TE Vwgh Erkenntnis 1993/10/7 92/01/0840

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Veröffentlicht am 07.10.1993
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Herberth und die Hofräte Dr. Dorner, Dr. Kremla, Dr. Händschke und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Mayer, über die Beschwerde des H in I, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 17. Juli 1992, Zl. 4.329.287/2-III/13/92, betreffend Asylgewährung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 505,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung, reiste am 29. Oktober 1991 in das Bundesgebiet ein und stellte am 5. November 1991 (bereits anwaltlich vertreten) einen schriftlichen Asylantrag. Diesen begründete er damit, wegen seiner kurdischen Abstammung in der Türkei "in allen Lebensbereichen politisch verfolgt und benachteiligt" worden zu sein. Er sei in seiner Heimat Student gewesen und habe an der Universität die Zeitung "OCGÜR HALK" verteilt. Er sei Sympathisant der PKK und habe für diese Propaganda gemacht. Am 16. März 1990 habe eine große Demonstration für die Anliegen der Kurden stattgefunden, anläßlich derer er von der Polizei festgenommen, verhört und gefoltert sowie drei Tage in Haft gehalten worden sei. Nach seiner Enthaftung sei er von der Polizei ständig überwacht und gesucht worden. Er habe seine Wohnung wechseln und "untertauchen" müssen und sich seither in ständiger Verfolgung durch die Behörden befunden, sodaß er sich zur Flucht entschlossen habe.

Bei seiner am 19. Dezember 1991 erfolgten niederschriftlichen Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich gab der Beschwerdeführer, zu seinen Fluchtgründen befragt, im wesentlichen über seine Angaben im Asylantrag hinausgehend an, am 16. März 1990 habe anläßlich des Todestages von etwa 5.000 Kurden, die im Jahre 1988 ermordet worden waren, in K eine große Studentendemonstration stattgefunden, an der er und weitere 50 Studenten von der Polizei festgenommen und für drei Tage im Polizeigefängnis in K inhaftiert worden seien. Ein Strafverfahren gegen ihn sei jedoch nicht eingeleitet worden. Nach seiner Entlassung sei er speziell an der Universität unter ständiger Beobachtung gestanden. Hingegen sei es unrichtig, daß er auch an seiner Wohnadresse von der Polizei gesucht worden sei oder seinen Wohnsitz gewechselt habe, was auch völlig sinnlos gewesen wäre, da er ja an der Universität seinen tatsächlichen Wohnsitz habe angeben müssen. Ausschlaggebend für seine Flucht sei der Umstand gewesen, daß ihm von der Universität angedroht worden sei, seinen Studienplatz zu verlieren, wenn er weiterhin Sympathisant der PKK sei. Andererseits habe er durch seine Flucht auch seinen Studienplatz verloren. Er habe bisher noch keinen Militärdienst abgeleistet, sondern sei davon noch bis 27. September 1992 befreit.

Mit Bescheid vom 3. Jänner 1992 stellte die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich fest, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes und daher auch nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei.

Dagegen berief der Beschwerdeführer im wesentlichen mit der Begründung, es handle sich beim erstinstanzlichen Bescheid um ein vorgedrucktes Formular, das weder eine Begründung noch Feststellungen enthalte. Aufgrund seiner unwiderlegt gebliebenen Angaben sei vielmehr davon auszugehen gewesen, daß sein Asylantrag berechtigt gewesen sei. Im Falle gegenteiliger Beweisergebnisse seien ihm diese nicht zur Kenntnis gebracht und dadurch sein Recht auf Wahrung des Parteiengehörs verletzt worden.

Mit dem Bescheid vom 17. Juli 1992 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab und sprach aus, daß Österreich dem Beschwerdeführer kein Asyl gewähre, weil er keine konkreten, gegen seine Person gerichteten Verfolgungshandlungen genannt habe und auch kein unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang zwischen seiner Teilnahme an der Demonstration vom 16. März 1990 und den daran anschließenden polizeilichen Maßnahmen mehr gefunden werden könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zunächst macht der Beschwerdeführer inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, weil der Spruch des angefochtenen Bescheides unbestimmt bzw. unklar sei. Weder dem Spruch noch der Begründung lasse sich die Erstbehörde, die Bezeichnung der Geschäftszahl und das Ausstellungsdatum des angefochtenen Bescheides entnehmen. Im übrigen habe er Verfolgungsgefahr glaubhaft gemacht. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften sieht der Beschwerdeführer in der Unterlassung amtswegiger Sachverhaltsermittlungen durch die belangte Behörde.

Gemäß § 20 Abs. 1 Asylgesetz 1991 - welches die belangte Behörde gemäß § 25 Abs. 2 leg. cit. bereits anzuwenden hatte - hat der Bundesminister für Inneres seiner Entscheidung über eine zulässige Berufung das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz zugrundezulegen. Eine offenkundige Mangelhaftigkeit dieses Ermittlungsverfahrens, die gemäß § 20 Abs. 2 leg. cit - wie in den beiden anderen dort angeführten, jedoch im Beschwerdefall nicht in Betracht kommenden Fällen - eine Ergänzung oder Wiederholung erforderlich gemacht hätte, war für die belangte Behörde aufgrund der Aktenlage auch unter Berücksichtigung des Inhaltes der - sich im übrigen auf Rechtsausführungen beschränkenden - Berufung nicht erkennbar. Aus diesem Grunde traf die belangte Behörde keine weitere Ermittlungspflicht, weshalb die - im übrigen nicht näher konkretisierte - Verfahrensrüge nicht berechtigt ist. Geht man aber vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens erster Instanz, also von den eigenen Angaben des Beschwerdeführers aus, so kann der belangten Behörde entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht nicht mit Erfolg entgegengetreten werden, wenn sie dieses Sachvorbringen dahingehend rechtlich beurteilte, daß der Beschwerdeführer insbesondere mangels eines zeitlichen Konnexes zwischen den im Zusammenhang mit der Teilnahme an der Demonstration vom 16. März 1990 geschilderten Vorfällen und seiner Ausreise Fluchtgründe im Sinne des § 1 Z. 1 des Asylgesetzes 1991 als nicht vorliegend erachtet hat (vgl. u.a. auch die hg. Erkenntnisse vom 25. November 1992, Zlen. 92/01/0585 und 0586 und vom 18. März 1993, Zlen. 92/01/0866 und 0867).

Auch der vom Beschwerdeführer als Rechtswidrigkeit des Inhaltes gerügte Mangel liegt nicht vor, weil die deutliche Bezeichnung des Gegenstandes der Erledigung (Berufung gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 3. Jänner 1992, Zl. FrA-5015/91) zwar nicht im Spruch des angefochtenen Bescheides enthalten ist, dem Beschwerdeführer jedoch, wie sich aus der Beschwerdeschrift selbst ergibt, bewußt war, um welche Erledigung eines Rechtsmittels es sich bei dem angefochtenen Bescheid handelte.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der Verlust des Studienplatzes stelle eine angedrohte Verfolgungshandlung dar, so ist ihm entgegenzuhalten, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes selbst der Verlust des Studienplatzes nicht als eine so schwerwiegende Beeinträchtigung angesehen werden könnte, daß daraus auf die Unerträglichkeit eines weiteren Verbleibes des Asylwerbers im Heimatland geschlossen werden könnte. Gleiches gilt für die von ihm im Verwaltungsverfahren geltend gemachte "Überwachung", auf die der Beschwerdeführer allerdings im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht mehr zurückkommt.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung, BGBl. Nr. 104/1991.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1992010840.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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