TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 93/01/0258

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1 Z1;
AsylG 1991 §16 Abs1;
AVG §13a;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner und Dr. Kremla als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 13. November 1992, Zl. 4.316.227/3-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, hat dem durch eine Ausfertigung des angefochtenen Bescheides belegten Beschwerdevorbringen zufolge den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 13. Jänner 1992, mit dem festgestellt worden war, bei ihm lägen die Voraussetzungen für seine Anerkennung als Flüchtling nicht vor, mit Berufung bekämpft. Mit Bescheid vom 13. November 1992 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Nach den Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer nicht entgegengetreten ist, habe er bei seiner niederschriftlichen Einvernahme durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich am 8. Jänner 1992 angegeben, er sei Angehöriger einer christlichen Glaubensgruppe und habe in seinem Schuhgeschäft eine elektrische Leuchtreklame gehabt. Als eines Tages Vertreter der Kommunalverwaltung für die Reklame Geld eingefordert hätten, habe der Beschwerdeführer entgegnet, bereits bezahlt zu haben. Im Zuge des hierauf entstandenen Streites hätten diese Männer auf den Beschwerdeführer eingeschlagen und begonnen, das Geschäft zu zerstören. Die Männer hätten den Beschwerdeführer umbringen wollen, doch sei es ihm geglückt, ihnen zu entkommen, wobei er deren Fahrzeug beschädigt habe. Nachdem der Beschwerdeführer erfahren habe, daß seine Mutter verhaftet worden sei, habe er sich der Polizei gestellt, worauf er ins Gefängnis gekommen und seine Mutter freigelassen worden sei. Seine Inhaftierung sei wegen der Beschädigung eines Wagens erfolgt. Nach zwei Wochen Haft sei ihm auf dem Weg zur Gerichtsverhandlung die Flucht geglückt. Sein Haus sei zerstört worden und er werde von der Polizei gesucht.

In der gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer angegeben, die bei seiner Ersteinvernahme geschilderten Vorkommnisse hätten sich nur deswegen ereignet, weil er Christ sei; wäre er Moslem, würde er in seinem Heimatland keine Probleme haben.

Die belangte Behörde hat die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Umstände deshalb nicht als Verfolgung im Sinne des § 1 Z. 1 Asylgesetz 1991 (übereinstimmend mit Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention) gewertet, weil er erst in seiner Berufung geltend gemacht habe, die geschilderten Vorkommnisse seien nur auf seine Zugehörigkeit zur christlichen Glaubensgemeinschaft zurückzuführen, während sich aus seinem erstinstanzlichen Vorbringen kein Zusammenhang zwischen seinem Glaubensbekenntnis und den behaupteten Mißhandlungen bzw. seiner Inhaftierung ergebe. Dem gegen diese Wertung in der Beschwerde erhobenen Einwand, die belangte Behörde wäre verpflichtet gewesen, in Anwendung des § 20 Abs. 2 Asylgesetz 1991 ihre sich aus § 16 Abs. 1 leg. cit. ergebende Ermittlungspflicht wahrzunehmen, ist entgegenzuhalten, daß gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 der Bundesminister für Inneres einer Berufungsentscheidung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrunde zu legen hat. Gemäß Abs. 2 dieses Paragraphen hat der Bundesminister eine Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens unter anderem dann anzuordnen, wenn es offenkundig mangelhaft war. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens wäre - wie der Beschwerdeführer offenbar meint - dann gegeben, wenn die Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen wäre. Hiezu ist festzuhalten, daß der für den Umfang dieser Pflicht maßgebliche § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 wohl bestimmt, daß die Asylbehörden in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen durch Fragestellung oder in anderer geeigneter Weise darauf hinzuwirken haben, daß die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen. Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 leg. cit. hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 16 Abs. 1 Asylgesetz 1991 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1992, Zlen. 92/01/0800-0803). Da im Beschwerdefall den Angaben des Beschwerdeführer vor der Behörde erster Instanz keine hinreichend deutlichen Hinweise auf einen Zusammenhang der dargestellten Ereignisse mit seinem Glaubensbekenntnis oder auf das Vorliegen weiterer Gründe im Sinne der Flüchtlingskonvention entnommen werden können, war die Behörde erster Instanz somit nicht zu weiteren Ermittlungen und die belangte Behörde nicht zur Anordnung der Ergänzung oder Wiederholung des Ermittlungsverfahrens verhalten.

Der belangten Behörde ist auch beizupflichten, wenn sie die ins Treffen geführten Mißhandlungen und die Verhaftung des Beschwerdeführers nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen hat, weil dem erstinstanzlichen Vorbringen kein Hinweis darauf entnommen werden kann, daß diese gegen den Beschwerdeführer gerichteten Aktivitäten aus in der Konvention angeführten Gründen erfolgt wären. Vielmehr wäre es - wie die belangte Behörde richtig erkannt hat - beim Beschwerdeführer gelegen gewesen, sich dem gegen ihn - wenn auch allenfalls zu Unrecht - erhobenen Vorwurf (offenbar kriminellen Handelns) zu stellen und diesen allenfalls zu entkräften.

Da sohin bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die von der Beschwerdeführerin behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren und somit auch ohne Durchführung der beantragten Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993010258.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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