, wonach Sie die Wehrpflicht aus Gewissensgründen gegen die Anwendung von Waffengewalt gegen andere Menschen nicht erfüllen können, kann wegen Fehlens des Lebenslaufes (§ 2 Abs. 2 ZDG) nicht rechtswirksam werden."

Der Bescheid ist wie folgt begründet:

"Gemäß § 2 Abs. 2 ZDG hat der Wehrpflichtige der Erklärung nach § 2 Abs. 1 ZDG einen Lebenslauf und eine Strafregisterbescheinigung gemäß § 10 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. Nr. 277, beizuschließen, deren Ausstellungsdatum nicht länger als einen Monat zurückliegen darf.

Zu Ihrer Erklärung fehlt der Lebenslauf.

Da das Fehlen des Lebenslaufes gemäß § 5 Abs. 5 Z 6 ZDG als gesetzlicher Mangel gilt und für Feststellungen gemäß § 5 Abs. 4 ZDG die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Einbringens der Erklärung maßgeblich ist, war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, in der die Verletzung des "Rechtes auf richtige Anwendung des Zivil Dienst Gesetzes

... insbesondere der §§ 2 Abs. 1, Abs. 2 und 5 Abs. 1 Z. 1, Abs. 5 und Abs. 6 ZDG" behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

§ 2 ZDG lautet:

"(1) (Verfassungsbestimmung) Der Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes 1990 - WG, BGBl. Nr. 305, der tauglich zum Wehrdienst befunden wurde, kann nach Maßgabe des § 5 Abs. 1, 4 und 5 ausdrücklich erklären,

1. die Wehrpflicht nicht erfüllen zu können, weil er es

- von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen - aus Gewissensgründen ablehnt, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in Gewissensnot geraten würde,

2. aus den in Z l angeführten Gründen Zivildienst leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft erfüllen zu wollen und

3. keinem der in § 5 a Abs. 1 Z 2 genannten Wachkörper anzugehören.

Er hat nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes Zivildienst zu leisten. Die Dauer des Zivildienstes kann die Dauer des Wehrdienstes übersteigen.

(2) Der Wehrpflichtige hat der Erklärung nach Abs. 1 einen Lebenslauf und eine Strafregisterbescheinigung gemäß § 10 des Strafregistergesetzes 1968, BGBl. Nr. 277, oder den Nachweis über die Einbringung des Antrages auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung beizuschließen, deren Ausstellungsdatum nicht länger als einen Monat zurückliegen darf. Mit Rechtskraft des Bescheides, mit dem die rechtsgültige Abgabe der Erklärung nach Abs. 1 festgestellt wird (§ 5 Abs. 4), ist der Wehrpflichtige zivildienstpflichtig. Ein zu diesem Zeitpunkt bestehender Einberufungsbefehl tritt außer Kraft.

(3)..."

§ 5 Abs. 4 und 5 ZDG lautet:

"(4) Der Bundesminister für Inneres hat ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber zwei Monate, nachdem die Erklärung nach § 2 Abs. 1 bei ihm eingelangt ist, mit Bescheid festzustellen, ob die Erklärung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Weist die Erklärung Mängel auf (Abs. 5), wodurch sie nicht rechtswirksam werden kann, so sind diese im Feststellungsbescheid einzeln anzuführen.

(5) Als Mängel nach Abs. 4 gelten:

1.

Untauglichkeit für den Wehrdienst (§ 2 Abs. 1 erster Satz),

2.

Unvollständigkeit der Erklärung (§ 2 Abs. 1 Z 1 bis 3),

3.

Vorliegen von Tatsachen gemäß § 5 a Abs. 1,

4.

Abgabe der Erklärung unter Vorbehalten oder Bedingungen,

5.

Ruhen des Rechtes zur Abgabe der Erklärung (§ 5 Abs. 1 Z 1 bis 3) und

              6.              Fehlen des Lebenslaufes oder der Strafregisterbescheinigung oder des Nachweises über die Einbringung des Antrages auf Ausstellung einer solchen Bescheinigung (§ 2 Abs. 2)."

In seinem einen gleichgelagerten Fall betreffenden Erkenntnis vom 1. Juli 1993, B 2069/92, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, die Aufhebung der letzten beiden Sätze in § 2 Abs. 2 ZDG durch sein Erkenntnis vom selben Tag, G 74/93 und Folgezahlen, könne sich auf den bei ihm im Anlaßverfahren bekämpften Bescheid - weil die aufgehobenen Bestimmungen von der Behörde nicht als Grundlage für diesen Bescheid herangezogen worden seien - nicht dahin auswirken, daß der Zivildienstwerber in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes verletzt worden wäre. Der Verfassungsgerichtshof führte im erstgenannten Erkenntnis in Fortführung seiner Rechtsprechung zu § 2 Abs. 1 ZDG in der Fassung vor der Zivildienstgesetz-Novelle 1991 weiters aus, auch § 2 Abs. 1 ZDG in der nunmehrigen Fassung begründe ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung, sofern der Wehrpflichtige eine dem Gesetz entsprechende Erklärung nach Maßgabe des § 5 Abs. 1, 4 und 5 ZDG abgebe. Inhalt dieses Rechtes sei zunächst, daß die in § 2 Abs. 1 ZDG umschriebenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Zivildienstpflicht und die damit verbundene Ausnahme von der Wehrpflicht von der Behörde richtig beurteilt würden. Dieses verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht werde auch dann verletzt, wenn wesentliche Verfahrensfehler dazu führten, daß eine nach § 2 Abs. 1 ZDG abgegebene Erklärung von der Behörde als nicht rechtswirksam qualifiziert werde. Voraussetzung dafür, daß überhaupt eine - zur Ausnahme von der Wehrpflicht führende - Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG vorliege, sei unter anderem, daß dieser ein Lebenslauf angeschlossen wird (§ 2 Abs. 2 erster Satz und § 5 Abs. 5 Z 6 ZDG); andernfalls liege keine rechtswirksame Erkärung vor (§ 5 Abs. 4 letzter Satz ZDG). Davon ausgehend hob der Verfassungsgerichtshof mit dem erstgenannten Erkenntnis den (bei ihm angefochtenen) Bescheid mit der Begründung auf, die Behörde habe mit der Feststellung, der Erklärung sei kein Lebenslauf angeschlossen gewesen, verneint, daß die Voraussetzungen für die Ausnahme von der Wehrpflicht vorlägen. Da diese Entscheidung mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet sei, sei der Zivildienstwerber in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach § 2 Abs. 1 ZDG verletzt worden.

Aufgrund der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis B 2069/92 angestellten Erwägungen, denen sich der Verwaltungsgerichtshof anschließt, ist davon auszugehen, daß § 2 Abs. 1 ZDG ein verfassungsgesetzlich gewährleistetes Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht begründet und daß dieses Recht durch eine unrichtige Beurteilung bzw. durch eine mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftete Verneinung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Ausnahme von der Wehrpflicht verletzt wird.

Mit dem angefochtenen Bescheid verneinte die belangte Behörde gemäß § 5 Abs. 4 und 5 Z. 6 ZDG das Vorliegen der besagten Voraussetzungen mit der Begründung, der Beschwerdeführer habe keinen Lebenslauf (§ 2 Abs. 2 ZDG) vorgelegt. Das Fehlen eines Lebenslaufes gelte gemäß § 5 Abs. 5 Z. 6 ZDG als Mangel, der dem Rechtswirksamwerden der vom Beschwerdeführer abgegebenen Erklärung nach § 2 Abs. 1 ZDG entgegenstehe. Der Beschwerdeführer macht in seiner Beschwerde der Sache nach eine unrichtige rechtliche Beurteilung sowie Verfahrensmängel in Ansehung der Annahme, er habe keinen Lebenslauf vorgelegt, geltend. Näherhin behauptet der Beschwerdeführer eine unrichtige Anwendung der einfachgesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG.

Diese Bestimmungen haben, wie der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis G 74/93 und Folgezahlen ausgeführt hat, ungeachtet der Verweisung in der Verfassungsbestimmung des § 2 Abs. 1 ZDG nur den Rang einfachgesetzlicher Normen. Bei ihnen handelt es sich um Formalvorschriften, die die Modalitäten regeln, unter denen eine Erklärung im Sinne des § 2 Abs. 1 ZDG zur Ausnahme von der Wehrpflicht führt. Angesichts dieser ihrer spezifischen Funktion für die Verwirklichung und Geltendmachung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes kann den in Rede stehenden Bestimmungen nicht die Bedeutung beigemessen werden, einfachgesetzliche Rechtspositionen im Sinne von eigenständigen, materiellen subjektiven Rechten neben jenem durch § 2 Abs. 1 ZDG gewährleisteten zu normieren, deren behauptete Verletzung in die Kompetenz des Verwaltungsgerichtshofes fiele. (Insofern unterscheidet sich der vorliegende Fall wesentlich von jenem, der dem hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 7. Dezember 1988, Slg. Nr. 12821 A, zugrundelag.) Vielmehr bedeutet jede unrichtige Anwendung der Bestimmungen des § 5 Abs. 4 und 5 ZDG - darauf laufen auch die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Erkenntnis B 2069/92 letztlich hinaus - zwangsläufig und ausschließlich eine Verletzung des durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (vgl. dazu die Ausführungen zur "Gewährleistungsdimension", Ringhofer, Über verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte und die Kompetenzgrenze zwischen Verfassungsgerichtshof und Verwaltungsgerichtshof, in: Melichar - FS, 173 ff). Angesichts der dargelegten Rechtslage könnte der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid nur in dem durch § 2 Abs. 1 ZDG verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Ausnahme von der Wehrpflicht zwecks Zivildienstleistung verletzt sein.

Nach Art. 133 Z. 1 B-VG sind von der Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes Angelegenheiten ausgeschlossen, die in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes gehören. Um eine solche Angelegenheit handelt es sich im vorliegenden Fall, da der Beschwerdeführer, wie dargetan, durch den angefochtenen Bescheid ausschließlich in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht verletzt sein könnte. Die Prüfung daraufhin steht gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG dem Verfassungsgerichtshof zu. Der Verwaltungsgerichtshof hält somit die seinem Anfechtungsbeschluß vom 18. Mai 1993, Zl. A 25/93, zugrundeliegende vorläufige Annahme auch seiner Zuständigkeit nicht aufrecht.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen. Die Beschlußfassung erfolgte in dem gemäß § 12 Abs. 4 VwGG zuständigen Fünfersenat.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991.

Schlagworte

Offenbare Unzuständigkeit des VwGH Angelegenheiten die zur Zuständigkeit des VfGH gehören (B-VG Art133 Z1) Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993110149.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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